Niveau der Allgemeinbildung

Hallo Jürgen,

dein Anspruch ist wünschenswert, aber in der Realtiät nicht immer umsetzbar. Ich kenne ein paar Leute, die keine Zeitung lesen, weil sie mit den Aussagen des Textes nicht zurecht kommen. Das setzt einen bestimmten Wortschatz voraus, die Fähigkeit abstrakt denken zu können (gerade in politischen Artikeln) und das Durchhaltevermögen bei Nichtverstehen zwischendurch nachschlagen zu wollen. Wer das Zeitunglesen nicht gewohnt ist, sucht sich lieber andere Unterhaltung.

Was wollen wir (die Gesellschaft) dagegen tun, wenn das…

Dazu ist es allerdings notwendig, zumindest die Grundzüge
unseres gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen
Systems verstanden zu haben,

…als knowhow immer weniger existiert?

Stimmt das geht,…

Basierend auf diesen
Grundlagen ist es dann jederzeit möglich, sich über das
Internet, Lexika o.ä. das aktuell fehlende Wissen zu
erschließen.

…aber wer das tut, um den müssen wir uns ohnehin keine Sorgen machen.

Mir ist die Überlegung wichtig Allgemeinbildung schmackhaft zu machen, weil unsere Gesellschaft über ein enormes Potential an Kenntnissen und Wissen verfügt, dass im Laufe unserer Geschichte gewachsen ist und verschiedenste Entwicklungen durchgemacht hat. Schade, wenn es verloren geht.
Außerdem, Demokratieverständnis setzt Bewußtsein voraus, dass meßbar dünn wird. Aber uns hilft nicht der erhobene Zeigefinger der Intellektuellen (von oben nach unten gemahnt), sondern ein Umdenken von uns allen weiter, nämlich dass sich-Wissen aneignen - ich sag´s mal werbemundig profan - geil ist. Wissen ist Macht, Wissen ist wie der Bizepts an den Oberarmen, was nicht nur gut aussieht.
Aber wem schreibe ich das. Deine Eloquenz werde ich nie im Leben erreichen :smile:

Aber eines ist klar: Bildung hat wenig
mit Intelligenz oder Ausbildung zu tun. Auf dem Gymnasium
gewesen zu sein, erhöht vielleicht die Chancen für eine
gesunde Bildung, was dabei aber wirklich am Ende herauskommt,
entscheidet jeder für sich durch eigenes Engagement und
Interesse…

von Hauptschullehrern weiß ich, dass im Elternhaus der Schüler wenig gelesen wird. Das Niveau der Sprache ist einfach niedriger, was mich nicht wundert, weil da nun einmal z.B. die künftigen Handwerker ausgebildet werden. Wären sie in den Sprachen gut, hätte sie sich für einen höheren Schulzweig mit mehr Lernfächern entschieden. Der naturbedingte höhere Anteil an Schülern ausländischer Herkunft mit all ihren Sprachproblemen trägt auch dazu bei.
Das Bildungsangebot auf den Gymnasien ist von Haus aus wesentlich besser, was auch die Lesebereitschaft und die Neugier der Schüler besser fördert. In Hauptschulen wird doch lediglich Grundwissen vermittelt, froh über jeden, der bereit ist sich dieses anzueignen. Die Diskrepanzen zwischen den Schulen ist enorm, und meiner Ansicht nach hausgemacht - was jetzt aber ein anderes Thema ist.
Grundsätzlich glaube ich, dass durch unser Schulsystem Neugier und Spaß an breitgestreutem Wissen im Keim erstickt wird. Meine 10jährige Tochter sitzt ihre 2 Stunden nachmittags an den Hausaufgaben. Da kommt noch eine Stunde Lernen für eine Schulaufgabe dazu. Dann schmeiße ich sie aus der Wohnung zum frische Luft schnappen. Ich bin überhaupt eher bemüht, dass sie ihren Ausgleichssport hat, als dass sie in ihrer Freizeit noch zusätzlich bei Kunstlicht irgendwo sitzt.
Von einem Lehrer habe ich erfahren, dass er als Schüler nachmittags noch Zeit hatte ein Radio zusammenzubauen. Unsere Kids versauern zwischen Hausi und Abendessen vorm PC oder vorm Fernseher, oder haben Terminkalender wie Konzernmanager.
Und statt dass wir Großen (auch die Onkel, Tanten, Patenonkel, Nachbarn) mit ihnen Zeitung lesen und mit ihnen diskutieren, mit ihnen aktiven Wissensaustausch gestalten, drücken wir ihnen Bücher in die Hand und murmeln säuerlich irgendwas von Allgemeinbildung. Wenn wir nur delegieren, statt vorzumachen, kommt automatisch die skeptische Frage: Ja wozu soll ich das jetzt lesen? Interessierst du dich denn dafür?
Eine Generation lebt Wissensdurst der nachfolgenden vor. In unserer jetztigen Generation machen wir etwas falsch. Da reicht es einfach nicht darüber Vorträge zu halten.
Allgemeinbildung ist wichtig. Darüber sind wir hier uns alle einig. Und dass es daran hapert, das stellen viele von uns entweder an sich selbst oder beim erlahmenden Gespräch mit einem Fachidioten fest.
Aber ich sehe nur Chancen im Schulbereich etwas nachhaltig auszurichten. Sobald Mensch arbeitet, bleibt die Freiwilligkeit, so ähnlich wie wenn man auf seine Gesundheit achtet. Immerhin, das körperliche Gesundheitsbewußtsein erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Es wird Zeit für das geistige.

viele Grüße
claren

1 Like

Hallo Claren,

grundsätzlich stimme ich Dir zu, daß (Allgemein)Bildung schmackhaft gemacht werden sollte - ja muß. Ich habe mal eine witzige Karte gesehen, auf der ein kleines Kind abgebildet ist, welches gerade versucht, aus einem großen Glas Bier zu trinken. Daneben stand der Spruch:

Es ist sinnlos, Kinder zu erziehen!
Sie machen uns ja doch alles nach.

Aber das zeigt auch auf ein weiterführendes Problem: Wir brauchen eine „Elterngeneration“, welche den „Kleinen“ eben den Spaß und die Sinnhaftigkeit von Bildung vorlebt. Und genau die haben wir nicht mehr (bzw. in zunehmend geringerem Umfang). _Diesen_ wichtigen „Multiplikatoren“ kann man nichts mehr vorleben. Wir werden andere Mittel finden müssen, sie zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Und hier ist der erste Ansatzpunkt eben der Apell an die Vernunft. Bei Mißerfolg folgt eine weitere Generation mit einem noch größeren Anteil (zu) ungebildeter Menschen. Die Schule ist dabei keine Lösung, denn die wichtigste Motivation kommt aus der Familie. Die Schule kann unterstützen und helfen, aber sie kann nicht Bildung schaffen für Kinder, denen der familiäre Nährboden fehlt. Aus dieser Perspektive ist der „akademische Zeigefinger“ nicht „von oben herab“ gemeint, sondern Ausdruck einer besorgten Feststellung, daß uns momentan offensichtlich eine der wichtigsten Zukunfstperspektiven unserer Gesellschaft wegbrechen und wir das Problem nicht nur mit den Kindern lösen können, sondern auch die aktive Mitarbeit der jetzigen „Elterngeneration“ unbedingt brauchen!

Liebe Grüße!
Jochen

Ich muß aber auch Jürgen

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,

Danke für die Rückführung auf’s Thema!

Genau diese Art Gedankengang war ja der „Auslöser“ meiner Frage: „Gibt es ein halbwegs objektives Maß von Allgemeinbildung und wurde sie in den letzten Dekaden vergleichbar gemessen und wenn ja, hat sie sich verändert?“

Gruß,
Jochen

Hallo claren,

dein Anspruch ist wünschenswert, aber in der Realtiät nicht
immer umsetzbar. Ich kenne ein paar Leute, die keine Zeitung
lesen, weil sie mit den Aussagen des Textes nicht zurecht
kommen. Das setzt einen bestimmten Wortschatz voraus, die
Fähigkeit abstrakt denken zu können (gerade in politischen
Artikeln) und das Durchhaltevermögen bei Nichtverstehen
zwischendurch nachschlagen zu wollen. Wer das Zeitunglesen
nicht gewohnt ist, sucht sich lieber andere Unterhaltung.

Aber genau darum geht es doch. Bildung ist doch nicht etwas, was man geschenkt oder vererbt bekommt. Bildung muss man sich erarbeiten. Dafür sind aber Basismethoden notwendig: Sprachverständnis, logisches Denken aber eben auch Begeisterung gegenüber Wissenserwerb. Und ausschließlich hier kann eine Gesellschaft meines Erachtens ansetzen und genau deswegen ist es ein Desaster, wenn die Jugend vor Flimmerkisten und Daddelkästen verkommt, weil bereits die Eltern bildungsfern leben…
Aber nochmal: Gebildet ist man auch bei perfekter Beherrschung der Basismethoden nicht, da muss zwangsläufig eigenes Engagement dazu…

Was wollen wir (die Gesellschaft) dagegen tun, wenn das…

Dazu ist es allerdings notwendig, zumindest die Grundzüge
unseres gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen
Systems verstanden zu haben,

…als knowhow immer weniger existiert?

Tja, Ganztagsschule? (Das ist kein Scherz, bevor die Kinder vor dem Fernseher bei Talkshows vergammeln, bin ich für dieses nicht ganz billige aber probate Mittel)

Stimmt das geht,…

Basierend auf diesen
Grundlagen ist es dann jederzeit möglich, sich über das
Internet, Lexika o.ä. das aktuell fehlende Wissen zu
erschließen.

…aber wer das tut, um den müssen wir uns ohnehin keine
Sorgen machen.

Eben, unsere Aufgabe ist, möglichst vielen dies zu ermöglichen…

Mir ist die Überlegung wichtig Allgemeinbildung schmackhaft zu
machen, weil unsere Gesellschaft über ein enormes Potential an
Kenntnissen und Wissen verfügt, dass im Laufe unserer
Geschichte gewachsen ist und verschiedenste Entwicklungen
durchgemacht hat. Schade, wenn es verloren geht.
Außerdem, Demokratieverständnis setzt Bewußtsein voraus, dass
meßbar dünn wird. Aber uns hilft nicht der erhobene
Zeigefinger der Intellektuellen (von oben nach unten gemahnt),
sondern ein Umdenken von uns allen weiter, nämlich dass
sich-Wissen aneignen - ich sag´s mal werbemundig profan - geil
ist. Wissen ist Macht, Wissen ist wie der Bizepts an den
Oberarmen, was nicht nur gut aussieht.

Na ja, dann schau Dir mal im Fernsehen an, was geil ist. Ohne viel Arbeit und mit wenig eigener Leistung berühmt und reich werden.
Dann zu jedem Thema hohle Phrasen unter dem Klatschen der Massen von sich geben. Und dann sein Äußeres chirurgisch auf Vordermann bringen… Traurig, aber allzu wahr.
(Mich kotzt es mittlerweile an, dass ich die selben Hackfressen von D-Stars zu jedem politischen und wirtschaftlichen Thema sehen muss und dann aus ihrem Mund eine solche Leere höre, dass ich den Eindruck habe, ein Echo nach jedem Satz zu vernehmen, Argh!)

Aber wem schreibe ich das. Deine Eloquenz werde ich nie im
Leben erreichen :smile:

:wink: Manchen lieben mich, die meisten fürchten mich. Denn wenn ich loslege…:wink:

von Hauptschullehrern weiß ich, dass im Elternhaus der Schüler
wenig gelesen wird. Das Niveau der Sprache ist einfach
niedriger, was mich nicht wundert, weil da nun einmal z.B. die
künftigen Handwerker ausgebildet werden. Wären sie in den
Sprachen gut, hätte sie sich für einen höheren Schulzweig mit
mehr Lernfächern entschieden. Der naturbedingte höhere Anteil
an Schülern ausländischer Herkunft mit all ihren
Sprachproblemen trägt auch dazu bei.

Das ist sicher richtig, trägt aber leider zur Entwicklung bei, dass auch Begabte aus bildungsfernen Schichten nicht bis zur Hochschulausbildung kommen. Aber nochmal: Ich kenne Handwerker mit bodenständiger Ausbildung mit hohem Wissensstand und Interesse an gesellschaftlichen Vorgängen und ich kenne Promovierte, die sind so etwas von ungebildet, weil sie sich für nichts außerhalb ihres Spezialgebietes interessieren.

[]

Natürlich ist ein lebendiges Elternhaus im Bezug auf Wissenserwerb das optimale. Nur: Diese sind ja eben gerade nicht das Problem. Wie bekomme ich einen Arbeiter im Schichtbetrieb und eine Verkäuferin mit unregelmäßigen Arbeitszeiten unter hohem finanziellen Druck dazu, ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht gegenüber ihren Kindern gerecht zu werden? Wohl eher schlecht. Hier muss aus Eigeninteresse unsere Gesellschaft helfend unterstützen. Und dies geht meines Erachtens tatsächlich nur über ein Fernseh-„Verbot“ über die Möglichkeit einer Ganztagesbetreuung, wie es ja in anderen Ländern üblich ist.

Grüße
Jürgen

Der auch in seiner Schulzeit viel Zeit zum Basteln und Spielen hatte und sicher kaum ferngesehen hat.