Hallo Doc,
In der Anlage KSt 1 Fa (2002) befindet sich auf der 2ten Seite
in Zeile 18 der Begriff: Neurücklage / Gewinn / Verlust
Was ist damit gemeint?
erstmal zum Trost: Nach dieser Hausarbeit wird Dir die Anlage KSt 1 Fa vermutlich nie wieder begegnen, sie ist ein absoluter Exot. Die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für „normale“ Kapitalgesellschaften ist allerdings kaum weniger eigenartig. Viiiel schlimmer war allerdings vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens die Erklärung zur gesonderten Feststellung des für Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapitals, DIN A 3 Hochformat mit ungefähr acht Spalten, wegen des langen Titels unter Kollegen bloß „die Tapete“ genannt.
Aber zur Sache:
Der Begriff Neurücklage existiert im ganzen gegoogelten www
nur im Zusammenhang mit dieser Anlage.
Das stimmt. Der Begriff ist für das Formular geschaffen worden, auch das KStG kennt ihn nicht. Freundlicherweise ist aber in der Überschrift zum KSt 1 Fa auf § 27 Abs 2 Satz 1 KStG hingewiesen. Und damit wird klar, worauf die Feststellung hinaus will: Es geht um die Fortschreibung der nicht in das Nennkapital (also in Rücklagen) geleisteten Einlagen. Mit deren Fortschreibung und gesonderter Feststellung soll gewährleistet werden, dass im Fall von künftigen Ausschüttungen nachvollzogen werden kann, welcher Teil des für Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapitals aus Überschüssen stammt, die als KStlicher Ertrag mit KSt belastet waren, und welcher Teil aus nicht mit KSt belasteten Rücklagen (nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen, § 27 Abs 1 KStG) stammt. Das ist wichtig für die Unterscheidung, welche Leistungen an die Anteilseigner zu Bezügen im Sinn des § 20 Abs 1 Nr 2 EStG führen und welche nicht.
Die gesamte Thematik findet sich in §§ 27-29 KStG. Aus diesem Kontext stellen sich die „Neurücklagen“ als die kumulierten ausschüttbaren Gewinne i.S.d. § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 4 abzüglich Sonderausweis gem. § 28 KStG dar, während das in Spalte 3 fortgeschriebene steuerliche Einlagekonto die kumulierten nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen zeigt. Der Sonderausweis in Spalte 5 ist in § 28 KStG beschrieben.
Auch findet man dort
irgendwo den Hinweis, dass mit Gewinn / Verlust gemeint ist:
=> vor Verlustverrechnung bzw. Rücklagenbildung.
Dieses wird deutlich, wenn man sich anschaut, wie die Beträge in Spalten 3-5 fortgeschrieben werden: Die Bestände in Zeile 7 und Zeile 56 sind mit den Bilanzwerten abstimmbar. Alles, was dazwischen passiert, betrifft Bewegungen: Die Vorgänge des Wirtschaftsjahrs einschließlich Verwendung des Ergebnisses. Gewinn/Verlust lt. Zeile 23 ist mit Jahresüberschuss/Fehlbetrag abstimmbar.
Aber meinen die jetzt das zu versteuernde Einkommen unter
„Gewinn“ oder „Verlust“?
Gemeint ist tatsächlich der Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag, wo wie er in der GuV ausgewiesen ist. Der Weg von diesem zum zu versteuernden Einkommen ist formulartechnisch woanders dargestellt, nämlich in der Körperschaftsteuererklärung KSt 1A.
Zur Illustration des Ganzen ist es nützlich, wenn Du Dich an der Tapete entlanghangelst und Zeile für Zeile die mit den vorgegebenen Vorzeichen angeführten Rechenschritte daraufhin untersuchst, warum sie in welcher Höhe in welche der drei Spalten „Einlagekonto“, „Neurücklagen“ und „Sonderausweis“ reinkommen. In §§ 27 - 29 KStG steht für jede der vorgegebenen Operationen ein Motiv. In § 28 Abs 2 KStG auch dafür, dass der Begriff „Neurücklagen“ verwendet wird und nicht schlicht „ausschüttbarer Gewinn“ da steht: Der ist ja unter Umständen auch im Sonderausweis Spalte 2 - § 28 (1) KStG - enthalten.
Frohes Schaffen wünscht
MM