Notkompetenz im Rettungsdienst

Hallo WWWler,

Die frage ist etwas Spezifisch und geht eher an die Rettungsdienstler unter euch.

Folgender Fall: Eine Pat. bekommt auf Grund von einem z.N. bds. Beckenfraktur 2 Fentanylpflaster 75 mikrogramm.
Sie ist Wohnhaft in einem Pflegeheim.

Dort wird Sie Atemdepressiv vom RD Personal vorgefunden und die Notwendigen Maßnahmen werden umgehend eingeleitet. Ein Notarzt wird natürlich nachgefordert im mit einem Antidot (i.d.F. Narcanti) gegenzusteuern.

In jedem gängigem Algorhytmus zum Thema Intox wird als aller erstes die Giftentfernung angeraten. In diesem Fall bedeutet dies die Entfernung beider Fentanylpflaster. Der Notarzt kam aus dem Nachbarkreis und hatte einen Anfahrtsweg von ca. 30 Minuten.
Hätte die Giftentfernung nicht Stattgefunden ist davon auszugehen, dass die Pat. trotz Assistierter Masken-Beutel Beatmung, Reanimationspflichtig geworden wäre.

Bis zum Eintreffen des NA trat eine Deutliche Besserung des Az ein und die Pat. erlangte wieder zur Spontanatmung bis hin zur normalen Atmung.

Meine Frage hier zielt jetzt auf die Giftentferung ab. Das Fentanylpflaster ist ein Verschreibungspflichtiges Medikament nach BTMG. Der Arzt hat dieses verschrieben und diese Therapie angeordnet. Dadurch das das Pflaster jedoch entfernt wurde, hat die RD Besatzung ohne Rücksprache mit dem Arzt zu halten, in die Therapie eingegriffen und diese Abgebrochen. Zählt das noch zur Notkompetenz oder hat die RD Besatzung hier Ihre Kompetenzen überschritten?

Ich bitte um eure Meinung!

gruß

der Schma

Hallo,

nehmen wir mal einen ähnlich angelegten Fall:

Angenommen, man arbeitet im Krankenhaus und der Arzt ordnet eine Kurzinfusion mit einem Antibiotikum an. Allergien sind bei dem Patienten nicht bekannt.
Kurz nach Anschluss des Medikamentes meldet sich der Patient. Die im Krankenhaus arbeitende Person erkennt anhand eines krebsroten Ausschlages, das der Patient offensichtlich eine allergische Reaktion auf dieses Antibiotikum hat.

Man lernt im Medizinberuf, das, falls sowas auftritt und es offensichtlich ist, das es von diesem Medikament kommt, die weitere Zufuhr dieses Medikamentes sofort zu unterbinden, sprich: es abzudrehen. Und dann umgehend den Arzt zu rufen.

In deinem Beispiel hat der RD völlig richtig gehandelt. Eine Überdosis Fentanyl kann zu einer Atemdepression führen. Das Medikament ist daher umgehend zu entfernen. Auch ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Es handelt sich um eine Notfallsituation. Der Stoff muss entfernt werden. Hier gilt es nach Priorität zu handeln (die Schmerzen des Bewohnerin wird bewusst in Kauf genommen, um eine Atemverbesserung zu erzielen und somit den eventuellen Tod entgegenzuwirken).

GDA

PS: erstes genanntes wird Krankenpflegeschülerin übrigens bereits im 1. Ausbildungsjahr beigebracht.

Hi,

Hätte die Giftentfernung nicht Stattgefunden ist davon
auszugehen, dass die Pat. trotz Assistierter Masken-Beutel
Beatmung, Reanimationspflichtig geworden wäre.

Gewagte These, ansonsten - wie ja auch GDA schon sagte - vollkommen richtig gehandelt.

So am Rande: In meinem jetzigen RD-Bereich vertreten die Notärzte zu großen Teilen die These, dass beim Atemstillstand bei Heroinintox so lange beatmet und ggf. symptomatisch behandelt wird, bis es wieder abgeflutet ist.
Bei der von dir beschriebenen Patienten steckt natürlich eine andere Pharmakokinetik dahinter, jedoch muss man hier auch aufpassen, da man mit dem Narcanti natürlich kein Entzugssyndrom bewirken möchte.

Grüße
Liete

N’abend,

Ich danke euch beiden an dieser Stelle erstmal für eure ausführlichen Antworten.

Es ging mir bei dieser Frage weniger darum ob der RD ( Jaja, ich gebe zu war einer meiner Einsätze) richtig gehandelt mit den Maßnahmen oder Entfernung. Das die Fentapflaster weg mussten stand außer Frage.

Folgende Diskussion trat nachführend bei Einsatzbesprechung mit meinem LehrRettAss auf. Ich fragte Ihn, ob es denn ein Teil der Notkompetenz wäre und wie das ganze Rechtlich zu Betrachten ist wenn man in eine Verordnete Behandlung eines Approbierten Arztes eingreift.
Denn, rein Theoretisch habe ich ja kein Recht dazu. Diese Frage kam mir, als wir das DIVI RD Protokoll durchgegangen sind. Er konnte mir darauf leider keine klare Antwort geben, daher fragte ich hier noch einmal nach.

Ich danke euch trotzdem nochmal, vielmals für die Fixe Antwort. Irgendwie wusste ich das Ihr beiden mir Antworten werdet :smile:

Lg

der Schma

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Hi,

Hätte die Giftentfernung nicht Stattgefunden ist davon
auszugehen, dass die Pat. trotz Assistierter Masken-Beutel
Beatmung, Reanimationspflichtig geworden wäre.

Gewagte These, ansonsten - wie ja auch GDA schon sagte -
vollkommen richtig gehandelt.

Danke! Aber genau das ist ja der Punkt. Du weißt selber wie Schnell sich mancher Arzt in der Würde gekränkt fühlt wenn da ein RDler in seine Therapie eingreift - ob richtig oder nicht.

So am Rande: In meinem jetzigen RD-Bereich vertreten die
Notärzte zu großen Teilen die These, dass beim Atemstillstand
bei Heroinintox so lange beatmet und ggf. symptomatisch
behandelt wird, bis es wieder abgeflutet ist.
Bei der von dir beschriebenen Patienten steckt natürlich eine
andere Pharmakokinetik dahinter, jedoch muss man hier auch
aufpassen, da man mit dem Narcanti natürlich kein
Entzugssyndrom bewirken möchte.

Darf ich fragen welcher Kreis das ist? Ich fahre im Raum HH und der Notarzt kam vom Nachbarkreis. Es ist leider so, dass wir in HH kaum Medikamente auf den RTW’s haben. Das Narcanti wurde in diesem Fall vom Nachalarmierten NA verabreicht.

Grüße
Liete

Lg

der Schma

Hallo!

Solche Dinge sind absichtlich nicht in der Notkompentenz vorgesehen, da die überbrückende Maßnahme völlig ausreichend wäre (wenn erfolgreich durchgeführt), dann über eine Atemdepression hinaus, sind keine weiteren Probleme zu erwarten. Also reicht die Maskenbeatmung völlig aus. Zudem ist die Pharmakolgie derartiger Pflaster so, dass nach dem Entfernen noch min. ein bis zwei Stunden (!) vergehen, ehe die Wirkspiegel bedrohlich (bzw. in diesem Fall merklich) sinken.

Gruß,

Manticor

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Hallo!

Solche Dinge sind absichtlich nicht in der Notkompentenz
vorgesehen

Die Notkompetenz jetzt hier aufzuschlüsseln würde zu weit gehen, Die Notkompetenz ist außerdem nur eine Empfehlung der BÄK, kein Gesetz etc.
Das püroblem ist einfach nur, dass wenn es Hart auf Hart kommt, die Richter gerne darauf zurück greifen werden.

da die überbrückende Maßnahme völlig ausreichend
wäre (wenn erfolgreich durchgeführt), dann über eine
Atemdepression hinaus, sind keine weiteren Probleme zu
erwarten.

Die gängigen Algorhytmen empfehlen eine sofortige Giftentfernung vom RD Personal.

Also reicht die Maskenbeatmung völlig aus. Zudem ist
die Pharmakolgie derartiger Pflaster so, dass nach dem
Entfernen noch min. ein bis zwei Stunden (!) vergehen, ehe die
Wirkspiegel bedrohlich (bzw. in diesem Fall merklich) sinken.

Hat ein Fentanylpflaster 75mirkogramm nicht eine ungefähre Halbwertszeit von ca. 15 Minuten?! So steht’s in MKK und RD Heute…

Gruß,

Manticor

Dankend mit Gruß

der Schma

Hallo!

Hat ein Fentanylpflaster 75mirkogramm nicht eine ungefähre
Halbwertszeit von ca. 15 Minuten?! So steht’s in MKK und RD
Heute…

Nein. Bei den Opiatpflastern ist das anders. Hier liegt eine mittlere terminale HWZ von 13-22 Stunden vor.

Deshalb erscheint es mir in dem beschriebenen Fall auch eher unwahrscheinlich, dass das Entfernen des Pflasters zu einer so raschen Besserung geführt haben soll.

Letztendlich denke ich aber, dass man der Patientin damit nicht geschadet hat (gerade weil die HWZ so lang ist und die Pat. sicher noch nicht in den Entzug gekommen ist). Ob ein neues Pflaster aufgeklebt werden, oder eine Umstellung der Opiattherapie erfolgen soll, das kann dann ja der Notarzt entscheiden.

Gruß,
aureel

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Oh, Ok.

Ich danke vielmals für die Aufklärung. Doch noch schön zu sehen, dass man hier etwas Lernen kann!

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Hi,

das schlimmste im RD ist die ständige Diskussion um Notkompetenzen.
Klar bewegt man sich rechtlich da in einer Grauzone und es sollte einigermaßen rechtssicherheit herrschen. Viele Lehrrettungsassis scheinen sich jedoch mehr mit Recht als mit Retten auseinanderzusetzen. Un viele verlieren sich da in Korinthenkackerei, nur weil sie den Stoff aus irgendeinem Rechtskurs auswendig gelernt haben.
Solche RDler denken erst ans Recht und dann an den Patienten. Was, hätte, wäre…??? Das hilft dem Patienten auch nix. Wenn man in einem solchen Fall das Problem zwar erkennt aber mit Berufung auf das Recht nichts dagegen unternimmt hant nicht notkompetent sondern NOT kompetent und hat im RD nix verloren.

NOT-KOMPETENZ setzt sich aus NOTFALL und KOMPETENZ zusammen. Und „Not kennt kein Gebot!“. Kompetenz bedeutet ja auch schließlich dass man nicht nur an die manchmal engen grenzen seines Berufsbildes gebunden ist, sondern auch dass man tut was man kann. Dazu darf man auch ruhig mal den verstand benutzen.

Ja, ein Arzt hat die Therapie angeordnet. Gehen wir mal von dem Fall aus, dass es in diesem Fall zu einer Überdosierung kam. Pharmakologisch ist es zwar unwahrscheinlich, dass das bloße Entfernen des Pflasters zu so schneller Besserung führte, aber bleiben wir mal dabei…
Dann hat der Arzt die falsche Dosierung gewählt. Wie sähe es denn mit der Remonstrationspflicht aus, wenn du dabei bist, wie ein NA ein Medikamt überdosiert??? Stillschweigen und ihn die Verantwortung tragen lassen???
Da wirst du vorm Richter aber auch nicht gut aussehen.
Du sagst also, dass der Arzt über Dir steht und, was er angeordnet hat, darf von einem RDler nicht geändert werden…
Nehmen wir mal ein gleichgeartetes Beispiel: Ein Richter verurteilt jemanden zu Gefängnis. Darf man den Verurteilten bei einem Brand aus dem Gefängnis retten, obwohl der Richter die Haft angeordnet hatte???

Du hast nachgedacht, bist zu einem Schluss gekommen und hast gehandelt. Also, wo ist das Problem???
Was ist denn in diesem Fall zu bedenken???

  • Pat. hat wahrscheinlich eine Opiatüberdosierung und wird ateminsuffizient.
  • Wahrscheinlich liegt das an den Fentanylpflastern.
  • Wahrscheinlich hilft es diese zu entfernen
  • Was wären mögliche Folgen?
  • Die Patientin hat Schmerzen wegen der alten Frakturen. Davon gerät man aber nicht in einen Entzug. Und wenn doch??? Besser als tot.

Ich kenne Rettungsassis, die sin medizinisch gesehen kompetenter als so mancher Arzt ,gleichzeitig kennen die sich aber in diesem Rechtskram so gut aus, dass sie sich nicht nur selbst im Wege stehen, sondern auch und vor allen Dingen ihrer eigentlichen Aufgabe und das disqualifiziert sie dann irgendwann für den Beruf.

Lg Alex:smile:

Ich danke dir für diese Umfangreiche Antwort.
Prinzipiell gebe ich dir Recht, nur ist es eben das Problem mit dieser verschisssenen Notkompetenz. Bei uns im RD bereich, wurde einem Kollegen schon sein Staatsexamen aberkannt, weil er eben diese Ergriffen hat und dies einem Arzt nicht gepasst hat. Ich erspare mir an dieser Stelle mal die details.

Fakt ist jedoch aber, dass jeder RDler immer dieses Rechtssystem im Hinterkopf haben muss, bei jeder Invasivem Maßnahme welche er ergreift.

Ich bin da ganz ehrlich, mir isses Shitegal ich merke mir nur den Rechtfertigen Notstand und gut ist.

Dennoch ist das Problem mit der Notkompetenz ein sehr weit verbreitetes Problem.

Gruß

der Schma

Danke! Aber genau das ist ja der Punkt. Du weißt selber wie
Schnell sich mancher Arzt in der Würde gekränkt fühlt wenn da
ein RDler in seine Therapie eingreift - ob richtig oder nicht.

Dafür gibt es eine sehr strenge und recht seltene Indikationsstellung; dies ist ein solcher Fall.

Darf ich fragen welcher Kreis das ist? Ich fahre im Raum HH
und der Notarzt kam vom Nachbarkreis. Es ist leider so, dass
wir in HH kaum Medikamente auf den RTW’s haben. Das Narcanti
wurde in diesem Fall vom Nachalarmierten NA verabreicht.

Rheinland-Pfälzer Ecke. Ich kenne hier keinen Kreis in der Gegend, in dem ein ÄLRD eine Verfahrensanweisung „Narcanti“ für Rettungsdienstler freigegeben hätte, insofern befürworte ich durchaus, dass das Zeug auf dem NEF vorgehalten wird.
Ihr habt ja auch alles dabei, was dem Patienten akut hilft, bis der Doc kommt: Finger zum Lösen der Pflaster, Monitoring, Absauge, Maske und Beutel und bei Lust und Laune noch Nadel+Zugang :wink:

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