Hallo,
Was hat dieser 650 Jahre alte Satz des Kaisers über Mohammed
und den Islam gleich in den ersten Absätzen mit den dann
folgenden Aussagen zu Logos, Hellenisierung und Romanisierung
des Christentums, den darauf folgenden Enthellenisierungen zu
tun? Warum hat er den Satz gleich an den Anfang gestellt und
so heraus gehoben?
Er beginnt rhetorisch den Einstieg ins Thema mit einer Eröffnung, wie sie gern hergenommen wird, mit einem Zitat oder einem anregenden Bild oder einer kurzen Schilderung aus dem Leben. Hier hat er alles das beisammen. Man sieht die Szene vor sich.
Wikipedia:
„Manuel II. gilt als einer der gebildetsten byzantinischen Herrscher und hinterließ zahlreiche rhetorische und theologische Schriften. Mit Entschiedenheit vertrat der Kaiser dogmatische Positionen der Orthodoxie gegenüber dem Katholizismus, allerdings ohne Fanatismus. Aus den wahrscheinlich im Spätherbst 1391 in Ankara, dem damaligen Militärlager des osmanischen Sultans, geführten theologischen Unterredungen mit einem persischen Gelehrten (einem Mudarris) erwuchsen seine Dialoge mit einem Perser.“
Benedikt geht davon aus, dass in seiner Vorlesung ein Bildungshintergrund bei ausgesuchten Hörern vorausgesetzt werden kann, die die Stimmung der damaligen Zeit erfassen können, ohne dass er extra ausschweift. Das geschichtliche Bild der Muslime ist ein anderes als das moderne. Dieses ist für einen Gelehrten eher bestimmend, wenn er Zitierwürdiges in alten Schriften entdeckt. Da geht es ihm um den Inhalt, der in diesem Fall das Thema auf den Punkt bringt, und überhaupt nicht um moderne mordlüsterne Horden und auch nicht um die historischen Kriege wer gegen wen.
Wikipedia:
„Inzwischen prägten die muslimischen Herrscher, die Konstantinopel zur Hauptstadt ihres Reiches machten, das Stadtbild neu. Unzählige Kirchen, deren bedeutendste die Hagia Sophia war, wurden um Minarette ergänzt und zu Moscheen umgebaut. Bald durften die vertriebenen Griechen und Armenier zurückkehren und prägten das multikulturelle Bild einer im europäischen Vergleich der damaligen Zeit toleranten Metropole bis zum Ende des Osmanischen Reiches.“
In dem Dialog wird pointiert von Manuel II. der Unterschied zwischen hellenistischem Sinnverständnis und einem muslimischen Vernunftbegriff herausgestellt, der sich als roter Faden durch die Vorlesung zieht und im Hauptteil den wissenschaftlichen Vernunftbegriff der Moderne erreicht. Es gibt einen langen Diskurs über die historische Suche nach neuen Definitionen.
Benedikt setzt sicher die Präsenz der antiken Philosophie voraus, wenn er als Papst eine zu recht als hochkarätig erwartete Vorlesung hält.
Gottesbegriff, Vernunft und Gewaltanwendung bei der Verbreitung eines Glaubens – in wenigen Zeilen war damit die Eröffnung gegeben durch diesen historischen Dialog. Es war zwischen dem Kaiser und dem Perser eben nicht eine feindliche Stimmung, sonst hätte Manuel II. seinen Einstiegssatz vielleicht nicht lange überlebt.
„Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur“, so sagt er, „Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“
Benedikt: „Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen, sagt uns Khoury, ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit.“
“An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, dass vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst? Ich denke, dass an dieser Stelle der tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist und dem auf der Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird.“
Hier geht er in die Aufstellung seines Themas, in die Fragestellung.
- Das Verständnis Gottes
- der Logos
- Die konkrete Verwirklichung von Religion
- Sein persönliches Steckenpferd, die moderne Enthellenisierung, die er nicht mag.
„Dies ist genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt mit Logos. Logos ist Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft.“
„Manuel II. hat wirklich aus dem inneren Wesen des christlichen Glaubens heraus und zugleich aus dem Wesen des Hellenistischen, das sich mit dem Glauben verschmolzen hatte, sagen können: Nicht „mit dem Logos“ handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.“
Der rote Faden, der beim Byzantiner begann, geht hindurch bis zum Schluß. „In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein. Sie selber immer wieder zu finden, ist die große Aufgabe der Universität.“ Er schlägt rhetorisch gekonnt den Bogen vom Einstiegsdialog zum Dialog der Kulturen, bezieht Stellung über die Motivation der Kirche, sich kommunikativ zu stellen und wünscht, sie möge wieder ihren alten Platz als Partnerin im universitären Gespräch einnehmen können, damit der postmoderne und wissenschaftlich verengte Vernunftbegriff seine natürliche WEITE wieder bekommt.
Interview mit Prof. Khoury:
http://www.heute.de/ZDFmediathek/inhalt/28/0,4070,39…
Gruß von Ursula