Notre-Dame ------ Diskursverschränkungen?

Ich denke, durch das Internet ist das viel sichtbarer geworden, weil man sich seitdem viel mehr durch die ganze Medien- und Meinungslandschaft querlesen kann, und so jeder Mensch ein kleiner „Diskursanalytiker“ sein kann.
Ansonsten halte ich das auch nicht für etwas Neues, aber interessant ist es halt immer wieder, wann welches Ereignis welchen Symbolgehalt bekommt.
Ich behaupte mal, dass z.B. vor 25 Jahren der Brand von Notre-Dame bei weitem weniger zum Hype geworden wäre. Dieser Hype liegt daher m.E. nicht an Notre-Dame selbst.

Gruß
F.
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Spätestens hier wird klar, daß Du Deine höchstpersönliche Sichtweise in den Vordergrund stellst. Das schwächt Deine bisherigen Äußerungen zu dem Thema in meinen Augen erheblich.

Ich persönlich sehe Notre-Dame nicht als so prägend für Paris, Frankreich, Europa oder die westliche Welt an wie ein Großteil der Kommentatoren, obwohl ich selber mehr als einmal dort war. Den Kölner Dom, Buckingham Palace, den Eiffelturm, das World Trade Center oder das Empire State Building empfinde (empfand) ich als viel prägender für die jeweilige Stadt, aber ich bin mir auch darüber im Klaren, daß das meine höchstpersönliche Sichtweise ist, die ich nicht einmal begründen kann, wenn man von der offensichtlich exponierten Lage bzw. Bedeutung für die Silhouette absieht. Auf den Gedanken, aus meiner Sicht der Dinge bzw. auf die Sicht der Dinge eine Allgemeingültigkeit abzuleiten, käme ich überhaupt nicht.

Deswegen finde ich das schwierig, wenn es andere tun und erst recht, wenn dann irgendwann klar wird, daß bei denen dann auch wieder sehr persönliche Ansichten verallgemeinert werden.

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Ich sehe das relativ entspannt. Der eine findet die Bienen wichtig, der andere die Glasfenster, der nächste die Kunstschätze, der übernächste die Reliquien und wieder einer sein Herzchen, das er mal mit seiner Liebsten zusammen in die Mauer gekratzt hat. Jeder hat seine Schwerpunkte und das darf auch so sein. Gut, daß mit den Bienen finde ich jetzt auch etwas affig, aber das ist mein persönlicher Standpunkt.

So oder so wird sich in wenigen Wochen herausstellen, daß Paris, Frankreich, Europa und die westliche Welt unverändert sind, obwohl das, was nun als Symbol für alles mögliche bezeichnet wird, in Trümmern liegt.

Gruß
C.

Ich habe nichts anderes behauptet, dass dies persönliche Assoziationen sind. Allerdings repräsentieren diese nicht oder nicht umfänglich meine persönliche Meinung oder Haltung. Das ist Zweierlei.

So ging es mir in erster Linie darum, beim Vergleich diverser Gebäude und Städte auf mögliche negative Assoziationen zurückzugreifen, die möglicherweise verhindern, dass es eine derart globale Anteilnahme gibt oder eben nicht so stark gibt. Dabei spielt meine persönliche Beziehung überhaupt keine Rolle. Ebenso wenig, welche Bedeutung ich persönlich diesem Bauwerk gebe. Hier angemerkt: Es ist eine gute Zeit her, dass ich das letzte Mal in Notre-Dame war. Sie gehört bei weitem NICHT zu meinen persönlichen Favoriten! Ich kann nur bedingt sagen, wieso, weil ich ein solches Gebäude zunächst im Wesentlichen erspüre. Entweder stimmts oder es tut es nicht.

Das ist übrigens ganz anders als dein Einwand, dass du die Bedeutung für Notre-Dames für nicht so hoch einschätzt. Hierzu gibt es einem einigermaßen objektiven Standpunkt, nämlich den von Parisern und Franzosen und der ist eindeutig: Du irrst bzw. liegst mit deiner persönlichen Einschätzung nicht auf der Linie, weder der Pariser noch der Franzosen.

Sicher nicht. Das liegt maßgeblich an der sozialen Kontrolle. Die hat früher nur im Dorf bzw. dem unmittelbarem Umfeld stattgefunden. Heute wird alles sofort von der ganzen Netzgemeinde gecheckt. Wer dabei sein will…

Ich habe über den Vergleich zu anderen Gebäuden übrigens überlegt (du verfolgst mich mit dem Thema ;-)), ob man mit einem Trump-Index weiterkäme. Lassen wir mal den Inhalt seiner Botschaft beiseite. Aber Trump war ehrlich erschüttert und hat sich um Notre-Dame gesorgt. Damit hat er sich in Eintracht befunden mit geistiger und kultureller Elite. Welches der genannten Gebäude würde so eine Eintracht hervorrufen?

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Mir ist zwar nicht ganz klar wo da der Unterschied liegen soll, aber so oder so hast Du den Eindruck vermittelt, daß es sich bei dem, was Du schilderst, um Tatsachen oder um das Ergebnis einer umfassenden und von Deiner persönlichen Sicht unabhängigen Analyse handelt. (Erst) Am von mir zitierten Absatz wird deutlich, daß dem nicht so ist.

Wobei mir hätte bei Deinen Worten zu New York hätte klar sein müssen, daß Du schon sehr viel persönliche Meinung einfließen läßt, denn zu behaupten, daß New York seinen Assoziationspunkt verloren hat. Neben der Freiheitsstatue waren das nämlich nicht (nur) die WTC-Türme, sondern klassische Bauwerke wie das Empire State Building, das Chrysler Building und die Brooklyn Bridge.

Das ist ja der Unterschied zwischen Deinem und meinem Auftreten: ich habe nämlich klar gemacht, daß es sich um meine persönliche Meinung handelt, während Du bspw. den New Yorker ihre Meinung untergeschoben hast. Im übrigen gibt es einen objektiven Standpunkt DER Pariser und DER Franzosen nicht. Wenn Du eine repräsentative Umfrage startest, hättest Du - zumindest vor dem Brand - sehr verschiedene Standpunkte genannt bekommen - nämlich neben Notre-Dame auch Sacre Coeur, den Eiffelturm, den Triumphbogen, La Grande Arche, den Obelisk von Luxor, den Louvre, das Centre Pompidou und noch den ein oder anderen dazu - und vielleicht sogar die neue Nationalbibliothek.

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Das bietet mir die Gelegenheit, den Bogen zum UP zurück zu spannen:

Einen „objektiven Standpunkt“ gibts wohl nicht, aber eine Pluralität intersubjektiver Standpunkte.
Da sehe ich zum Beispiel, dass in den Top-10/50/100/500-Sehenswürdigkeiten-Listen (die einen möglichen Indikator für die "Bedeutung Notre-Dames darstellen könnten; natürlich nur einen von vielen sinnvollen), die ich so überflogen, Notre-Dame oft genannt wurde, aber selten weit vorne gereiht.

Im Sinne meiner Threadfrage, werte ich das und anderes (hypothetisch; mit aller Vorsicht) als Indiz, dass der derzeitige „Hype“ größer ist als die vorherige Bedeutung Notre-Dames für die Menschen selbst. Und vor dem Hintergrund sehe ich eben „Verschiebungen“ am Werk, die diesen Hype erzeugt haben.

Gruß
F.

Das Internet ist fraglos ein wichtigerPunkt, aber nur einer.
Ein anderer Punkt ist m.E. der, dass in der optimistischen Zeit der frühen 90er Jahre (New World Order, Ende der Geschichte im Sinne Fukuyamas, One World) der Brand einer Kathedrale weniger als Symbol aktueller Debatten taugt als zu einer Zeit wie heute, die viel „kulturalistischer“ ist und stärker von „Untergangsstimmung“ bestimmt wird.
Es wären sicher noch weitere Punkte zu nennen.

Ganz hervorragende Idee!
Wäre ein super Vorschlag für eine soziologisch-diskursanalytische Seminararbeit.

Gruß
F.
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Schon mal nicht als herausragendes städtebauliches, silhouetteprägendes Element wie es die schon genannten Twin Towers waren. So ist die Kathedrale von der Innenstadt bis auf die Turmspitzen nicht zu sehen, sondern nur von der Île Saint-Louis und vom Südufer der Seine. Dinge und Menschen, die auf einmal im Zusammenhang mit Katastrophen und Tragödien in den Nachrichten auftauchen, erlangen dadurch oft Berühmtheit und Bekanntheit, die ihnen vorher in dem Maße nicht vergönnt war und die - das ist natürlich wertend - auch nicht angemessen ist. Man nehme nur als Beispiel Paul Walker, Avicii, Melanie Thornton oder Curt Cobain, die vor ihrem Tod sicherlich nicht unbedeutend für die breite Masse waren, aber dann doch nicht das Zentrum des Universums. Im Dunstkreis ihres Todes hätte man aber meinen können, es wäre der Heiland, der Papst oder der US-Präsident verstorben.

Nicht zuletzt ist das ja auch der Grund dafür, daß bei vielen toten Musikern deren CDs auf einmal wieder in den Top 10 rangieren. Aktuelle Nachrichten verschieben nun einmal den Fokus.

Gruß
C.