Gibt es eigentlich noch andere nihilistische Philosophen außer Nietzsche?
Hallo,
Gibt es eigentlich noch andere nihilistische Philosophen außer
Nietzsche?
dass Nietzsche ein Nihilist ist, ist eines der Behauptungen, die sich ergeben, wenn man Nietzsche ungenau liest. Nietzsche reflektiert auf mögliche Folgen des Nihilismus, ist selbst aber weit davon entfernt, selbst Nihilist zu sein. Wirkliche Nihilisten gibt es kaum, allenfalls könnte man unter den Relativisten suchen. Nietzsche z. B. nennt gerade die zunehmenden ethischen Relativierungen seiner Zeit „Nihilismus“ und sieht darin eine Gefahr (der er durch das Postulat eines zu erstrebenden Übermenschen entgehen möchter). Allerdings haben selbst die hartgesottensten Relativisten (Stirner, Bakunin) bei genauer Lektüre Werte, die Nihilismus eigentlich ausschließen. Und so muss man - das ist jetzt meine Überlegung - Nihilisten wohl eher in den unbewussten Teilen der Bevölkerung vermuten, also dort, wo man nicht mehr über Werte reflektiert. Daher meine ich, dass Nietzsche vor allem das Bildungsbürgertum seiner Zeit angreifen möchte, indem er die fehlende Reflexion auf die zugrundegelegten Werte anprangern möchte.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Und so muss man - das ist jetzt meine Überlegung
- Nihilisten wohl eher in den unbewussten Teilen der
Bevölkerung vermuten, also dort, wo man nicht mehr über Werte
reflektiert. Daher meine ich, dass Nietzsche vor allem das
Bildungsbürgertum seiner Zeit angreifen möchte, indem er die
fehlende Reflexion auf die zugrundegelegten Werte anprangern
möchte.Herzliche Grüße
Thomas Miller
Das möchte ich bestätigen. Nihilismus heißt eigentlich nicht Denken zu können.
mfg
rolf
Kleine Ergänzung
Hallo,
Nietzsche z. B. nennt gerade die
zunehmenden ethischen Relativierungen seiner Zeit „Nihilismus“
und sieht darin eine Gefahr (der er durch das Postulat eines
zu erstrebenden Übermenschen entgehen möchter).
Nietzsche forderte die „Umwertung aller Werte“ und eben diese neue Wertsetzung sollte vom Übermenschen vorgenommen werden. Der Nihilismus, den N. anprangerte ist also lediglich ein Zwischenstadium.
Er bezeichnet damit die Entwertung der herrschenden Werte.
Und so muss man - das ist jetzt meine Überlegung
- Nihilisten wohl eher in den unbewussten Teilen der
Bevölkerung vermuten, also dort, wo man nicht mehr über Werte
reflektiert.
?? Wer nicht reflektiert, kann der etwas verneinen? Man müßte schon durch Reflexion zum Nihilisten werden, da allerdings kenne ich auch niemanden ernstzunehmenenden. Ist Ignoranz also Nihilimus? Sind Tiere Nihilisten? Ist ein zwischenzeitliches „Aufgeben“ Nihilismus?
Viele Grüße
Junktor
Hallo Junktor,
Nietzsche forderte die „Umwertung aller Werte“ und eben diese
neue Wertsetzung sollte vom Übermenschen vorgenommen werden.
Der Nihilismus, den N. anprangerte ist also lediglich ein
Zwischenstadium.
Er bezeichnet damit die Entwertung der herrschenden Werte.
ich denke, dass man das noch etwas anders sehen kann, nämlich dass die von ihm geforderte Umwertung eben eine Umwertung aller Werte ist, was man vielleicht dahin interpretieren kann, dass man sich auf seinem Wertesystem nicht ausruhen darf, weil man dann träge wird. Das würde dann bedeuten, dass die Umwertung aller Werte als permanente Umwertung gemeint sein könnte, also als Aufforderung, seine Werte immer wieder neu zu prüfen und sie nicht zu dogmatisieren. Zu dieser Dogmatisisierung neigt ja der „normale“ Mensch nach Nietzsche durchaus, und gerade das Nichtdogmatische soll meiner Meinung nach den Übermenschen vom Menschen (dem der Dogmatismus so innewohnt, dass er ihn nicht abstreifen kann) unterscheiden.
?? Wer nicht reflektiert, kann der etwas verneinen? Man müßte
schon durch Reflexion zum Nihilisten werden, da allerdings
kenne ich auch niemanden ernstzunehmenenden. Ist Ignoranz also
Nihilimus?
Ich denke, dass man das als Kern der Theorie Nietzsches durchaus in Erwägung ziehen kann, mir ist im Moment jedenfalls keine Stelle bewusst, die dieser Deutung widersprechen würde - abgesehen von einigen Äußerungen in der Nähe der Wahnzettel am Schluss, wobei man sich darüber streiten könnte, wo man die Grenze ansetzt.
Sind Tiere Nihilisten?
Sicher nicht, denn Nietzsche versteht ja den Menschen als Weiterentwicklung des Tieres, ebenso wie er den Übermenschen als Weiterentwicklung des Menschen propagieren möchte. Und man kann natürlich ohnehin von einem Wesen wie dem Tier, das zur Reflexion unfähig ist, keine Reflexion erwarten, sie zu fordern, wäre glatter Unsinn. Denn man kann ja auch moralisch nur dann falsch handeln, wenn man überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, moralisch richtig zu handeln. Besteht diese Möglichkeit nicht, entfällt auch ein möglicher Vorwurf. Wobei hier natürlich auch die Grenzen verschiebbar sind, aber das ist ja jetzt nicht Thema.
Ist ein zwischenzeitliches „Aufgeben“ Nihilismus?
Ich denke, dass man das verschieden sehen kann. Aus meiner Sicht würde Nietzsche die Frage aber mit einem klaren „ja“ beantworten. Das liegt aber natürlich vor allem an seiner Kompromisslosigkeit, die er ja auch als einen ihm eigenen Charakterzug nicht ablegen kann.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Seh ich genau so, Thomas! owT
.
Fein
Hallo Branden,
dann muss was dran sein …
Wie war der Urlaub? Gut erholt?
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Einigermaßen erholt, aber…
…es war der kühlste Oster-Urlaub da unten seit langem.
Mmh …
Hallo,
…es war der kühlste Oster-Urlaub da unten seit langem.
das klingt ja gar nicht gut - - - wir sagen uns in solchen Fällen meistens, dass es trotzdem gut gewesen ist, einmal alles hinter sich zu lassen, egal wir kalt/windig/stürmig/regnerisch oder was auch immer es ist. Sei herzlich willkommen - wir werden alle versuchen, dich ein bisschen seelisch aufzuwärmen, wenn es dir recht ist.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo Thomas!
ich denke, dass man das noch etwas anders sehen kann, nämlich
dass die von ihm geforderte Umwertung eben eine Umwertung
aller Werte ist,
Aber nein, er meint ausdrücklich die herrschenden Werte!
was man vielleicht dahin
interpretieren kann, dass man sich auf seinem Wertesystem
nicht ausruhen darf, weil man dann träge wird.Das würde dann
bedeuten, dass die Umwertung aller Werte als permanente
Umwertung gemeint sein könnte, also als Aufforderung, seine
Werte immer wieder neu zu prüfen und sie nicht zu
dogmatisieren.
Persönlich würde ich das unterschreiben, aber nicht Nietzsche zuordnen. Allerdings bin ich auch kein Übermensch! *g*
Zu dieser Dogmatisisierung neigt ja der
„normale“ Mensch nach Nietzsche durchaus, und gerade das
Nichtdogmatische soll meiner Meinung nach den Übermenschen vom
Menschen (dem der Dogmatismus so innewohnt, dass er ihn nicht
abstreifen kann) unterscheiden.
Das ist Spekulation, weil wir nicht wissen können, welche Wertsetzung denn nun der Übermensch postuliert! Am Ende sind es absolute und dies wäre eben nicht dogmatisch.
?? Wer nicht reflektiert, kann der etwas verneinen? Man müßte
schon durch Reflexion zum Nihilisten werden, da allerdings
kenne ich auch niemanden ernstzunehmenenden. Ist Ignoranz also
Nihilimus?Ich denke, dass man das als Kern der Theorie Nietzsches
durchaus in Erwägung ziehen kann, mir ist im Moment jedenfalls
keine Stelle bewusst, die dieser Deutung widersprechen würde -
abgesehen von einigen Äußerungen in der Nähe der Wahnzettel am
Schluss, wobei man sich darüber streiten könnte, wo man die
Grenze ansetzt.
Ich denke das nicht, weil er diesen Nihilismus temporär sieht, als Zwischenstadium. Als solches ist es natürlich streng genommen auch ein Indikator und dies würde den Begriff „Nihilismus“ eigentlich schon selbst in Frage stellen, ein Contradictio in adiecto.
Denn: Verum sequitur ex quodlibet!!! bzw: Ex falso sequitur quodlibet.
Sind Tiere Nihilisten?
Sicher nicht, denn Nietzsche versteht ja den Menschen als
Weiterentwicklung des Tieres, ebenso wie er den Übermenschen
als Weiterentwicklung des Menschen propagieren möchte.
Darauf wollte ich hinaus! Denn diese Entwicklung wird ja in Stufen geschehen, ein Nichtreflexieren kann folglich kein Nihilismus sein.
Ist ein zwischenzeitliches „Aufgeben“ Nihilismus?
Ich denke, dass man das verschieden sehen kann. Aus meiner
Sicht würde Nietzsche die Frage aber mit einem klaren „ja“
beantworten. Das liegt aber natürlich vor allem an seiner
Kompromisslosigkeit, die er ja auch als einen ihm eigenen
Charakterzug nicht ablegen kann.
Was Nietzsche als Nihilismus definiert hat ist ja eigentlich gar keiner. s.o.
Herzliche Grüße
Junktor
Gängige und neue Interpretationsmöglichkeiten
Hallo Junktor,
ich denke, dass man das noch etwas anders sehen kann, nämlich
dass die von ihm geforderte Umwertung eben eine Umwertung
aller Werte ist,Aber nein, er meint ausdrücklich die herrschenden Werte!
prinzipiell würde ich dem zustimmen, allerdings vermute ich darüber hinausgehend, dass Nietzsche nicht nur die jetzt herrschenden Werte, sondern die jeweils herrschenden Werte meint. Denn wenn er nur die zu seiner Zeit herrschenden Werte meinen würde, hieße das ja, dass alle anderen Werte - egal welche (!) - besser wären (und gerade das sagt er ja nicht). Und der Terminus „Umwertung aller Werte“ steht zumindest im Spätwerk mehrfach da, ob im Zarathustra selbst, weiß ich jetzt gar nicht, das wäre aber ja leicht zu prüfen.
Allerdings bin ich auch kein Übermensch! *g*
Was für ein Glück … *g*
Das ist Spekulation, weil wir nicht wissen können, welche
Wertsetzung denn nun der Übermensch postuliert! Am Ende sind
es absolute und dies wäre eben nicht dogmatisch.
Es gibt ja genug metaphorische Beschreibungen des Übermenschen, die dahingehen, dass er sich mehr Eigenwille wünscht, mehr Durchsetzungsvermögen etc. (ob im Sinne eines Sozialdarwinismus und der späteren NS-Interpretationen, bezweifle ich allerdings). Es gibt z. B. bei Nietzsche ausgesprochen antimilitaristische Textstellen, die man bei ihm unter den Bedingungen der gängigen Interpretationen gar nicht vermuten würde. Ich meine, dass es verständlicher ist, den Übermenschen nicht als völlig neu zu interpretieren, sondern eben so, dass er schon noch etwas vom Menschen behält. Denn der Übermensch soll ja das für den Menschen sein, was der Affe für den Menschen ist (oder so ähnlich), und der Mensch hat ja bekanntlich noch sehr viel vom Affen, auch wenn es nach neueren Forschungen gar keine direkte Abstammung geben soll, wie mir zu Ohren gekommen ist, aber das hätte Nietzsche ja ohnehin noch nicht wissen können.
Ich denke das nicht, weil er diesen Nihilismus temporär sieht,
als Zwischenstadium. Als solches ist es natürlich streng
genommen auch ein Indikator und dies würde den Begriff
„Nihilismus“ eigentlich schon selbst in Frage stellen, ein
Contradictio in adiecto.
Ich denke, dass ich das in meine Theorie integrieren kann. Dieses Zwischenstadium ist permanent im Sinne eines affirmativen Wirklichkeitsbezuges denkbar. Du stellst am Schluss die Frage in den Raum, ob ein zeitweiliges Nachlassen im Vorwärtsstreben Nihilismus sei. Und ich hatte das für Nietzsche aus meiner Sicht bejaht und denke inszwischen, dass es immer stärker zutrifft.
Denn: Verum sequitur ex quodlibet!!! bzw: Ex falso sequitur
quodlibet.
Ich liebe wie du weißt, den zweiten Satz, aber den ersten halte ich für falsch. Und auch der Bezug zu Nietzsche ist mir im Moment etwas unklar.
Sicher nicht, denn Nietzsche versteht ja den Menschen als
Weiterentwicklung des Tieres, ebenso wie er den Übermenschen
als Weiterentwicklung des Menschen propagieren möchte.Darauf wollte ich hinaus! Denn diese Entwicklung wird ja in
Stufen geschehen, ein Nichtreflexieren kann folglich kein
Nihilismus sein.
Das leuchtet mir nicht ein, denn zeitweilige Affirmation ist ja notwendig, um überhaupt wieder ein Angriffsfeld für die Kritik zu schaffen (wenn man den Gedanken an die Permanenz einmal festhält).
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Dank Dir, mein Lieber…
wir werden alle versuchen, dich ein
bisschen seelisch aufzuwärmen, wenn es dir recht ist.
…und „nur zu“ !
Es grüßt Dich Branden