Nernst-Gleichung und Aktionspotential

Hallo liebe Biologiekundige :smile:

Ich habe eine Frage zur Nernst Gleichung bzw zum Ruhe- und Aktionspotential und versuche meine Gedankengewirr mal auszubreiten:

Erst einmal möchte ich wissen, ob ich das hier richtig sehe: Die Nernst Gleichung sagt mir, wie groß eine Elektrische Spannung zwischen Zellinnerem und Zelläußerem ist, wenn sich ein Ionengleichgewicht eingestellt hat. Bei Kalium wäre solch eine Spannung z.B. -95 mV (wenn man davon ausgeht, dass die Konzentration innen 160mmol/l und außen 4,5 mmol/l beträgt). In der Nernstgleichung wird allerdings nur eine Ionensorte betrachtet und angenommen, dass die Membran nur für dieses Ion permeabel ist.

Bei Natrium liegt das Ruhepotential ja nun bei ca +60mV. Wenn sich jetzt also die Natriumkanäle öffnen, strömt Natrium in die Zelle um die Zelle positiv zu polarisieren. Und da kommt eigentlich meine Frage.
Wenn Natrium nun in die Zelle strömt und sie positiv polarisiert, ändern sich doch die Natrium-Konzentrationen Innen und Außen und das vermutlich doch recht stark, oder? Bedeutet das nicht, dass dann auch das Ruhepotential von Natrium sich nun ändert, z.B. sogar negativ wird, wenn nun in der Zelle mehr Natrium ist als außen? Oder ändert sich die Na-Konzentration gar nicht so stark, aber dann frage ich mich, wie viel Natrium nötig ist um die Zelle bis z.B. +20mV zu bringen.

Ich hoffe ihr könnt mit meiner Frage was anfangen.
Würde mich sehr über Antworten freuen!

Hallo Zitrone,

Die Nernst Gleichung sagt mir, wie groß eine Elektrische
Spannung zwischen Zellinnerem und Zelläußerem ist, wenn sich
ein Ionengleichgewicht eingestellt hat.

nicht ganz. Die Nernst-Gleichung sagt etwas über das Teilpotenzial einer Ionensorte im Gleichgewicht aus, nicht über die tatsächliche elektrische Spannung. Die Goldman-Gleichung (http://de.wikipedia.org/wiki/Goldman-Gleichung) berücksichtigt mehrere Ionensorten und die unterschiedlichen Permeabilitäten. Sie liefert das tatsächliche Gesamtpotenzial an einer Membran. Ist die K-Permeabilität sehr viel größer als die der anderen Ionen, können diese vernachlässigt (gestrichen) werden und die Gleichung nähert sich der Nernst-Gleichung an.

Wenn Natrium nun in die Zelle strömt und sie positiv
polarisiert, ändern sich doch die Natrium-Konzentrationen
Innen und Außen und das vermutlich doch recht stark, oder?

Nein. Unter Berücksichtigung der spezifischen Membrankapazität (~1µF/cm2) kann man errechnen, dass die Ionendifferenz zwischen außen und innen im Ruhepotenzial und Aktionspotenzial nur sehr wenige Ionen (im Bereich von 10^-5) beträgt. Die Ionenkonzentrationen ändern sich beim Aktionspotenzial also so gut wie gar nicht und die Na-K-Pumpe ist schnell genug, diese minimalen Differenzen auszugleichen. Das Aktions- und Ruhepotenzial wird (fast) ausschließlich durch die Änderung der Permeabilitäten erreicht.

Bedeutet das nicht, dass dann auch das Ruhepotential von
Natrium sich nun ändert

Nein. Das wird in den Schulen leider oft falsch bzw. missverständlich vermittelt.

LG
Huttatta

Die Ionenkonzentrationen ändern sich beim
Aktionspotenzial also so gut wie gar nicht und die Na-K-Pumpe
ist schnell genug, diese minimalen Differenzen auszugleichen.
Das Aktions- und Ruhepotenzial wird (fast) ausschließlich
durch die Änderung der Permeabilitäten erreicht.

Erstmal danke für die Antwort. Etwas ist mir dennoch nicht klar:
Wenn Kalium eine 40fach höherer Konzentration in der Zelle hat als außen und dadurch ein Membranpotential von -70mV entsteht, wie kann es dann sein, dass Natrium mit nur ganz wenigen Ionen die Zelle bis auf +20mV depolarisieren kann?

Hallo Zitrone,

Wenn Kalium eine 40fach höherer Konzentration in der Zelle hat
als außen und dadurch ein Membranpotential von -70mV entsteht,
wie kann es dann sein, dass Natrium mit nur ganz wenigen Ionen
die Zelle bis auf +20mV depolarisieren kann?

jetzt kommt das, was ich eigentlich vermeiden wollte: eine Rechnung. Ich gebe mir Mühe, das so verständlich wie möglich zu machen. Sagen wir, die Ionenverteilung sei wie folgt:

 innen [mmol/l] außen [mmol/l]
K+ 400 10
Na+ 50 440
A- 450 450 (Cl)

(im Riesenaxon des Kalmars (Loglio), vereinfacht nach Shepherd)

Das Ruhe(Kalium-)potenzial betrage also nach der vereinfachten Nernst-Gleichung …

E = -0,058 * log ([K]außen/[K]innen)

… ungefähr -0,093 Volt. Wir betrachten nun eine Membranfläche von 1µm * 1µm und den beidseitig der Membran angrenzenden Raum von jeweils 1µm * 1µm * 1µm. Hier habe ich eine Abbildung hochgeladen, die das verdeutlicht:

http://img219.imageshack.us/img219/3539/modellit9.gif

In diesem kleinen Raum befinden sich (rechne selbst nach) außen 240.920.000 und innen 6.023.000 Kalium-Ionen. Bei Natrium sind das außen 265.012.000 und innen 30.115.000 Ionen. Dies nur, um die Dimension vorzugeben.

Anhand der spezifischen Kapazität der Membran (sie und der direkt angrenzende Raum stellen praktisch einen Kondensator dar), sie beträgt ca. 1 Mikrofarad pro Quadratzentimeter, kann man die Kapazität des betrachteten Membranstückchens bestimmen. Sie beträgt 10^-14 (0,000.000.000.000.01) Farad. Mit der Spannung von -0,093 Volt und der gerade errechneten Kapazität kann man mit der Formel …

U = Q/C
(U = Spannung, Q = Ladung, C = Kapazität)

… die Ladungsdifferenz zwischen innen und außen errechnen, die für die -0,093 Volt Spannung erforderlich sind. Also:

U = Q/C
Q = U * C
Q = -0,093 V * 0,000.000.000.000.01 F
Q = -0,000.000.000.000.000.93 C = -9,3 * 10^-16 C

Die Ladungsdifferenz zwischen innen und außen beträgt also -9,3 * 10^-16 Coulomb. Weil eine Elementarladung ca. 1,6 * 10^-19 Coulomb beträgt, kann für das betrachtete System die Anzahl der für die -0,093V Potenzial erforderlichen Elementarladungen errechnet werden. Also:

(-9,3 * 10^-16)/(1,6 * 10^-19) = -5.812,5

Im betrachteten System muss also netto (Na, K, Cl und A-) eine Elementarladungsdifferenz von rund 5.800 einfach geladenen Ionen bestehen. Im Verhältnis zu den im betrachteten Innenmedium enthaltenen 240.920.000 K-Ionen ist das ca. 0,000.024 (also 0,024 Promille).

Um einen Aktionspotenzial-Peak von +0,02 V zu erreichen, müssen also ca. 5.800 Na-Ionen nach innen strömen, um die -0,093 V Kaliumpotenzial zu neutralisieren und weitere 1.250, um die +20 mV zu erreichen (Rechnung jetzt nicht gezeigt). Zusammen wären das also 7.050 Natrium-Ionen, die nach innen strömen müssen. Da sich außen im betrachteten Volumen bei der gegebenen Konzentration von 440 mmol/l etwa 265.012.000 Natriumionen befinden, sind das auch gerade mal rund 0,000.027 (also rund 0,027 Promille).

Zusammenfassend ist es wichtig zu wissen, dass eine Zellmembran praktisch einen Kondensator darstellt und dass sehr kleine Räume betrachtet werden. Weiterhin muss man wissen, dass nicht die komplette Differenz der Kalium-Ionen für die Membranspannung erforderlich ist. Diese wird ja durch die Natriumionen neutralisiert. Weil aber die Membran im Ruhezustand (fast) nur für Kaliumionen durchlässig ist, strömt eben der oben errechnete, geringe Ionenanteil wegen des Konzentrationsgradienten rüber auf die andere Membranseite, und zwar genau so viele, bis der Diffusionsdruck und die durch die Diffusion selbst entstehene Spannung (also der Kraft, die die Kaliumionen wieder zurück auf die intrazelluläre Seite zieht) im Gleichgewicht sind. Es wandern also netto keine Ionen mehr. Und genau dann ist das Ruhepotenzial erreicht.

Dieser kleine Kaliumionen-Anteil macht das Potenzial. Man nennt es deshalb auch „Kaliumpotenzial“. Es hängt natürlich mit dem Konzentrationsgradienten von Kaliumionen innen und außen zusammen. Es besteht die in der Nernst-Gleichung gezeigte Proportionalität, aber das heißt nicht, dass tatsächlich alle Kaliumionen direkt am Ruhepotenzial beteiligt sind.

Umgekehrt ändern sich beim Aktionspotenzial zuerst die Permeabilität für die Natriumionen, wodurch dann die Spannung umgekehrt wird. Dafür sind wie gezeigt nicht viele Ionen erforderlich. Dass der Aktionspotenzial-Peak bloß ca. +20 bis +30 Millivolt erreicht, also die Spannung nicht vollständig umgekehrt wird, liegt einerseits daran, dass sich die Natriumkanäle bei der Depolarisation extrem schnell wieder schließen (zeitliche Begrenzung) und andererseits daran, das schon gleich die spannungsabhängigen Kaliumkanäle aufgehen.

Verständlicher kann ich es leider nicht machen. Ich hoffe jedoch, dass damit trotzdem klar geworden ist, warum bloß ein so geringer Anteil der Ionen für das Membranpotenzial erforderlich ist. Sorry, dass ich so viel geschrieben habe, aber mir war gerade danach.

LG
Huttatta

P.S.

In diesem kleinen Raum befinden sich (rechne selbst nach)
außen 240.920.000 und innen 6.023.000 Kalium-Ionen.

Fehler. Das ist natürlich umgekehrt: innen 240.920.000 und außen 6.023.000 Kalium-Ionen.

Hallo Huttatta,

Sorry, dass ich so viel geschrieben habe,
aber mir war gerade danach.

Na kein Grund sich zu entschuldigen. Ich fands sehr interessant und habs verstanden (hoffe ich).
Ich glaube mein Problem war in erster Linie, dass ich gedacht habe, die gesamte Zelle müsse betrachtet werden. Du hast ja nur den kleinen Raum um den Ionenkanal herum betrachtet und dadurch reichten eben so kleine „Konzentrationsänderungen“ aus.
Also vielen Dank für die ausführliche Antwort :smile: