Noch ein Arbeitszeugnis

Hallo www-ler,

ich habe gerade heute mein Arbeitszeugnis bekommen und mir ist natürlich sehr wichtig, wie die Formulierungen ankommen oder welche Note man daraus lesen könnte. Hier der Text:

Frau XXX ist seit dem 06.Oktober 2009 in der YYY als Teamassistentin tätig.

Für den Aufbau der Personalabteilung erarbeitete sie mit an der Entwicklung der Gehaltsstrukturen, eines Musterarbeitsvertrages, einer Betriebsordnung, einer Gleitzeitregelung, einer Reisekostenrichtlinie, einer Sicherheitsrichtlinien, etc. Nach dem Aufbau war sie zuständig für die Betreuung der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens.

Sie baute das GF-Sekretariat auf und legte alle Arbeitsabläufe fest. Dazu zählte u.a. die Definition von Prozessen für den Postlauf und das Erstellen von unterstützenden Formularen.

In Abstimmung mit anderen Bereichen des Unternehmens entwickelte sie die Einkaufsprozesse mit entsprechenden Controllinginstrumenten und erstellte zugehörige Freigabeformulare. Im operativen Einkauf führte sie basierend auf den internen Richtlinien die Verhandlungen mit Lieferanten einschließlich der dazugehörenden begleitenden Dokumentation.

Für die erstellten Formulare, Richtlinien und Regelungen arbeitete sie bei der Erstellung und Pflege eines Dokumentenmanagementsystems mit.

Sie unterstütze die Buchhaltung im Zahlungsverkehr, bei Monats- und Jahresabschlüssen und hielt Kontakt zu Banken und Steuerberatern.

Frau XXX übernahm das Vertragswesen, betreute externe Berater und koordinierte externe Dienstleister.

Sie war verantwortlich für die Einführung und Betreuung eines Zeiterfassungssystems mit Zugangskontrolle und die Verwaltung von Schlüsseln und Schlüsselchips.

Sie zeigte stets ein sehr hohes Maß an Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft. Ihr sehr gutes analytisch-konzeptionelles und zugleich pragmatisches Urteils- und Denkvermögen ließen sie stets gute Arbeitsergebnisse erbringen. So hat sie die selbst gesetzten sowie die vereinbarten Ziele, durch den Aufbau des Unternehmens bedingt auch ohne auf Erfahrungen aus vorhandenen Strukturen zurückgreifen zu können, stets erreicht. Die Aufgaben führte sie immer äußerst effizient, sorgfältig und selbständig aus. Sie hat Kosteneinsparungspotentiale zielsicher erkannt und höchst erfolgreich realisiert. Ihre Leistungen fanden stets unsere volle Zufriedenheit.

Frau XXX hat sich in der Zeit ihrer Anstellung bei der YYY aktiv weitergebildet. Sie nahm mit Erfolg an einer mehrtägige Schulung für das Buchhaltungssystem Datev teil und qualifizierte sich zur Arbeitssicherheitsbeauftragten und zur Ersthelferin. Weiterhin begann sie eine Qualifizierung zur Ausbilderin in kaufmännischen Berufen.

Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit vorbildlich.

Wir bedauern den Schritt der betriebsbedingten Kündigung sehr und danken ihr für stets sehr gute Zusammenarbeit. Wir wünschen ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg.

Ort, 31. Januar 2011

Ich bin gespannt auf die Meinungen.
Vielen Dank im Voraus.
Frau S.

Hallo,

Nur so aus Neugier: Hast Du das Zeugnis Deinem Arbeitgeber vorformuliert?

Beste Grüße,
atn

Ich habe den Teil, in dem die Tätigkeiten beschrieben sind, vorformuliert, damit ich alle Punkte drin habe, ich ich haben wollte, er hat das aber noch ein bisschen umgestrickt.

Den Rest hat er selbst formuliert.

Ich habe den Teil, in dem die Tätigkeiten beschrieben sind,
vorformuliert, damit ich alle Punkte drin habe, ich ich haben
wollte, er hat das aber noch ein bisschen umgestrickt.

Den Rest hat er selbst formuliert.

Dachte ich mir. Und ich bin mir nicht sicher, ob Du Dir damit einen Gefallen getan hast. Die Tätigkeitsbeschreibung enthält nämlich eine ganze Latte von Tätigkeiten, für die ein durchschnittliches Unternehmen ein halbes Dutzend - meist studierter - Leute aus mindestens ebensovielen Abteilungen braucht: Musterarbeitsverträge entwickeln normalerweise die Personaler zusammen mit den Juristen. Das gleiche gilt für die „Gehaltsstrukturen“ und die diversen Richtlinien, wobei mindestens bei den Gehaltsstrukturen sicher auch die Geschäftsleitung ein Wörtchen mitreden wird. „Einkaufsprozesse“ definiert - wie der Name schon sagt - der Einkauf, ggf. zusammen mit den Juristen und dem Rechnungswesen. Ähnliches gilt für Verhandlungen mit Lieferanten. Und „Controllinginstrumente“ werden normalerweise von Betriebswirten erarbeitet. Für das „Vertragswesen“ haben größere Unternehmen oft eine eigene Funktion. Und die Berater führt die jeweils sachlich zuständige Abteilung - bei Rechtsberaten etwa die Rechtsabteilung.

Das allein ist schon ein Knaller. Dazu kommt aber noch, dass die Tätigkeiten in einem Atemzug mit Allerwelts-Sekretariatsarbeiten („Formulare basteln“) genannt werden. Das paßt gar nicht mehr zusammen.

Und dass bei einer derartigen Rundumbegabung mit so spektakulären Erfolgen dann unter dem Strich nur ein „gut“ („volle Zufriedenheit“) steht, setzt dem ganzen die Krone auf.

Für ein Zeugnis dieses Zuschnitts gibt es aus meiner Sicht nur drei mögliche Erklärungen:

  1. Du bist Superman (bzw. Wonder Woman).

  2. Du hast in einer absoluten Mini-Klitsche gearbeitet, die ob ihrer Größe gar keine ausgeprägten Unternehmensstrukturen hat und in der jeder alles machen muß, und hast das „jeder-macht-alles“ ein wenig mit schickem Vokabular (um nicht zu sagen heißer Luft) verkleidet.

  3. Du hast, na, sagen wir mal, „hemmungslos übertrieben“ und aus banalen Sekretariatsarbeiten anspruchsvolle Jobs gemacht („Mitarbeit an der Entwicklung eines Musterarbeitsvertrags“ = tippen und korrekturlesen, „Verhandlungen mit Lieferanten führen“ = Büroklammern bestellen, „externe Berater betreuen und koordinieren“ = Rechnungen abstempeln, usw.) und Dein Chef hat das mitgemacht, weil er Dir mit Blick auf die betriebsbedingte Kündigung einen Gefallen tun wollte.

Alles nicht unbedingt von Vorteil, um es mal vorsichtig zu formulieren …

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Hallo atn,

was wäre denn schlimm daran, wenn Deine Vermutung:

  1. Du hast in einer absoluten Mini-Klitsche gearbeitet, die ob ihrer Größe gar keine ausgeprägten Unternehmensstrukturen hat und in der jeder alles machen muß, …

zutreffen würde?
Brauchen solche Mitarbeiter nicht auch ein Zeugnis, wenn sie, egal warum, aus dem Betrieb ausscheiden?
Wie beschreibt man denn sinnvoll einen solchen Job?
Was soll oder kann denn ein AN tun, damit er auch bei vielen verschiedenen Aufgaben, die er im Laufe seiner Betriebszugehörigkeit durchaus „gut“ aus- und erfüllt, am Ende ein „sauberes“ Zeugnis erhält?

Bin zwar spät in diesen Thread eingestiegen, hoffe aber trotzdem auf Deine/Eure Antwort/en.

VG
RaBra

Hallo atn,

ich gebe Dir gerne Recht bei Deiner Formulierung:

Dachte ich mir. Und ich bin mir nicht sicher, ob Du Dir damit einen Gefallen getan hast.

Allerdings möchte ich Dir zu Deiner Darstellung

Die Tätigkeitsbeschreibung enthält nämlich eine ganze Latte von Tätigkeiten, für die ein durchschnittliches Unternehmen ein halbes Dutzend - meist studierter - Leute aus mindestens ebensovielen Abteilungen braucht

aus eigener Erfahrung etwas entgegen halten.

Herbst 1993 waren wir gerade mal 17 Weiblein und Männlein in unserer "Noch-"Fachabteilung meines damaligen AG. Unsere Konzernzentrale in einem europäischen Nachbarstaat hatte aber die Absicht unsere „Noch-Fachabteilug“ zur nach deutschem Recht selbst- und eigenständigen Bank auszubauen.

Bisher konnten und mussten wir als Fachabteilung alle vorhandenen Infrastrukturen unseres bisherigen Mutterhauses nutzen: Personalabteilung, Einkauf, DV, Kontoführung, Zahlungsverkehr und glaub’ mir, vieles andere mehr, ich sag’ nur Kantine.

Nun mussten wir die Strukturen selbst aufbauen und Analogien oder Alternativen finden. Und glaub’ mir bitte auch, vom Mutterhaus in D oder der Zentrale kam fast keine Unterstützung. Also haben wir Stunden geklotzt, mit dem BAKred (heute BaFin) und der Börse verhandelt, uns mit IBIS (heute Xetra) vertraut gemacht, Clearing-Systeme gelernt (damalige Clearing-Stelle war unser Konzernbüro in Chicago -> Stichwort Zeitverschiebung), technische Anbindungen an die Börse (über eine AS400 oder eben einer Alternative dazu), einen eigenen Kontorahmen entwickelt, eigene Arbeitsverträge entwickelt (nicht so einfach abgeschrieben, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten angepasst) und noch vieles andere mehr bis hin zum Umbau der gesamten Etage von rund 1.300 qm.

Und wir haben es geschafft! Am 14.03.1994, also im Zeitraum von einem halben Jahr, gingen wir live und in Farbe als selbständige Bank erfolgreich an den Start. Bis Ende 1994 hatten wir 32 Mitarbeiter, die Tendenz blieb kontinuierlich weiter steigend.

Und wir alle 17 wurden dafür sehr gut belohnt! Vom ehemaligen Abteilungsleiter und dann Vorstandssitzenden bis hin zum „kleinen“ Sachbearbeiter gab es sehr gut dotierte „Erfolgsprämien“, die sich jeder auch verdient hatte.

Ich war damals „Innenleiter“ mit Handlungsvollmacht (HGB), also zweite Entscheiderebene, und bin heute noch für jeden damaligen Mitarbeiter unseres Teams dankbar. Und völlig klar, jeder von uns, vom Chef bis zum HiWi, hat gerade in dieser Gründungsphase fast alles getan.

Alle diejenigen, die bis zu meinem eigenen Ausscheiden ausgeschieden sind, haben auch ein „absolut sauberes“ Zeugnis erhalten.

Eins sollte ich aber noch dazu sagen: Keiner von den 17 war Dipl.Irgendwas oder Dr.Sowieso. Unser aller gesunder Menschenverstand, die erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten (bei mir Bank-, Industrie- und Personalfachkaufmann) und die Tatsache, dass wir uns sinnvoll und positiv ergänzt haben, abstrakt denken konnten, nicht auf die Uhr sahen und ein gemeinsames Ziel vor Augen hatten, halfen uns ungemein, das gesteckte und von uns akzeptierte Ziel zu erreichen.

Nimm’ also einfach mal so hin, was Frau S. aus A. schreibt, auch wenn sie vielleicht in einer „Mini-Klitsche“ arbeitet und eventuell, vielleicht ein ganz klein bißchen übertrieben hat.

Du willst und wolltest doch helfen, Deine Nachfrage und der Anfang der jetzigen Antwort zeigt es doch. Also mach’ es doch auch. Frau S. aus A. hat halt nun mal ganz einfache und auch sehr wertvolle Tätigkeiten zu erfüllen. Ist das schlimm? Das lässt sich doch für Dich leicht lösen (und nicht nur kritisieren).

Warum ich es selbst nicht löse? Ich bin zu lange aus der aktiven Phase „Ich-schreib’-ein-Zeugnis“ raus. Was hier im Forum, durchaus qualifiziert, für „gut“-„befriediegend“ befunden wurde, hätte ich zumindest phasenweise zerrissen (und umgekehrt). Deshalb hielt ich mich bis dato zurück. Zudem kommt hinzu, dass es z.B. früher üblich war, in ein Zeugnis auch zu schreiben, wen (welche Funktion) der AN (im Urlaubs- oder Krankheitsfall) vertrat. Das scheint nach den letzten Kommentaren nicht mehr so zu sein, ich habe nichts diesbezüglich gelesen. Ist das wirklich nicht mehr an vogue?

Du siehst, liebe® atn, dass es ganz unterschiedliche Herangehensweisen an dieses sehr sensible Thema gibt. Jeder UP, der sein wie auch immer erstelltes Zeugnis einstellt, gibt einen nicht unwesentlichen Teil seiner Seele Preis. Dafür verdient er unseren Respekt (den des reinen Lesers und den des Kommentators erst Recht).

Da nicht alle AN in großen Firmen arbeiten können, die für alles und jedes über einen Dipl.Irgendwas oder Dr.Sowieso verfügen, wäre es meines Erachtens für den jeweiligen UP durchaus hilfreich, wenn er sich geborgen und getragen fühlen darf und dementsprechend positive Kommentare und/oder Alternativen erhält.

Sorry, liebe® atn, dass es Dich getroffen hat. Meine Kritik trifft auf viele andere genauso zu, und die sind ganz bewusst auch genauso gemeint. Der Thread von Frau S. aus A. war nur der Tropfen zuviel in diesem übergroßen Fass.

Würde mich sehr darüber freuen, wenn sich allgemein etwas verändern würde (bei UPs und den Antwortenden).

Schönen Abend noch oder
alternativ „Gute Nacht“
RaBra