Hallo Arndt,
Meine Frage nun, da ich noch(!) keine Philosophie studiere,
was ist das aktuellste? Was gibt es? Was ist nicht gerade
Mainstream? Wer kam nach Russel/Popper? Worüber wird heute
nachgedacht!
Mich würden besonders bezüge zur Erkenntnistheorien, Ethik,
Wahrheit und vielleicht verknüpfung zur (modernen?) Mathematik
interessieren!
das ist ja eine ganz umfangreiche Interessenliste, denke ich. Da ist es natürlich schwer, etwas zu empfehlen, von dem ich sicher sein könnte, dass es dich interessiert. Interessierst du dich denn für ein Studium der Philosophie? Mit welchem Ziel? Was hast du gegen den Mainstream (denn ich denke, den solltest du wenigstens kennen, bevor du ihn ablehnst, oder? 
Popper ist über zehn Jahre tot, Russell noch länger. Beide haben wichtige Schüler gehabt. Ich denke da nicht nur an Wittgenstein, sondern auch an Kuhn, Feyerabend und etliche andere.
Aktuell ist der Streit um die Willensfreiheit wieder neu entbrannt, diesmal als Neurophilosophie, also unter Berücksichtigung neuester medizinischer Erkenntnisse. Den Anstoß hierzu gab Gerhard Roth - das könnte dich interessieren, da sind schon einige Sammelbände Diskussionsmaterial erschienen.
Erkenntnistheoretisch gehört meiner Ansicht nach auch die phänomenologische Betrachtung der Aufmerksamkeit in diesen Rahmen, freilich von methodologisch anderer Seite angegangen. Unter Rückgriff auf Husserl haben insbesondere Jonathan Crary und (im deutschen Sprachraum) Bernhard Waldenfels hier Pionierarbeit geleistet.
Was dich an Ethischem interessiert, weiß ich nicht, auch kenne ich deinen Kenntnisse hier nicht, aber zumindest die Diskussionen um den Kommunitarismus ( Sandel, Taylor, MacIntyre, Bellah, Barber, Nussbaum, Walzer usw.) und auch um die fragliche Leistungsfähigkeit der aus der Ökonomie stammenden Spieltheorie von Morgenstern und Neumann sind immer noch aktuell und keineswegs ausgereizt. Nancy sollte man auch gelesen haben, wenn man an politischer Philosophie interessiert ist, auch Höffe. Der auch theoretisch wieder bzw. immer noch interessante Begriff der „Person“ ist ethisch wieder aktuell geworden (gerade z. B. im Bereich der medizinischen Ethik, etwa bei Qu… (Name gerade entfallen, sorry). In diesem Zusammenhang halte ich auch Volker Gerhardt s Buch über Individualität für erwähnenswert.
Und ganz allgemein kann man sagen: Putnam wird grenzenlos diskutiert und produziert immer wieder Neues. Habermas ist aktuell (z. B. zum 11. September). Hare wird ebenso ausführlich diskutiert wie seine Gegner. Philippa Foot gehört zu meinen Favoriten. Peter Geach ist sowieso unvergleichlich.
Zu den diversen Wahrheitstheorien gibt es viele verschiedene neue Konzepte (z. B. von Kutschera ). Davidson ist auch wichtig.
Und zuletzt: In der Philosophie der Mathematik kenne ich mich nicht so gut aus, ich meine aber gelesen zu haben, dass die Texte Wittgensteins hierzu als immer noch nicht angemessen rezipiert bezeichnet wurden.
So. Das alles sind nur einige Highlights und noch nicht einmal alle. Und ich habe auch nicht nur solche erwähnt, die ich schätze, sondern auch solche, die ich nicht für richtig halte. Denn natürlich muss man auch - um diese beurteilen zu können - die jeweiligen Gegenpositionen kennen, gleichgültig ob Mainstream oder nicht. Und trotzdem ist meine Liste hier sehr spontan und subjektiv zusammengestellt. Ich habe bestimmt ganz viel vergessen, was mir gleich nach dem Speichern einfallen wird, genauso wie der oben nicht ausgeschriebene Name.
Und natürlich ist das ganze nur eine Momentaufnahme, denn natürlich erscheinen laufend neue und überaus interessante Sachen. Leider hat man nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit und kann ja sowieso nicht überall informiert sein. Einen guten Überblick über jeweils Aktuelles bietet die Zeitschrift „Information Philosophie“. Vielleicht schaust du da mal hinein.
Herzliche Grüße
Thomas Miller