Nichtexistenz von Gott

Wahrheitsliebende,

Jean-Paul Sartre führt in seinem Hauptwerk, seiner phänomenologischen Ontologie (‚Das Sein und das Nichts‘) einen Beweis, mit dem er auf die Nichtexistenz von Gott schließt.
Meine Frage lautet:
Welche Meinungen bzw. Gegenstimmen gibt es zu Sartres These in der philosophischen Fachliteratur?
Ich selber habe noch keine gefunden.

Dank im voraus

Dennis

Wie hat der das gemacht???

Ich meine, ich kann zwar nicht beweisen, daß es ihn gibt, aber das Gegenteil zu beweisen ist auch nicht leichter.
Ich kannte eigentlich bisher nur die marxistische Theorie, aber die hinkt an allen Ecken. Denn bewiesen ist materialistische Standpunkt auch nicht, es bleibt eine Glaubensfrage. Und den zum Himmel schreiende Blödsinn „Die Lehre von Marx und Lenin ist richtig, weil sie wahr ist“ habe ich noch nie für besonders beweiskräftig gehalten. Und wenn denen nichts Überzeugenderes eingefallen ist (und das ist es nicht, ich habe bei mehreren Marxismusdozenten Minuspunkte mit meinen ketzterischen Fragen gesammelt) bin ich wirklich gespannt, was es sonst für triftige Beweise geben soll.

Gernot Geyer

Die marxistische Theorie beweist die Nichtexistenz von Gott nicht. Karl Marx Theorie vom ‚Opium des Volkes‘ bewegt sich nur im Bereich der Empirik. Die Theorie ist deshalb nur wahrscheinlich.
Den Beweis Sartres zu skizzieren ist sehr kompliziert. Sartre war ein Systemphilosoph und hat den Beweis nach vielen vorausgehenden Schlüssen in seine phänomenologische ontologie eingeordnet.
Nach Sartre ist der Mensch frei. Gäbe es Gott, so müsse dieser im Sinne seiner fortwährenden Schöpfungen, seiner Omnipotenz und seinem Allwissen das Handeln der Menschen beeinflussen. Da der Mensch frei sei, könne dies nicht möglich sein und Gott könne nicht existieren. Das war es jetzt sehr grob. Es ist offensichtlich, dass sich hieraus weitere Fragen ergeben. Warum ist der Mensch frei usw.

Hallo Dennis,

danke erst einmal für die kurze Aufklärung.

Allerdings erscheint mir die Therorie von Sartre gleich doppelt gewagt.
Die Gleichsetzung von Gott und Allmacht und Allwissen ist logisch, aber die Schlußfolgerung ist gewagt. Denn woher kommt der Beweis dafür, daß Gott , wenn er unser Handeln bestimmen kann, dies auch tun muß. Kann ja sein er billigt mir im Rahmen seiner Allmacht eine gewisse Freiheit zu.
Na ja, und das zweite Argument dagegen wäre die ewige Frage, ob wir überhaupt frei sind. Du kennst ja selber die Theorien, die da alle beweisen wollen, daß letztlich jede noch so freie Entscheidung fremdbestimmt als Folge anderer vorhergegangener Dinge geschieht. Wie zum Beispiel die berühmte These, daß mich der fallende Dachziegel treffen mußte, weil ich zwangsläufig genau in dem Moment dort lang gehen mußte, als nach allen physikalischen gestzen auch der Ziegel runterfallen mußte.
Ich glaube zwar nicht an diesen Blödsinn, aber der gegenbeweis dafür ist eben auch nicht unbedingt einfach. Ich hätte ja auf der anderen Straßenseite gehen können, aber dafür, daß ich es nicht getan habe, gibt es auch wieder Ursachen usw.

Ich glaube also nicht, daß man auf diesem Wege wirklich weiterkommt.

Gernot Geyer

Ich schrieb schon, dass Sartre seinen ‚Antigottesbeweis‘ in sein philsophisches System einordnet, in welchem er auf die menschliche Freiheit schließt. Leider habe ich wenig Zeit für ellenlange Briefe, deshalb kann ich nicht ausschweifend mit dir diskutieren. Nur so viel: Wie du im Ziegelstein Beispeil richtig beschreibst, hat sich der Derterminismus in unauflösbare Widersprüche verwickelt. Das menschliche Handeln ist nicht vollständig vorherbestimmt.
Da ich weiß, wie komplex die sartresche Philosophie ist (ich musste mich durch die 800 Seiten durchfressen!) möchte ich konkret bei dem Beweis von Gottes Nichtexistenz bleiben.

Ich hoffe auf dein Verständnis

Dennis

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Hallo Dennis,

die Nicht-Existenz von irgendetwas zu beweisen, ist fast unmöglich. Wenn ich mich nicht irre, hatte Jean-Paul Sartre zu diesem Thema ohnehin weniger Beweisführungen logischer als (seiner Meinung nach) moralischer Art anzubieten.

Das einzige, was die Philosophie seit Kant zu wissen glaubt, ist die Nichtbeweisbarkeit der Existenz Gottes. Dies begründet sich auf der Tatsache, daß die „Existenz“ nicht als ein logisches Prädikat des Seienden zu betrachten sei.

Der Fehler an diesem Gedanken jedoch ist, daß gerade die Tatsache, daß die Existenz kein logisches Resultat aus der Wesenheit des Seienden ist, auf die Prädikativität der göttlichen Existenz schließen läßt…

Viele Grüße,

Mohamed.

Hallo Dennis,

die Nicht-Existenz von irgendetwas zu beweisen, ist fast
unmöglich. Wenn ich mich nicht irre, hatte Jean-Paul Sartre zu
diesem Thema ohnehin weniger Beweisführungen logischer als
(seiner Meinung nach) moralischer Art anzubieten.

Es tut mir Leid, aber das ist ganz und gar falsch! Sartre bietet nicht das geringste moralische Argument gegen Gott, schon weil es sich bei seinem Hauptwerk um eine Ontologie handelt. Es geht in keinster Weise um Ethik oder Moral! Sartres Beweis ist rein logisch.

Das einzige, was die Philosophie seit Kant zu wissen glaubt,
ist die Nichtbeweisbarkeit der Existenz Gottes. Dies begründet
sich auf der Tatsache, daß die „Existenz“ nicht als ein
logisches Prädikat des Seienden zu betrachten sei.

Was willst du damit sagen? Wo siehst du den Unterschied von den Aussagen ‚Es IST‘ oder ‚Es EXISTIERT‘? Meinst du, dass, wenn etwas zu SEIN scheint, eine Täuschung SEIN könnte? Das ist falsch, da auch eine Täuschung IST.

Der Fehler an diesem Gedanken jedoch ist, daß gerade die
Tatsache, daß die Existenz kein logisches Resultat aus der
Wesenheit des Seienden ist, auf die Prädikativität der
göttlichen Existenz schließen läßt…

Ich halte es für sehr gefährlich unbegründete Thesen nackt in dieses Forum zu stellen. Gerade wenn sie dem Augenschein nach sehr intelligent klingen. Du solltest zumindest die Begründungen skizzieren oder, wenn du dir nicht sicher bist, nachforschen. Alles andere ist nicht konstruktiv.
Ich frage also wieder zum letzten Punkt: Wenn die Tatsache, dass etwas IST nicht zwingend folgern läßt, dass es auch existiert, warum muss es dann gleich eine göttliche Existenz geben? Weil nur die göttliche Willkür mir omnipotent komische Dinge, die gar nicht existieren, zeigen kann?

Ich hoffe, du antwortest mir noch etwas genauer.

Dennis

Hallo Dennis,

nun, wie aus meinem Posting ersichtlich war, vermutete ich nur, daß Sartre einen moralischen Beweis anführte, insofern hast Du, der Du sein 800-seitiges Werk durchgewälzt hast, mir etwas voraus :wink: . Aber diese Vermutung hege ich immer noch, da Sartre seinen Beweis mit der Freiheit des Menschen verknüpft, und diese spielt normalerweise nur in der Ethik eine wichtige Rolle (Verantwortlichkeit des Menschen).

Ich meinte nicht das, was man in der Grammatik unter Prädikat versteht, sondern eher das logische Prädikat. Zwischen „existieren“ und „sein“ gibt es hier keinen Unterschied. Auf empirischer Basis wäre zum Beispiel die Farbe „grün“ das Prädikat einer Wiese (ist sie strenggenommen nicht, aber es scheint wenigstens so). Kant stellte bekanntlich jedoch fest, daß die Existenz (oder das „Sein“) von vielen Denkern fälschlicherweise als Prädikat des Seienden verwendet wurde. Er hat recht, denn die Existenz resultiert nicht aus der Substanz des Seienden - dafür jedoch ohne Zweifel ein diskretes Existenzpotential. Wenn man nun genau hinschaut, ist dies nichts als eine Umschreibung der Kontingenz des Seienden im Sinne des islamischen Philosophen Al-Ghazali (Algazel) und später auch Thomas v. Aquin. Und da bekanntlich die Kontingenz des Seienden inkontingentes Sein voraussetzt, wird dies als der von den Gottesbeweiskritikern unfreiwillig gelieferte Gottesbeweis angesehen.

Gruß,

Mohamed.

Hi Mohamed,
Leider gehst du nicht sehr detailliert auf meinen letzten Brief ein. Wieder lieferst ein Konglomerat von Thesen und Vermutungen, die du deiner Meinung aus der Fachliteratur entnommen hast. Ich wiederhole: Es ist sehr gefährlich, wenn man unbegründete Thesen die, im vorliegenden Fall, abstrakt und intelligent formuliert SCHEINEN, zudem noch außerordentlich gefährlich, wenn man sich auf geistige Autoritäten beruft (wie Kant), die man in seinem Rücken glaubt.

nun, wie aus meinem Posting ersichtlich war, vermutete
ich nur, daß Sartre einen moralischen Beweis anführte,
insofern hast Du, der Du sein 800-seitiges Werk durchgewälzt
hast, mir etwas voraus :wink: . Aber diese Vermutung hege ich
immer noch, da Sartre seinen Beweis mit der Freiheit des
Menschen verknüpft, und diese spielt normalerweise nur in der
Ethik eine wichtige Rolle (Verantwortlichkeit des Menschen).

Ich wiederhole (und respektiere bitte meinen gesunden Menschenverstand plus meiner Fähigkeit zu lesen): Sartres ‚Das Sein und das Nichts’ ist reine Ontologie, keine Ethik.
Es ist sicher richtig, dass die Freiheit für die Ethik eine wichtige Rolle spielt (ich hab das schon mal versucht hier im Forum zu diskutieren, allerdings unter pragmatischem Gesichtspunkt), bedeutet das in keinster Weise, dass der Begriff nur in der Ethik auftaucht.
Es ist so: Man stellt logische Überlegungen an - welcher Philosophie auch immer man folgt – und entweder schließt man, dass es die Freiheit gibt oder nicht. Ob das jetzt eigentlich ziemlich schade ist, dass es die Freiheit gibt, weil man sie für seine ethischen Vorstellungen gerade nicht gebrauchen kann, ist vollkommen zweitrangig.

Ich meinte nicht das, was man in der Grammatik unter Prädikat
versteht, sondern eher das logische Prädikat. Zwischen
„existieren“ und „sein“ gibt es hier keinen Unterschied.

Also wirklich! Dass ich mir dass selber zusammenreimen konnte, dass ‚existieren’ und ‚sein’ beides Verben sind und das du das im Philosophieforum!! NICHT mit Prädikat gemeint hast, hast du mir nicht zugetraut?
Du hast behauptet, dass es im Sinne korrekter Grammatik keinen Unterschied zwischen existieren und sein gibt. Das ist wieder nur eine These, die aber sicher von keinem, der die deutsche Sprach beherrscht bezweifelt wird

Auf empirischer Basis wäre zum Beispiel die Farbe „grün“ das
Prädikat einer Wiese (ist sie strenggenommen nicht, aber es
scheint wenigstens so). Kant stellte bekanntlich jedoch fest,
daß die Existenz (oder das „Sein“) von vielen Denkern
fälschlicherweise als Prädikat des Seienden verwendet wurde.

Kant stellt bekanntlich fest? Ist das allgemein bekannt? Wo ist die Begründung, dieser These? Warum ist es falsch zu sagen, etwas, dass IST, EXISTIERT auch?

Er hat recht, denn die Existenz resultiert nicht aus der
Substanz des Seienden - dafür jedoch ohne Zweifel ein
diskretes Existenzpotential.

Wieso hat er recht? Wieso ist das Existenzpotential unanzweifelbar? Ist nicht einer der Ursprünge jedes Philosophischen Denkens der Zweifel am Offensichtlichen?

Wenn man nun genau hinschaut, ist dies nichts als eine
Umschreibung der Kontingenz des Seienden
im Sinne des islamischen Philosophen Al-Ghazali (Algazel) und
später auch Thomas v. Aquin. Und da bekanntlich die Kontingenz
des Seienden inkontingentes Sein voraussetzt, wird dies als
der von den Gottesbeweiskritikern unfreiwillig gelieferte
Gottesbeweis angesehen.

Ich folge deinem Gedankengang oder dem Kants, je nachdem, und nehme als wahr an, dass alles Seiende nur existieren KANN, also das Potential dazu hat. Dann ist es sicher richtig, dass das kontingente Seiende gewissermaßen den Gegenpol, das inkontingente Seiende, vorraussetzt. Das bedeutet aber doch nur, dass dieses inkontingente Seiende MÖGLICH ist. Es ist kein Beweis, sondern nur eine theoretische Klausel für das Unwahrscheinliche, sprich Gott.

Am Ende möchte ich, auch wenn ich damit ein stückweit meine Kritik ad absurdum führe, etwas vermuten. Du bist wahrscheinlich (wie auch ich übrigens) jemand, der sich sehr gerne in seiner Freizeit mit Philosophie beschäftigt. Das gewiße Werke der Philosophiegeschichte, dabei für den Laien nicht einfach zu verstehen sind, wird wohl ebenfalls kaum einer bestreiten. Das ist eben so. Wenn du aber Wissen, dass du den Philsophen entnommen zu haben glaubst, im Forum präsentierst, solltest du es ÜBERPRÜFBAR und WIDERLEGBAR machen, also nicht mit Phrasen wie ‚das ist bekanntlich so’ beschreiben.

Es tut mir leid, wenn mein Wortfall manchmal zu provokant ist

Dennis

PS: Bei deiner Berufung auf die schauderhafte und scholastische Mitteralterlichkeit von Thomas von Aquin läuft es mir kalt den Rücken hinunter.

Hallo Dennis,

keine Sorge, ich glaubte Kant nicht in meinem Rücken - schließlich war er ein scharfer Kritiker der Gottesbeweise. Seine Kritik beruhte gerade darauf, daß die Existenz kein Prädikat des Seienden sei. Allerdings eine Theorie „unwiderlegbar“ zu formulieren, erfordert mehr als einen Artikel in einem Philosophie-Forum.

Daß die Existenz von etwas nicht zu seinen Prädikaten zählt, heißt nicht, daß es nicht existiert. Es heißt zunächst nur, daß seine Existenz nicht notwendig ist, sprich, daß es kontingent ist.

Warum Kant in diesem Zusammenhang recht hat, ist klar: Zählte die Existenz zum Wesen des Seienden, könnte man es sich nicht „wegdenken“ (im logischen Sinne). Anders formuliert, dessen Nicht-Existenz wäre unmöglich. Dies ist aber aber bei der Welt offensichtlich nicht der Fall. Sie existiert zwar, aber es gibt keinen logisch zwingenden Grund für ihre Existenz. Also ist sie kontingent.

Natürlich ist das Existenzpotential unanzweifelbar - alles was existiert, hat offenbar zumindest die Möglichkeit zu existieren. Das ist mit dem Existenzpotential gemeint.

„Der Zweifel am Offensichtlichen“ bedeutet, daß man es überprüfen soll, nicht jedoch, von seiner Unmöglichkeit auszugehen. Die „Unanzweifelbarkeit“ des Existenzpotential stellte sich natürlich erst nach Anwendung des Zweifels im kartesischen Sinne heraus, keine Sorge. :wink: Nur weil irgendein Philosoph irgendeine Meinung hat, wird mich nicht zur Behauptung „das ist bekanntlich so“ verführen. „Bekanntlich“ ist höchstens das, worüber sich alle Philosophen, gleich welcher Richtung, egal wie verfeindet sie in ihren Anschauungen waren, einig waren.

Ich habe mich in der Vergangenheit insbesondere mit dem Komplex um die Frage nach der Existenz Gottes beschäftigt - die gesamte objektive Allgemein-Literatur, die ich dazu bisher in den Händen hatte, maß vielen Anti-Gottesbeweisen Bedeutung zu - die Gedanken Sartres zu diesem Thema spielten nach meiner Erinnerung jedoch eine sehr untergeordnete Rolle.

Ich „schätze“ Thomas v. Aquin nicht besonders, im Gegenteil. Ich würde ihn aber auch nicht _unter_schätzen.

Deinen „provokanten Wortfall“ nehme ich Dir nicht übel. Wenn ich demnächst die Meinung eines Philosophen vertrete, dessen tausendseitiges Werk ich durchgewälzt habe, tust Du das bei meinem Wortfall dann hoffentlich auch nicht. :wink:

Gruß,

Mohamed.