Noli nocere: Allgemeinnutzen versus Schädigung

Hallo !

Es geht um folgendes:

Wie ist das mit einem „bösen“ Robin Hood, der das gestohlene Geld für sich behält? Man beachte, dass durch seine Diebstähle die Steuern erhöht werden und er eh schon reicher ist, als die armen Bauern.

Mein Mitbewohner ist der Meinung, das würde ethisch richtig sein, sofern die Streuung des Besitzes dadurch abnehme, denn das sei allgemeinnützig. Bzw findet er es gut, wenn der Reiche weniger hat (Das sei also gut) und dass der arme weniger hat, das ist dann ein Kolateralschaden

Ich meinte mit Hinweis auf „noli nocere“, der humane Mensch würde keinen Menschen Nachteile verschaffen und diese mit eigenen Vorteilen Nachteilen aufwiegen, soll heißen er kann nicht die armen Bauern (und den Sheriff, aber der ist dabei egal) noch ärmer machen und das damit aufwiegen, dass er selbst ja was kriegt und Teil der Allgemeinheit sei

Er sieht das anders

Im konkreten Fall geht es darum, dass er es für richtig halten würde, wenn man als (durchaus nicht armer Mensch) keine Miete für seine Mietwohnung zahlen sollte (einfach nicht zahlen), wenn der Vermieter „zu reich ist“, obwohl das bedeutet, dass anderere (ach ärmere) Mieter mehr zahlen müssen!
Und das sei seiner Meinung nach allgemeinnützig und ethisch vertretbar!

Was haltet ihr davon? Gibt es dafür wissenschftliche Ansätze? Beispiele? Haben sich Wissenschaftler mit ähnlichem auseinandergesetzt?

Es geht nicht primär um den Reichen, aber dabei interessiert mich auch, ob manche Wissenschaftler der Meinung seien, es sei gut, wenn Reiche weniger hätten (ohne dass das Geld zu den ärmeren fließt…)

Mein Mitbewohner meint nämlich sogar, er fände es richtig, Steine auf „zu teure Autos“ zu werfen.

Bevor ihr fragt, er ist paranoid, linksradikal, hochbegabt und Mathematiker!

VG, Stefan

Korrektur: mit eigenen Vorteilen aufwiegen Sorry!
oT

Hallo Stefan

Steine auf zu teure Autos schmeissen halte ich für ziemlich blamabel, solange wir nicht fähig sind, diese Autos durch Besseres und Gescheiteres zu ersetzen. Das soll nicht heissen, dass man für alles eine Patentlösung braucht, bevor man etwas tut, aber es ist doch entscheidend, wie die gegenläufige Vision sich gestaltet.

Es kann nicht sein, dass jemand ohne Visionen einfach hingeht und das Gegenständliche zerstört, sonst laufen wir Gefahr, dass ein Kind seine Eltern umbringt und dann in die Welt hinausschreit, sie hätten zuviel für sich selbst beansprucht - was fallweise vielleicht sogar gestimmt hat.

Beim Nichtbezahlen der Miete kann das schon anders sein. Vielleicht würde Dein Freund mit dem Geld, das er jetzt zahlen muss, viel Gescheiteres anfangen als sein Vermieter.

Das Problem bei dieser Sache ist ganz anders gelagert: Es handelt sich um ein Machtproblem. Kann denn einer auf vernünftiger Basis herleiten, er habe gegen seinen Vermieter nach heutiger Rechtsprechung eine Chance? Nein, kann er nicht - doch, kann er, wenn ihm ein Richter (oder eine Richterin) hilft. Es resultiert also ein juristischer Streit, und da ist vielleicht Dein Freund wiederum nicht scharf drauf - was bleibt, ist Bezahlen der Miete, bis die Zeiten besser werden und der Vermieter sein Geld für Kurieren seiner Krankheit braucht und einen Arzt bezahlt, der eine Apparatur benützt, die ein Physiker hergestellt hat, der auf Deinen Freund den Mathematiker zurückgegriffen hat.

Hallo,

also ich kann den Gedanken der Umverteilung nach Robin Hood ja noch nachvollziehen. Besonders wenn man bedenkt, daß die Armen damals ja wirklich bettelarm waren (die ganze Geschichte basiert ja auf der Tatsache der absolut überzogenen Ungerechtigkeit der Oberen).

Nun sollte man aber als mathematiker auch ein wenig Ahnung von Verhältnismäßigkeit und Relativität haben.
Den bei dem verhätnis Mieter/Vermieter sieht das etwas anders aus. Da ist ja über Sozialleistungen (Wohngeld) abgesichert, daß sich normalerweise jeder in Deutschland eine angem,essene Wohnung leisten kann - es tritt also keine totale Verarmung ein, der im Fall von Robinm Hood eventuell noch vorliegende Tatbestand der Notwehr ist jedenfalls hier nicht mehr gegeben.

Natürlich könnte man darüber reden und diskutieren, welche Streuungsbreiten zwischen aarm und reich eine Gesellschaft vertragen kann bzw. einer Gesellschaft gut tut. Aber eine automatische Selbstjustiz rechtfertigt das noch lkange nicht - abgesehen davon: Woher will einer wissen, ob der Vermieter nicht ärmer ist als der Mieter, weil er u.U. noch ne halbe Million Kredit vom hausbau her am Hals hat?

Und die reine Vernichtung von Eigentum wie das Steine werfen ist absolut unsinnig. Das hilft gar keinem und ist total kontraproduktiv. Es nutzt doch keinem, wenn er das Eigentum anderer vernichtet - da hat doch niemand was davon.
Das is dann einfach nur Haß und Neid - und zeugt nicht gerade von menschlicher reife. Übrigens: Marxistische bzw. Leninistische Kommunisten kommen auf diese Idee nicht - die wollen umverteilen. Das geht dann wohl merh in Richtung Trotzki und Mao.

Gernot Geyer

Hallo Stefan,

verfolge mal einen anderen Ansatz.
Alle materiellen Güter sind die Produkte menschlicher Arbeit und Kreativität. Menschen sind unterschiedlich fleißig, begabt und risikobereit. Außerdem gibt es da ja noch Unglücksschläge.
Ein schönes Beispiel findest du im mosaischen Gesetz in der Bibel bei den Israeliten. Als die Israeliten in das zu besetzenden Land einzogen, bekam jeder Israelit Land zugeteilt. Jeder hatte eine Grundlage für seine wirtschaftliches Existenz un die seiner Nachkommen.
Dennoch gab es Regelungen zur Unterstützung der Armen. Warum? In einer menschlichen Gesellschaft ist es nur eine Frage der Zeit, bis einige Besitz anhäufen und andere verarmen, vorausgesetzt, dass diese Gesellschaft nennenswerte Besitz erzeugt. In einem südamerikanischen Indianerstamm ohne allzuviele Beitztümer oder Grundeigentum gibt es auch keine nennensewerte Unterschiede zwischen arm und reich.
Wenn man partielle Armut verhindern will, braucht man Gesellschaften, die entweder Privateigentum gößtenteils verbieten oder Ausgleichsmechanismen schaffen. Die theoretischen Ansätze nennt man Kommunismus und Sozialismus.
In der Praxis hat das mit der Realisierung dieser Ansätze nicht ganz geklappt.

Vom ethischen Ansatz her stellen sich drei Fragen:
1.) Ist Privateigentum generell etwas Verwerfliches? Die allermeisten Menschen werden das verneinen.
2.) Sollte jeder das Gleiche besitzen? Auch das werden die allermeisten Menschen verneinen. Der Eine kann mit einer großen CD-Sammlung nichts anfangen. Der andere braucht keine Nobel-Einbauküche.
3.) Wie groß dürfen die Besitzunterschiede sein?
SEHR SCHWIERIG zu beantworten…

Hier spielen Gefühle wie Neid und Gier und Ansprüche eine Rolle. Ist ein Mensch, der eine beheizte Wohnung, Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung und Unterhaltung hat arm? Nach den Maßstäben eines Robin Hoods nicht. Nach dem Verständnis eines großen Teil unserer Bevölkerung ja, wenn sich jemand kein Auto, keine Urlaubsreisen oder den Kneipenbesuch leisten kann.

Wenn ich aber hingehe und sage, dass jemand keine 3 Ferraris besitzen darf, weil ich mir keinen Urlaub auf Mallorca leisten kann und der Bio-Metzger für mich zu teuer ist, dann hat das nichts mit Gerechtigkeit, sondern mit Neid zu tun.

Und Neid als Basis einer allgemeinen Ethik? Ich weiss nicht…

Gruß
Carlos

Hi,

Es kann nicht sein, dass jemand ohne Visionen einfach hingeht
und das Gegenständliche zerstört

Und jemand mit Visionen? Der darf das?

Viele Grüße
WoDi