Neue Tatsachen gemäß § 173 AO

Hallo liebe Experten,

für folgenden Fall wäre es interessant, ob das FA eine Bescheidänderung wegen neuen Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vornehmen darf.

  • Einkommensteuererklärung 01 enthält Antrag auf Gewährung eines Investitionsabzugsbetrages. Das Investitionsgut wird genau bezeichnet. Abzug und entsprechende Veranlagung erfolgt.

  • Einkommensteuererklärung 02 enthält Anschaffung des Anlagevermögens, wofür 01 der Abzugsbetrag gewährt wurde. Die Anschaffung ist in der Steuererklärung ersichtlich (Entwicklung des Anlagevermögens).

  • EStErkl 02 enthält die Anlage EÜR, worauf es separate Zeilen gibt, um Angaben zur Auflösung des Investitionsabzugsbetrages einzutragen. Die Auflösung des Abzugsbetrages erfolgte erkennbar nicht, in den Zeilen wurden somit keine Eintragungen vorgenommen.

Für das Jahr 04 fragt das Finanzamt nach, ob denn die Anschaffung erfolgte und kündigte an, die Veranlagung 01 zu ändern.
Der Steuerpflichtige antwortet, daß die Anschaffung im Jahr 02 erfolgte.

Das Finanzamt veranlagt den Steuerpflichtigen für das Jahr 02 erneut, indem es einfach den Investitionsabzugsbetrag auflöst. Grund: neue Tatsachen.

Ist das FA hier im Recht?

(Ausweichende Lösung wäre natürlich, die Auflösung durch eine Minderung der Anschaffungskosten zu kompensieren. Mir geht es aber um die Frage der neuen Tatsachen.)

Besten Dank im voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hallo,

Das Finanzamt veranlagt den Steuerpflichtigen für das Jahr 02 erneut, indem es einfach den Investitionsabzugsbetrag auflöst. Grund: neue Tatsachen.

Was soll es denn Deiner Meinung nach sonst tun?

Ist das FA hier im Recht?

Ist es eine neue Tatsache? Ja.

(Ausweichende Lösung wäre natürlich, die Auflösung durch eine
Minderung der Anschaffungskosten zu kompensieren.

Was ist mit ausweichende Lösung gemeint? Dass das FA das Wahlrecht des dieses Wahlrecht nicht erklärenden Steuerpflichtigen ausübt?

Mir geht es aber um die Frage der neuen Tatsachen.)

Wurde bisher die Auflösung erklärt (und zwar an der dafür vorgesehenen Stelle)? Nein. Dann ist es eine neue Tatsache.

Grüße

(Ausweichende Lösung wäre natürlich, die Auflösung durch eine
Minderung der Anschaffungskosten zu kompensieren.

Was ist mit ausweichende Lösung gemeint? Dass das FA das
Wahlrecht des dieses Wahlrecht nicht erklärenden
Steuerpflichtigen ausübt?

Nein. Gemeint war, daß eine Antwort in diesem Forum lauten könnte „Egal ob neue Tatsache, mach’ doch einfach 'nen Einspruch und beantrage den Abzug von den Anschaffungskosten“ oder so ähnlich.

Mir geht es aber um die Frage der neuen Tatsachen.)

Wurde bisher die Auflösung erklärt (und zwar an der dafür
vorgesehenen Stelle)? Nein. Dann ist es eine neue Tatsache.

Keine neue Tatsache ist aber, daß die Auflösung bisher nicht erfolgte.

Angenommen, daß der Stpfl. außerdem bei Beantragung des IAB konkret darauf hinwies, daß die Anschaffung des entsprechenden WG bereits erfolgte, dann könnte das FA ja nicht argumentieren, daß es nicht wisse, ob evtl. eine Anschaffung in einem anderen VAZ erfolge. Somit hätte es bei der Veranlagung des Folgejahres (02) sehen müssen, daß gesetzeswidrig keine Auflösung des IAB erfolgte.

Ich halte die Einschätzung, es seien neue Tatsachen, nicht für zutreffend.

Besten Dank dennoch.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hallo,

wenn in 2001 eine Rücklage gebildet wird, dann ergibt sich daraus, das mit Anschaffung, spätestens aber nach 2 oder 3 Jahren, je nach Rechtslage, diese Rücklage aufzulösen ist.

2002 findet diese Anschaffung statt und wird unmissverständlich in der Steuererklärung so bezeichnet.
Damit ist die Tatsache geschaffen und wird auch allen Beteiligten bekannt.

Merkt das Finanzamt in späteren Jahren erst, dass dies so geschehen ist, dann erkennt das Finanzamt lediglich einen Fehler in der Erklärung bzw einen Ermittlungsfehler des Finanzamts selbst.
Neu wird die Tatsache deshalb aber längst nicht, sondern nur neu erkannt.

Das Finanzamt dreht sich solche Dinge aber gerne als"neu" zurecht (FG Bad.-Württ. v. 29.1.2008, AZ 4K123/06)
Andererseits sagen sie aber auch, dass es eine Tatsache ist (Fg nürnberg 25.02.2011 7k 984/2008).
Insofern widersprechen sich hier FGs fast.

Gruß
Lawrence

Hallo,

Nein. Gemeint war, daß eine Antwort in diesem Forum lauten könnte „Egal ob neue Tatsache, mach’ doch einfach 'nen Einspruch und beantrage den Abzug von den Anschaffungskosten“ oder so ähnlich.

Dann stell die Fragen auch so. Du solltest wissen, dass es in unserem §-Dschungel schon auf das Komma an der richtigen Stelle ankommt.

Keine neue Tatsache ist aber, daß die Auflösung bisher nicht erfolgte.

Ja, die hätten das einfach auch ungefragt den IAB-Ansatz in 01 wieder rückgängig machen können. Der Steuerpflichtige hat aber wohl auf Nachfragen erklärt, dass er die entsprechende Anschaffung in 02 getätigt hat. Und da hat er ja offensichtlich auch nicht die AK gemindert.

Angenommen, daß der Stpfl. außerdem bei Beantragung des IAB konkret darauf hinwies,

Wie hätte das im amtlichen Formular geschehen können?

daß die Anschaffung des entsprechenden WG bereits erfolgte, dann könnte das FA ja nicht argumentieren, daß es nicht wisse, ob evtl. eine Anschaffung in einem anderen VAZ erfolge.

Wie kann man das in der Steuererklärung 01 angeben? Ich sehe da in Zeile 75 nur die Möglichkeit die Bildung oder die Auflösung zu erklären. Dort kann also nicht bekanntgegeben werden, dass zum Zeitpunkt der Erklärung bereits die Anschaffung getätigt wurde und mehr wird dort auch nicht gespeichert sein. Wenn dann die folgenden Steuerklärungen damit verglichen werden, fällt nur auf, dass zwar ein IAB gebildet aber keiner ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Das FA muss sicher nicht alle möglichen Zettel auf eine entsprechende Info durchsuchen, sondern darf sich auf die Erklärungen auf dem amtlich vorgeschriebenen Formular verlassen und beschränken.

Somit hätte es bei der Veranlagung des Folgejahres (02) sehen müssen, daß gesetzeswidrig keine Auflösung des IAB erfolgte.

Dann weißt Du anscheinend nicht, wie Steuererklärungen bearbeitet werden. Da das ja dort als Datei ankommt wird da zu einem Großteil auch nur das angeschaut und bestenfalls auf Plausibilität geprüft und da werden eben nur die Angaben in den Formularen verglichen. Genau deswegen ergehen die Bescheide ja auch in der Regel unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Falls die mal Zeit und Langeweile haben, schauen die sich auch noch alle nicht-amtlichen Zettel an.

Ich halte die Einschätzung, es seien neue Tatsachen, nicht für zutreffend.

Ich nicht. Trotzdem nochmal die Frage, was man da jetzt gerne hätte? Der Steuerbescheid für 02 ist ja nun falsch und muss geändert werden.
Und der Fehler die entsprechende Angabe in Zeile 75 unterlassen zu haben ist ganz klar beim Erklärenden passiert. Auch wenn die Änderung jetzt nicht auf Basis von § 173 AO sondern einer anderen Grundlage passierte, wäre doch das Ergebnis das Gleiche. Das FA kann dabei jedenfalls keine Wahlrechte des Steuerpflichtigen ausüben, sondern im hier diskutierten Fall nur die Auflösung gewinnerhöhend berücksichtigen.
Hätte der Steuerpflichtige seine Buchführung im Griff, wäre das nicht passiert.
Und da die Steuerbescheide mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, kann er doch immer noch eine Änderung beantragen und so eben auch sein Wahlrecht zur Minderung der Anschaffungskosten ausüben. Natürlich dann nicht vergessen auch die vielleicht schon erklärte Abschreibung für das Folgejahr zu ändern.

Grüße

Keine neue Tatsache ist aber, daß die Auflösung bisher nicht erfolgte.

Ja, die hätten das einfach auch ungefragt den IAB-Ansatz in 01
wieder rückgängig machen können. Der Steuerpflichtige hat aber
wohl auf Nachfragen erklärt, daß er die entsprechende
Anschaffung in 02 getätigt hat. Und da hat er ja
offensichtlich auch nicht die AK gemindert.

Ja. Das wäre m. E. ein Grund für eine Änderung der Festsetzung, in diesem Fall für 01. Gut, daß dies aber nicht erfolgte.

Angenommen, daß der Stpfl. außerdem bei Beantragung des IAB konkret darauf hinwies,

Wie hätte das im amtlichen Formular geschehen können?

daß die Anschaffung des entsprechenden WG bereits erfolgte, dann könnte das FA ja nicht argumentieren, daß es nicht wisse, ob evtl. eine Anschaffung in einem anderen VAZ erfolge.

Wie kann man das in der Steuererklärung 01 angeben? Ich sehe
da in Zeile 75 nur die Möglichkeit die Bildung oder die
Auflösung zu erklären. Dort kann also nicht bekanntgegeben
werden, daß zum Zeitpunkt der Erklärung bereits die
Anschaffung getätigt wurde und mehr wird dort auch nicht
gespeichert sein. Wenn dann die folgenden Steuerklärungen
damit verglichen werden, fällt nur auf, dass zwar ein IAB
gebildet aber keiner ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Das FA
muss sicher nicht alle möglichen Zettel auf eine entsprechende
Info durchsuchen, sondern darf sich auf die Erklärungen auf
dem amtlich vorgeschriebenen Formular verlassen und
beschränken.

Somit hätte es bei der Veranlagung des Folgejahres (02) sehen müssen, daß gesetzeswidrig keine Auflösung des IAB erfolgte.

Dann weißt Du anscheinend nicht, wie Steuererklärungen
bearbeitet werden. Da das ja dort als Datei ankommt wird da zu
einem Großteil auch nur das angeschaut und bestenfalls auf
Plausibilität geprüft und da werden eben nur die Angaben in
den Formularen verglichen. Genau deswegen ergehen die
Bescheide ja auch in der Regel unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung. Falls die mal Zeit und Langeweile haben, schauen
die sich auch noch alle nicht-amtlichen Zettel an.

Gut. Konjunktiv beendet. Lösung gefunden.

Ich halte die Einschätzung, es seien neue Tatsachen, nicht für zutreffend.

Ich nicht. Trotzdem nochmal die Frage, was man da jetzt gerne
hätte? Der Steuerbescheid für 02 ist ja nun falsch und muß
geändert werden.
Und der Fehler die entsprechende Angabe in Zeile 75
unterlassen zu haben ist ganz klar beim Erklärenden passiert.
Auch wenn die Änderung jetzt nicht auf Basis von § 173 AO
sondern einer anderen Grundlage passierte, wäre doch das
Ergebnis das Gleiche. Das FA kann dabei jedenfalls keine
Wahlrechte des Steuerpflichtigen ausüben, sondern im hier
diskutierten Fall nur die Auflösung gewinnerhöhend
berücksichtigen.
Hätte der Steuerpflichtige seine Buchführung im Griff, wäre
das nicht passiert.
Und da die Steuerbescheide mit hoher Wahrscheinlichkeit auch
unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, kann er doch
immer noch eine Änderung beantragen und so eben auch sein
Wahlrecht zur Minderung der Anschaffungskosten ausüben.
Natürlich dann nicht vergessen auch die vielleicht schon
erklärte Abschreibung für das Folgejahr zu ändern.

Nö. Kein Vorbehalt der Nachprüfung - nie für das Streitjahr erteilt.

Es wird ohne Rücksicht auf neue Tatsachen ein Einspruch eingelegt und dabei ein Abzug des IAB von den AK beantragt werden. Muß man da selbst an die bereits veranlagten Folgejahre denken und das FA hinsichtlich der geminderten AK darauf hinweisen?

Besten Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Hi,

Ich tendiere auch dafür, dass es sich um eine neue Tatsache handelt.

Erklärt ist eine Anschaffung in 02. Gut, deshalb muss man noch nicht auflösen, denn die Zuordnung macht der Steuerpflichtige.

Wenn die Frist abläuft, wird vom Finanzamt nachgefragt, um dann aufzulösen.

Kommt dann die Antwort: es wurde schon in 02 gekauft, ist diese Zuordnung „neu“.

Natürlich ist die Lösung mit Einspruch dann die praktische Richtigstellung.

Schöne Grüße
C.