Ich höre gerade das Hörbuch von Stephen Hawking - Einsteins Traum. In der ersten Minute wird erwähnt, dass es einen Vertrag zwischen dem Britischen Empire und dem Deutschen Reich gegeben haben soll, dem zufolge die Briten die beiden dt. Städte, Heidelberg und Göttingen, nicht bombardieren würden; und im Gegenzug sollten die Deutschen, laut Hawking, darauf verzichten die Städte Cambridge und Oxford zu bombardieren.
Ich habe schon ein wenig recherchiert und auch in diesem Forum wird dieser Vertrag von einem Autor erwöhnt. Allerdings ließ sich die Frage nicht eindeutig klären: Gab es diesen Vertrag oder nicht? Ich bitte darum, dass etwaige Antworten auch mit Quellen belegt werden, was in vielen Foren leider immer wieder „vergessen“ wird.
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage!
Hallo,
Manfred Schmidt schreibt in seinem Heidelberg-Kapitel in „Hab Sonne im Koffer“ auch etwas zur Nichtbombardierung Heidlbergs. Er begründet das aber nicht mit einem Vertrag, sondern damit, dass es eine berühmte Geschichte (evtl. Film, Theaterstück?) über Heidelberg geben soll, wo ein Prinz seine große Liebe findet. Diese Story soll so rührend sein, dass es niemand übers Herz gebracht hat, ihren Schauplatz zu bombardieren.
Gruß,
Markus
Student Prince
Diese Story soll so rührend sein, dass es niemand
übers Herz gebracht hat, ihren Schauplatz zu bombardieren.
Jaja, das ist die Operette „Student Prince“, die jedes Jahr für die angelsächsischen und asiatischen Brüder und Schwestern im Schlosshof aufgeführt wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Student_Prince
Ob das der Grund ist? Kann ich mir nicht vorstellen.
Gruß MacG
Hallo Heikman,
dass ich diesen Vertrag nicht kenne, besagt noch nichts. Aber ich halte ihn technikgeschichtlich für unwahrscheinlich.
Das Eindringenm großer Bomberströme, die ganze Städte in Schutt und Asche legten, war in den dreißiger Jahren Wunschtraum. Allenfalls grenznahe Städte waren bedroht. Die Bombardierung Englands 1940 war erst nach der Eroberung der Kanalküste und Norwegems möglich. Ostdeutschland (gemeint ist das alte Ostdeutschland) konnte erst gegen Ende des Krieges von den Alliierten erreicht werden.
Solcherlei Anekdoten hört man überall dort, wo nicht gebombt wurde. Die Regensburger erzählen sich, dass gewisse Kontakte des Fürsten Thurn und Taxis zum englischen Könighaus die Bombardierung verhindert habe. Das sind alles Romantizismen. Die einzige deutsche Stadt, auf die die Engländer wirklich Rücksicht hätten nehmen können, war Hannover. Und wie Hannover 1939 und heute bzw. 1945 aussah, muss ich wohl nicht beschreiben.
Gruß,
Andreas
Hallo,
das ist einer von vielen Urban Myths`s…
Was die deutsche Luftwaffe bombardieren konnte,hat sie auch Bombardiert…nur dazu müssen die Ziele
a) in Reichweite sein
b) erfolgsversprechend sein (Rüstungsindustrie/Militärische Anlagen)
(gleiches galt natürlich auch für Deutschlands Gegner.
Der nächste Punkt wäre dann ,das Ziel auch zu treffen…was ebenfalls nicht so leicht ist…
Nicht umsonst haben wir ja noch heutzutage mit Blindgängern zu kämpfen,weil damals die Bomber der Allierten dort abwarfen,wo gar nichts war…
Hi Frank,
ab (wahlweise) 14.02.1942 (Area Bombing Directive) oder 30.03.1942 (Lindemann-Memorandum „Dehousing Paper“) spielen Ziele aus Industrie und Infrastruktur nur noch sehr bedingt eine Rolle bei der Auswahl der angegriffenen Städte. In Coventry hatte die deutsche Luftwaffe am 14.11.1940 vorexerziert, wie man einen Feuersturm entfacht, und unter dem Kommando von Arthur Harris war für die RAF die Bausubstanz der Städte im Hinblick darauf viel wichtiger als darin befindliche Industrie oder Verkehrseinrichtungen: Daß die kriegswichtige Industrie aus der Luft nicht ohne weiteres zu schwächen war, zeigte sich im Bombenkrieg schon bald.
Heidelberg ist von der Entfernung zu den Horsten der RAF genauso leicht erreichbar wie z.B. Mannheim, das je nach Zählung über 150 Angriffe erlebt hat und Mainz, von dem mit 80% zerstörter Bausubstanz nicht besonders viel übrig geblieben ist. Mainz hatte keine kriegswichtige Industrie, Mannheim ein bissel Motoren- und Fahrzeugbau, die aber leicht auszulagern waren; die Liste von zerstörten Städten ohne oder ohne bedeutende kriegswichtige Industrie ließe sich noch lange fortsetzen.
Die Lage im Neckardurchbruch zwischen relativ steilen Höhen des Odenwalds und des Kleinen Odenwalds machen Heidelberg eher schlecht geeignet für ein Flächenbombardement, aber auch nicht viel schlechter als andere Städte in Tal- oder Kessellagen wie z.B. Stuttgart, Ulm, Pforzheim, Kassel.
Heidelberg hat einen hohen Anteil von Häusern aus der frühen Neuzeit mit großen Dachstühlen und in Fachwerkbauweise, in dichter Bebauung - hätte also von daher ebenso gut gebrannt wie Mainz oder Hildesheim; möglicherweise ist es wegen der länglichen schmalen Form für einen Feuersturm nicht so gut geeignet. Das hätte aber ab Ende 1944, als der Reihe nach Städte ähnlicher Bedeutung wie Heilbronn, Ulm, Pforzheim noch vollends abgeräumt wurden, keine große Rolle mehr gespielt.
Daß Wiesbaden, Heidelberg, Tübingen als Standorte für die Besatzungsmacht vorgesehen waren und deswegen nicht oder kaum bombardiert wurden, ist auch nicht recht einleuchtend, weil dann ja Münster, Düsseldorf, Kiel, Hannover von der RAF auch ein bissel vorsichtiger behandelt worden wären, als das der Fall war.
Wieauchimmer: Daß Heidelberg keine bedeutende Industrie und einen ziemlich leicht zu umgehenden Bahnhof hatte, hat sicher keine Rolle dabei gespielt, daß es nicht bombardiert wurde: Dann wären noch viele anderen Städte stehen geblieben.
Schöne Grüße
MM
Hallo,
einfach google bemühen. Sowohl Heidelberg als auch Göttingen wurden bombardiert, Heidelberg wohl etwas weniger als Göttingen, aber auch dort wurden Blindgänger gefunden.
Es gab keinen derartigen Vertrag und falls ja, er wäre von Hitler wohl gebrochen worden.
Gruss
Rainer
Coventry
Hallo Martin,
der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass in der Stadt Coventry verteilt das Zentrum der britischen Luftfahrtindustrie lag. Der Feuersturm entstand wohl aus Zufall, zumal die Luftwaffe mangels Kapazität bekanntlich weder Flugzeuge noch Taktik des strategischen Bombardements im „Programm“ hatte.
Alles wesentliche zum Luftkrieg auf deutscher Seite stammt von Horst Boog, wen es interessiert.
Gruß,
Andreas
einfach google bemühen. Sowohl Heidelberg als auch Göttingen
wurden bombardiert […]
Es gab keinen derartigen Vertrag und falls ja, er wäre von
Hitler wohl gebrochen worden.
Hallo Rainer,
vielen Dank für deine - und natürlich auch die anderen - Antwort(en). Selbstverständlich habe ich Google bemüht, ohne vorherige Eigeninitiative würde ich gar nicht ins Forum schreiben. Und über die Angriffe auf Heidelberg und Göttingen habe ich u.a. auf den Städte-HPs gelesen. Auf Grund meiner Vorbildung zu dem Thema und dem Gelesenen, drängte sich mir auch die Vermutung auf, dass dieser Vertrag nicht existent ist/war. Dein letzter Satz (im Sinne von: es gab keinen, aber falls doch…) impliziert doch aber genau diese vage (Un-)Sicherheit.
Ich hoffte vor allem, eine Erklärung dafür zu erhalten, warum Hawking , als Wissenschaftler, für den der Umgang mit Quellen selbstverständlich sein sollte, eine solche (falsche?) Tatsache beschreibt.
Vielen Dank nochmals für die Beiträge, ich verfolge den Thread mit gespannter Erwartung.
Viele Grüße
Heikman
Es gab keinen derartigen Vertrag und falls ja, er wäre von
Hitler wohl gebrochen worden.
Hallo,
nach meinem Kenntnisstand gab es keinen derartigen Vertrag.
Das „falls ja“ bezieht sich auf die x von Hitler gebrochenen Verträge und Versprechungen. Falls es das Ding gegeben hätte, wäre der auch gebrochen worden.
Mir ist eigentlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur eine Gegend in Vietnam bekannt, die während des Bürgerkriegs von keiner Seite angegriffen wurde.
Gruss
Rainer
Hi Andreas,
ja, sicher ging es bei Coventry um Rolls Royce, und die Parallele zu den Flächenbombardierungen der Alliierten wurde erst später in der Propaganda vom kleinen Doktor hergestellt („Wiir wäärden sie conventriiierän!“); die in Coventry genauso wie später in „Gomorrha“ und an vielen anderen Orten eingesetzte Technik, zuerst mit Sprengbomben die Dächer zu knacken, um dann Brandbomben überhaupt wirksam einsetzen zu können, war aber wohl schon eine Erfindung der Luftwaffe.
Wieauchimmer - kennst Du eine plausible Erklärung für die Schonung von Heidelberg und (weitgehend) Wiesbaden? Heidelberg hat ganz am Anfang in 1940 nur vor den Toren im Gewerbegebiet Pfaffengrund etwas abgekriegt, und ganz am Ende, als taktisch bombardiert wurde, um Brücken und die Reste der Eisenbahnen zu unterbrechen.
Waren solche Orte einfach zu weit unten auf der Prioritätenliste, so daß der Krieg vorbei war, bevor RAF und USAF dazu kamen, sie zu pulverisieren? Auffallend ist es schon, daß im Vergleich etwa Köln oder auch das benachbarte Mannheim wieder und wieder angeflogen wurden, auch als es da gar nicht mehr so viel zu zerstören gab, und auch kleine Störangriffe mit ein paar Mosquitos immer die Mannheimer Nachbarn trafen.
Die Idee, einzelne Orte als künftige Standorte in der Substanz zu erhalten, stammt wohl eher aus der Flugblattpropaganda der Alliierten (der Text „Stuttgart wolln wir schonen - da wollen wir mal wohnen!“ entsprach ja nicht grad der Stuttgarter Wirklichkeit im April 1945).
War Heidelberg tatsächlich wegen seiner Lage im Taltrichter so riskant anzufliegen?
Schöne Grüße
MM
Hallo Martin,
Wieauchimmer - kennst Du eine plausible Erklärung für die
Schonung von Heidelberg und (weitgehend) Wiesbaden?
Nein, kenne ich nicht. Man darf sich aber getrost von rationalen Argumenten verabschieden. Speer als Rüstungsminister wunderte sich ja immer wieder, dass die Alliierten nicht konsequent die Schlüsselindustriene niederhielten. Raum für eine neue verschwörunmgstheorie. Schließlich aber ging es britischerseits durchaus um Terror.
Waren solche Orte einfach zu weit unten auf der
Prioritätenliste, so daß der Krieg vorbei war, bevor RAF und
USAF dazu kamen, sie zu pulverisieren?
Das allerdings. Heidelberg dürfte ja schon recht früh besetzt worden sein.
War Heidelberg tatsächlich wegen seiner Lage im Taltrichter so
riskant anzufliegen?
Auch das kann ich nicht beantworten; Lokalhistoriker vor!
Andreas
Erst dieses Jahr sind doch zwei Mitglieder des Bombenräumkommandos in Göttingen beim Entschärfen einer Fliegerbombe ums Leben gekommen…
Hiho,
Das allerdings. Heidelberg dürfte ja schon recht früh besetzt
worden sein.
zwischen dem 23. März 1945 (Gen. Patton pinkelt bei Oppenheim von einer Pontonbrücke aus in den Rhein) und 08. Mai 1945 ist objektiv sehr wenig Zeit - subjektiv war es für die, die sie erlebt haben, sehr lange.
Die Amerikaner rückten nach dem Rheinübergang ziemlich zügig vor - Heidelberg wurde am 30. März 1945 besetzt - Mannheim war noch pro forma zur Festung erklärt worden, aber die Reste von Wehrmacht und Waffen-SS sind so hastig abgezogen, daß kein Offizier mehr zur Übergabe der Festung verfügbar war, als die Amerikaner von Nordosten her auf die Festung vorrückten, so daß die Übergabe höchst zivil zwischen einem gefangengenommenen Beamten des städtischen Wasserwerks in MA-Käfertal und dem letzten noch in der Stadt telefonisch erreichbaren Beamten des städtischen Bauamts vereinbart wurde.
Ich weiß nicht, ob nach dem strategisch und taktisch vollkommen sinnlosen Angriff auf Pforzheim (23. Februar 1945 - 98% des Stadtgebiets zerstört, etwa 30% der Bevölkerung tot) außer dem Angriff vom 1. März 1945 u.a. auf das bereits weitgehend zerstörte Heilbronn noch Flächenbombardierungen deutscher Städte stattgefunden haben - die ebenso sinnlose Zerstörung von Freudenstadt durch Artilleriebeschuss am 16. April 1945 geht auf das Konto von Gen. de Lattre et Tassigny, der wohl auch nochmal richtig Bumm machen wollte, damit ihn die Geschichte nicht ganz vergessen möge.
Im Vorfeld des amerikanischen Einmarsches operierten taktisch wohl eher die P-38 Lightning, die fliegenden Festungen B-17G Thunderbird hatten im März ihren Job (jedenfalls in Deutschland) getan.
Nun ist grade Pforzheim ein Beispiel dafür, daß von den alliierten Luftstreitkräften im Frühjahr 1945 noch alles zerstört wurde, was dafür in Frage kam, selbst als man schon wußte, daß nach dem Rheinübergang nichts Wesentliches mehr kommen würde. So daß Heidelberg eigentlich schon eine markante Ausnahme darstellt.
Nungut, überlassen wir das der Madame Historia -
Schöne Grüße
MM
urban legend heisst es
owt
Hallo,
da ist doch dasselbe…lool…
legend der Mythos
wenn man Gewandheit vorzeigen moechte, sollte man die Idiome korrekt benutzten.