Hallo Tirim
du hast zwei Baustellen: Dein Kind und deine Umgebung. Ich beginne mal mit der zweiten, denn die beeinflusst dein Verhalten gegenüber deinem Kind vermutlich recht stark.
In dem Moment, wo du beginnst, dich nach den (echten oder vermuteten) Erwartungen von Nachbarn und anderen Menschen richten zu wollen, gerätst du unter Druck. Du meinst, etwas, kontrollieren zu müssen, was gar nicht deiner Kontrolle unterliegt: Die Wutausbrüche deiner Tochter.
Die hat sie aber nicht mal selbst unter Kontrolle, denn in diesem Alter werden Kinder von ihren Gefühlen völlig überrannt. Deine Tochter entscheidet sich nicht bewusst dazu, rumzubrüllen, es überkommt sie einfach. Und weil das so ist, bist auch du nicht in der Lage, Kontrolle auszuüben.
Heißt: Nimm dir diesen Stress raus. Lass die Nachbarn reden. Wenn du ganz gut drauf bist, bedanke dich für ihr Interesse, bitte sie in die Wohnung und zeige ihnen dein tobendes Kind. Und dann frag sie, ob sie gerade mal eine zündende Idee haben . Vom Jugendamt musst du dich nicht schrecken lassen.
Anstatt im Treppenhaus Druck auf deine Tochter auszuüben, bleib bewusst ruhig und freundlich. Die Wut gilt nicht dir, sie gilt der bitteren Erkenntnis, dass die Welt nicht so funktioniert, wie dein Tochterkind das gerne möchte. Und weil diese Erkenntnis enorm wichtig ist, muss sie auch Raum finden. Auf die Nachbarn hat es mit Sicherheit auch eine positivere Wirkung, wenn du freundlich mit deinem Kind redest, als wenn du es anschreist.
Je weniger Aufmerksamkeit du den Wutausbrüchen schenkst, desto besser. Unbewusst kann deine Tochter sonst nämlich lernen, dass es Zuwendung bringt, wenn sie sich aufführt. Ihre Gefühle hingegen solltest du ernst nehmen und sie z.B. danach fragen, was sie denn eigentlich so wütend gemacht hat. Dann kannst du ihr auch sagen, dass dich das geärgert hat. Und ihr könnt beide gemeinsam überlegen, wie man mit der großen Wut beim nächsten Mal umgehen könnte. Das heißt nicht, dass diese Idee dann auch funktioniert. Es heißt aber, dass ihr miteinander in gutem Kontakt bleibt.
Im Grunde deines Herzens weißt du ja längst, dass dein Mädchen ganz in Ordnung ist, so wie es ist. Und ich denke auch, dass du die Wut ganz gut aushalten könntest, wenn du dir nicht so viele Gedanken darüber machen würdest, was andere von dir denken.
Du bist aber nicht dazu auf der Welt, so zu funktionieren, wie andere das gerne hätten. Deine Aufgabe ist, deinem Kind eine gute Mutter zu sein. Und dazu gehört auch, es in dieser Zeit zu begleiten. Je mehr Druck du aufbaust, desto schlimmer werden die Wutanfälle werden. Du bewirkst also nur das Gegenteil von dem, was du eigentlich willst, wenn du versuchst, deine Tochter „erwartungstauglich“ zu machen.
Deswegen: Atme tief durch, wenn sie tobt und lass die Wut vorübergehen. Du weißt doch, dass dein Sonnenscheinkind wieder durchkommt, wenn die Wolken vorbeigezogen sind.
Deiner Schwester wirst du mehr imponieren, wenn du mit einem Augenzwinkern über dem Gebrüll stehst, als wenn du hektisch und verzweifelt versuchst, für Ruhe zu sorgen . Biete ihr grinsend ein paar Ohrstöpsel und einen Baldriantee an, anstatt euch allen Stress zu machen.
Schöne Grüße,
Jule