Neuronale Entwicklung

Hallo!

Ich habe gelesen, dass wenn Menschen z.B. kein Reue oder Schamgefühl kennen, die entsprechenden Schaltkreise im Gehirn nicht dafür angelegt sind.

Ist es so zu verstehen, dass alles (wiederholt) vorgelebte, automatisch mit dem Anlegen des entsprechenden Schaltkreises einhergeht?
Wenn ja, wann ist dieser Prozess endgültig abgeschlossen oder können ein Leben lang die Schaltkreise angelegt werden?

Liebe Grüße

Hallo Fragewurm,

Ich habe gelesen, dass wenn Menschen z.B. kein Reue oder
Schamgefühl kennen, die entsprechenden Schaltkreise im Gehirn
nicht dafür angelegt sind.

Ist es so zu verstehen, dass alles (wiederholt) vorgelebte,
automatisch mit dem Anlegen des entsprechenden Schaltkreises
einhergeht?

Da stellt sich zuerst die Frage was du unter „Schaltkreisen“ verstehst?

Etwas vereinfacht besteht das Gehirn aus einem Haufen Neuronen welche miteinander verschaltet sind. Die Anzahl der Neuronen liegt bei der Geburt, mehr oder weniger, fest und sie haben eine Grundverschaltung.
Lernen bedeutet dann, dass nicht mehr Neuronen entstehen, sondern dass sich die Verschaltung ändert.

Lernen bedeutet aber, dass Eindrücke, basierend auf der Grundverschaltung, bewertet und neue Verschaltungen angelegt werden.

Wenn nun in dieser Grundverschaltung aber ein Fehler ist, dann fehlt ein Merkmal nach welchem die Daten beurteilt werden können.

Es gibt auch Leute, welche z.B. keine Gesichter erkennen können. Diese können auch nicht lernen Gesichter zu Unterscheiden, da diese grundlegende Funktion fehlt. Sie können Personen nur z.B. an der Kleider- oder Haarfarbe auseinander halten, was aber kein verlässliches Merkmal ist.

Immer noch vereinfacht, scheint die Gesichtserkennung so zu funktionieren, dass wir in uns ein Bild eines idealen Gesichts gespeichert haben. Jedes Gesicht wird nun mit diesem Ideal verglichen und nur die Abweichungen werden als individuelles Merkmal erkannt. Zudem werden die Abweichungen noch gewichtet, sodass du deine Freundin auch noch mit neuer Frisur oder Haarfarbe erkennst.
Dies reduziert die zu verarbeitende und zu speichernde Datenmenge gewaltig.

Daraus ergibt sich auch, wieso „alle Chinesen gleich aussehen“, die Abweichung von diesem Idealbild ist einfach zu gross und kann nicht verarbeitet werden. Das Gehirn kann dann aber lernen diese Abweichungen passend zu gewichten, sodass wieder eine verarbeitbare Datenmenge entsteht.
Wenn aber dein „Gesichtsvergleicher“ nicht funktioniert, wirst du nie Gesichter unterscheiden können.

Wenn ja, wann ist dieser Prozess endgültig abgeschlossen oder
können ein Leben lang die Schaltkreise angelegt werden?

Du kannst ein Leben lang lernen und Reflexe trainieren.

MfG Peter(TOO)

Hallo,

Ist es so zu verstehen, dass alles (wiederholt) vorgelebte,
automatisch mit dem Anlegen des entsprechenden Schaltkreises
einhergeht?

Nein, automatisch geht das nicht. Um etwas zu lernen müssen „Schaltkreise gelegt werden“ (oder: Synapsen gebildet werden). In der frühen Kindheit werden die meisten Leitungen gelegt und so haben sie mehr Synapsen als Erwachsene. Wenn sie nicht gebraucht werden, werden sie aber wieder abgebaut.

Du schreibst aber durch das Vorleben, d.h. durch Beobachtung. Die Voraussetzung dafür, dass etwas beobachtet wird ist zunächst einmal dass man es wahrnimmt (z.B. durch Interesse) und auch wie man etwas wahrnimmt (positiv, negativ oder irrelevant).

Wenn ja, wann ist dieser Prozess endgültig abgeschlossen oder
können ein Leben lang die Schaltkreise angelegt werden?

Lernen tut man über die ganze Lebensspanne hinweg, aber einige Erfahrungen sind in der Kindheit besonders prägend und das Gehirn hat auch in der Kindheit die größte Plastizität.

Viele Grüße