Moin,
wie gut die Chancen im Falle einer Notwasserung tatsächlich sind kann man nur sehr schwer sagen.
Leider wird das Thema „Ditching“ aus Kostengründen nur theoretisch und nicht im Praxisversuch behandelt seitens der Hersteller. Alles was also an Daten zur Verfügung steht kommt aus irgendwelchen bisher geschehenen Unfällen - und die sind zum einen selten und zum anderen auch in den seltensten Fällen verwertbar.
Daher von mir einfach nur mal ein paar allgemeine Gedanken:
Mal unter der Annahme, daß die See ruhig ist und es keine nennenswerten Wellen gibt sowie das das Flugzeug prinzipiell unbeschädig ist (und nur runter muß, weil z.B. alle Triebwerke ausgefallen sind) - dann kann man bei der Aufsetzgeschwindigkeit davon ausgehen, daß das Flugzeug sich anfangs so verhalten wird wie beim Aufsetzen auf eine Betonbahn ohne Fahrwerk.
Das Procedure bei uns sieht vor, daß mit der langsamst möglichen Geschwindigkeit mit dem Heck zuerst aufgesetzt wird. Als nächstes müßten die Triebwerksgondeln - idealerweise gleichzeitig - aufsetzten, wobei sie allerdings abgerissen werden könnten. Dann kommt die Nase nach unten und das Flugzeug ist komplett im Wasser. Wenn bis hierhin die Druckkabine nicht nennenswert beschädigt ist, geht man davon aus, daß das Flugzeug durchaus mehrere Stunden bis Tage schwimmen kann. Ein Wort zu der Druckkabine: Im normalen Reiseflug wird die Kabine mit bis zu 6-7 psi Differenzdruck aufgeblasen. Das entspricht einem Druck von 4,21 Tonnen (!!) je Quadratmeter. Dieser Druck wirkt zwar von innen nach außen, die Belastung durch das Wasser entgegengesetzt - ich denke, daß die Zelle trotzdem eine ganze Menge aushalten sollte.
Zum Glück zeigt ja die Praxis, das solche Fälle (und auch die, wo das Flugzeug andersartig aufschlägt) außerordentlich selten sind. Etwas öfters hingegen passiert es, daß beim Überschießen einer Lande- oder Startbahn ein Flugzeug in Wasser fällt. Wie bei den Bildern von der B747 der China Airlines zu sehen ist (bei airdisaster.com, Suchbegriff „kai tak china“ oder übers Datum), die am 11.04.1993 in Hongkong ins Meer rutschte, blieb das Flugzeug trotz des Einschlages ins Wasser reltiv unbeschädigt (o.k., war ja auch deutlich langsamer aber immerhin) - es gab unter den 396 Personen an Bord keinen einzigen Toten. Das Seitenleitwerk mußte übrigens abgesprengt werden, damit das Wrack bis zur Bergung kein Sicherheitsrisiko für andere Flugzeug darstellt.
Ich für meinen Teil denke vollkommen positiv: Auch wenn das „Ditching“ im Simulator nicht trainiert wird, glaube ich fest daran, daß wir (die Cockpitcrew) eine gute Chance haben alle Menschen lebendig aus dem Flugzeug zu bekommen - so es denn jemals passieren sollte.
In diesem Sinne,
Gruß, Nabla