NS Außenpolitik Karikatur Friedensrede

Hallo,
ich frage mich, warum niemand etwas gegen Hitlers Pläne unternommen hat. Es war ja schon kurz nach der Machtergreifung klar, was er vorhatte, wenn selbst die Amerikaner ihn durchschaut haben. Also muss doch auch die deutsche Bevölkerung trotz seiner scheinheiligen Friedensreden geahnt haben, was seine Pläne sind. Zumal es ja intern vor der Armee auch deutlichere Rede gab, in denen er ganz klar von Aufrüstung, „Germanisierung“, Krieg als einzigen Ausweg etc. spricht. Zudem wurden ja tausende Jobs in der Rüstungsindustrie geschaffen, also wozu hätte er Panzer bauen sollen, wenn er keinen Krieg wollte. Meine Frage nun, wieso hat niemand etwas getan?
http://www.teachsam.de/geschichte/ges_deu_ns_33-45/n…

Warum sollte man etwas gegen seine Pläne haben ? Es war die einzige sichtbare Überlebensmöglichkeit nach den Versuchen der Diktatmächte des VERSAILLER VERTRAGES DEUTSCHLAND für immer machtlos zu halten und zum reinen Agrarstaat zu minimieren.

Hallo,

ich kann Ihre Frage nur allgemein beantworten, indem ich Faktoren nennen möchte, die ich für maßgeblich halte.

Einerseits stimmt es nachdenklich, dass Hitler über demokratische Wahlen an die Macht gekommen ist. Anderseits sind bei der letzten freien Wahl im Jahr 1932 aber noch nicht einmal ein Drittel der Stimmen auf Hitler entfallen.Insofern haben schon mehr als zwei Drittel der Wähler etwas gegen Hitler unternommen.

Als Hitler dann an der Macht war, hat Hitler sich nochmals durch die Wahl im März 1933 seiner Zustimmung versichert und konnte über 10 Prozent Stimmenzuwachs registrieren, was die eigentliche Katastrophe war.

1)Die damalige jüngste Erfahrung der Masse der Bevölkerung waren Inflation, Wirtschaftskrise und das sogenannte „Versailler Diktat“, vereinfacht gesagt: die Erfahrung von wirtschaftlicher Bedrängnis und Verehlendung sowie die Sorge, durch die Negativ-Perspektive der Reparationszahlungen um die Zukunftsperspektive gebracht zu werden.

2)Die maßgeblichen Kräfte, die Hitler über eine Koalitionsregierung zum Reichkanzler gemacht haben, haben die wesentliche Verantwortung. Zum anderen spielte eine Rolle, dass der Reichspräsident Hindenburg zum Zeitpunkt seiner Ernennung Hitlers zum Reichskanzler bereits ein seniler Mann war, der warscheinlich die Tragweite seiner Entscheidung nicht abschätzen konnte, die falschen Einflüsterer hatte und ohnehin mehr in militärischen Kategorien dachte, statt in monetären und sozialpolitischen.

3)Es wurde auch davon ausgegangen,dass Hitler an den wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen recht bald scheitern würde und sein Kredit bei der Bevölkerung schnell aufgezehrt sein würde und über Generalstreiks seine Regierung dann zu Fall kommen würde.

4)Hitler selbst hat aus rein taktischen Gründen auch innerhalb von demokratischen Spielregeln im Sinne von Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse agiert, so dass das, was in seinen Reden zum Ausdruck kam nicht immer Ernst genommen wurde, nach dem Motto „Klappern gehört zum Handwerk“, heute würde man dies warscheinlich als ausgefallene Marketingmethode skizzieren.

5)Die Legitimation, die Hitler defacto durch seine 33 Prozent Wählerstimmen hatte, könnte auch durch eine Duldung eines nicht zu umterschätzenden Teils der Bevölkerung ergänzt worden sein und dann durch die Wahl im März realisiert worden sein, weil es ja auch plausible, wenn auch emotionalisierte Argumentationen von Hitler gab, an denen ja etwas dran sein könne.

Ähnlich wie sensationslustige Gaffer, die bei einem Autounfall herumstehen, könnte hier die Perspektive einiger Wähler auf die zu erwartende Politik Hitlers gewesen sein.

5)Möglich ist auch, dass einige Wähler Hitlers diesen nur gewählt haben um Denkzettel zu verpassen, diese Wähler sich die weitreichenden Konsequenzen aber nicht vorstellen konnten.Als sich die innenpolitische Lage nach der Wahl Hitlers stabilisierte, wurde dies gleich als Anerkennung für Hitler gesehen ohne zu verstehen, was hinter den Kulissen vor sich geht.

6)Das generell vereinfachte Weltbild vieler Menschen mit der Suche nach „dem starken Mann“, nach Religionsersatz, nach Sündenböcken, nach Feindbildern und monokausalen Problemlösungsansätzen.

7)Der Mangel an Kenntnissen und Überblick zu wirtschaftlichen Zusammenhängen, Geldpolitik, Weltwirtschaft und Psychologie.

  1. Die Fähigkeit von vielen Menschen bestimmte Dinge auszublenden, wenn eine bestimmte Hoffnung genährt wird, auch wenn diese einer realistischen Prüfung nicht standhalten kann und damit dem Unwesentlicherem mehr Beachtung geschenkt wird als dem Bedeutsamen.

  2. Nicht zuletzt die Entscheidung vieler Wähler zugunsten einer „gefühlsmäßig empfundenen Nachhaltigkeit“, unabhängg davon ob diese realitätsbezogen oder sozial ist und von vernünfigen Argumenten gestützt werden kann.

Die Instrumentalisierung von Themen zur Machterlangung und Interessendurchsetzung ist durch und mit Hitler inflationär ausgeufert. Dieses Erbe halte ich für den am meisten unterrepräsentierten Aspekt der Erfahrung mit Hitler.
Das eigentliche Thema der Deutschen ist meiner Meinung nach nicht die Frage nach der Schuld am 1. Weltkrieg.

Das Bedenkliche ist, dass das Deutsche Militär zuerst das entsetzliche Kampfgas Lost eingesetzt hat und dass der Genozid an den Armeniern in der Türkei während des 1.Weltkriegs von 5 Generälen zu verantworten war, von denen 3 Generäle aus Deutschland stammten.

So gesehen hatte der Völkermord der Deutschen im 2.Weltkrieg auch schon eine deutsche Vorgeschichte im 1.Weltkrieg gehabt.

Solche Informationen bestimmten bei der Stimmabgabe für Hitler sicher nicht die Wahlentscheidung.

Ich hoffe Sie können mit meiner Sichtweise etwas anfangen, warum „keiner“ was gegen Hitler unternommen hat.

Biala

Moin, moin,
die Frage ist nicht so einfach zu klären. Kommt darauf an, wen du meinst mit „niemand“: die Deutschen im Inland (die Kommunisten, die Sozialisten, die Liberalen, die Konservativen, die Parteien generell, die Gewerkschaften…) - ein Teil von ihnen hat schon versucht etwas zu tun, aber eben die große Mehrheit nicht; die „Verteidiger der Republik“ waren zu wenige und selbst von denen waren viele recht autoritär eingestellt, so dass es letztlich nicht reichte. Oder meinst du das Ausland? Zu viele, zu widerstreitende Interessen, wenn man da überhaupt so eine generelle Aussage treffen kann.
Du siehst, deine Frage ist so nicht zu beantworten: zum einen, weil sie davon ausgeht, dass niemand etwas getan hat(was nicht stimmt) und zum anderen, weil „niemand“ ein wenig zu unspezifisch ist :wink:.
LG
Wolfgang

Hallo!

Die Frage ist gut und berchtigt.

Aber Hitler kam durch demokratische Wahl an die Macht und die Allierten konnten ja nicht einfach auf gut Glück einen demokratischen Staat angreifen, acuh wenn man geahnt hat, was Hitler vorhat.

Und zweites hat man das NS-Regime und seine Kriegswilligkeit und seine Kriegsfähigkeit schlichtweg unterschätzt. Wie ist es sonst zu erklären, dass Frankreich nach 6 Wochen, Polen nach 4 Wochen kapituliert und wenn Hitler sich voll auf England konzentriert und nicht Russland angreift, dann wird es ganz dunkel in Europa!

Man hat natürlich zu lange zugesehen und hat erst kurz vor dem Polenfeldzug reagiert. Sudetenkrise, Anschluss Österreichs reihten noch nicht, um wach zu werden. Nach Polen war das Maß voll, aber die Maßnahmen kamen zu spät!

Und wenn Japan nicht Pearl Harbor angreift und die USA danach in den Krieg einsteigen, dann wirds ganz eng!

Gruß

B.

Hallo Noni88,

ich bin seit 25 Jahren Geschichtslehrer und kann Dir sagen: Die Antwort auf Deine Frage würde Bücher füllen.
In aller Kürze:
> Aufrüsten bedeutet nicht unbedingt Krieg zu führen, das siehst Du ja auch im Kalten Krieg, der Europa 40 Jahre lang geprägt hat. So wurde auch Hitler als Motiv der Aufrüstung „Wiederherstellung einer Großmachtrolle“ zugebilligt.
> Außenpolitisch musst Du den historischen Hintergrund - besonders die Erfahrung des 1. Weltkrieges und was er für Frankreich und GB bedeutete - mit einbeziehen. Die beiden Demokratien hätten große innenpolitische Probleme bekommen, wenn sie auf Hitlers Aktivitäten mit Gewalt reagiert hätten. Die Menschen in diesen beiden Ländern wollten keinen neuen Krieg riskieren, nicht erneut Milliarden in die Rüstung investieren.
> Zudem ist die Einschätzung, sie hätten nichts getan, oberflächlich. Die „Appeasement Politik“ der Briten und Franzosen war ja eine Strategie gegen einen erneuten Krieg … nur leider die falsche angesichts Hitlers Sozialdarwinismus.
> Auch im Innern Deutschlands gab es Widerstände. Nicht gegen die Wiederherstellung von Deutschlands militärischer Stärke, aber gegen das Riskieren eines Krieges. DIe Militärführung war 1938 - kurz vor der „friedlichen“ Lösung der Sudetenkrise bereit, mit Gewalt gegen Hitler vorzugehen.
> Das es Hitler/dem NAtionalsozialismus gelang, Millionen von Menschen (neben der Einschüchterung durch Terror) für die eigenen Ideen zu begeistern ist ein weites Feld. Erneut müsstest du den historischen Hintergrund (Versailles, Weltwirtschaftskrise, Fehlen von demokratischen Traditionen im Gegensatz zu GB, F, USA) betrachten, über den Begriff „Autoritäre Persönlichkeit“ nachdenken oder Dir die „Versprechen“ genauer anschauen, die der NS insbesondere jungen Menschen machte. Nicht zuletzt wäre auch nach „Transzendenz“ zu fragen - hör Dir einmal das Lied der Hitlerjugend an („UNsere Fahne flattert uns voran“).
Du wirst erkennen/-fühlen, wie die Nazis den Menschen die existentielle Angst vor dem Alleinsein nahmen und die Unsterblichkeit „schenkten“ … im Tod fürs Vaterland.

In der Auseinandersetzung mit dem NS (zumindest der öffentlichen) gibt es eine Tendenz, die Frage nach dem „Wie konnte es geschehen…?“ mit einem „Letztlich bleibt da Unerklärliches“ (zumindest bezogen auf den Holocaust) zu beantworten.
Ich teile diese Ansicht nicht … man muss nur bereit sein wirklich tief zu schürfen (und vielleicht auch die Bereitschaft haben bei der Entdeckung des „Nazis in sich selber“ nicht laut schreiend davon zu laufen).

Dies zum Einstieg :smile: - JPlewka

Hallo JPlewka,
vielen Dank für deine wirklich sehr hilfreiche und inspirierende Antwort. Wenn man sich nun beispielsweise Hitlers öffentliche Rede 33 anschaut. Haben die Menschen ihm das wirklich abgekauft? Gab es auf so eine Rede auch negative Reaktionen bzw. wie wirkte so eine Rede auf die deutsche Bevölkerung?
„Die Generation dieses jungen Deutschlands, die in ihrem bisherigen Leben nur die Not, das Elend und den Jammer des eigenen Volkes kennenlernte, hat zu sehr unter dem Wahnsinn gelitten, als daß sie beabsichtigen könnte, das gleiche anderen zuzufügen. Unser Nationalismus ist ein Prinzip, das uns als Weltanschauung grundsätzlich allgemein verpflichtet. Indem wir in grenzenloser Liebe und Treue an unserem eigenen Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen Rechte auch der anderen Völker aus dieser selben Gesinnung heraus und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen in Frieden und Freundschaft leben. [… .]
Wir haben aber keinen sehnlicheren Wunsch als den, beizutragen, daß die Wunden des Krieges und des Versailler Vertrages endgültig geheilt werden, und Deutschland will dabei keinen anderen Weg gehen als den, der durch die Verträge selbst als berechtigt anerkannt wird. Die deutsche Regierung wünscht, sich über alle schwierigen Fragen politischer und wirtschaftlicher Natur mit den anderen Nationen friedlich und vertraglich auseinanderzusetzen. Sie weiß, daß jeder militärische Akt in Europa auch im Falle seines vollständigen Gelingens, gemessen an seinen Opfern, in keinem Verhältnis steht zum möglichen endgültigen Gewinn.“

Hallo Biala,
vielen Dank für deine wirklich sehr hilfreiche und inspirierende Antwort. :smile:
Wenn man sich nun beispielsweise Hitlers öffentliche Rede 33 anschaut. Haben die Menschen ihm das wirklich geglaubt? Gab es auf so eine Rede wohl auch negative Reaktionen bzw. wie wirkte so eine Rede auf die deutsche Bevölkerung?
„Die Generation dieses jungen Deutschlands, die in ihrem bisherigen Leben nur die Not, das Elend und den Jammer des eigenen Volkes kennenlernte, hat zu sehr unter dem Wahnsinn gelitten, als daß sie beabsichtigen könnte, das gleiche anderen zuzufügen. Unser Nationalismus ist ein Prinzip, das uns als Weltanschauung grundsätzlich allgemein verpflichtet. Indem wir in grenzenloser Liebe und Treue an unserem eigenen Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen Rechte auch der anderen Völker aus dieser selben Gesinnung heraus und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen in Frieden und Freundschaft leben. [… .]
Wir haben aber keinen sehnlicheren Wunsch als den, beizutragen, daß die Wunden des Krieges und des Versailler Vertrages endgültig geheilt werden, und Deutschland will dabei keinen anderen Weg gehen als den, der durch die Verträge selbst als berechtigt anerkannt wird. Die deutsche Regierung wünscht, sich über alle schwierigen Fragen politischer und wirtschaftlicher Natur mit den anderen Nationen friedlich und vertraglich auseinanderzusetzen. Sie weiß, daß jeder militärische Akt in Europa auch im Falle seines vollständigen Gelingens, gemessen an seinen Opfern, in keinem Verhältnis steht zum möglichen endgültigen Gewinn.“

Bzw. noch präziser formuliert.

  1. Unser Nationalismus ist ein Prinzip, das uns als Weltanschauung grundsätzlich allgemein verpflichtet.
    Was meint diese Floskel?
  2. Wir haben aber keinen sehnlicheren Wunsch als den, beizutragen, daß die Wunden des Krieges und des Versailler Vertrages endgültig geheilt werden.
    Wie hatte man sich das vorzustellen, wenn man sich doch an den Vertrag halten wollte.

Was er mit „allgemein verpflichtet“ meint, erklärt er in der Rede ja selber im Anschluss.
Er billigt den anderen Ländern dieselbe Liebe zur Nation zu, wie er sie für Deutschland in Anspruch nimmt - der Nationalismus als allgemeines Prinzip.
Brecht hat ja in seiner Kinderhymne auch ein Nationalgefühl propagiert, dass gleichzeitig das Nationalgefühl anderer achtet.

Der Versailler Vertrag war im Jahr 1933 in vielerlei Hinsicht schon tot. Die Reparationszahlungen waren eingestellt, wichtigen Politikern in Frankreich und ENgland war klar, dass der Vertrag Ungerechtigkeiten und Widersprüche beinhaltete und Deutschlands Kritik legitim war. Hitler greift das (geschickt) auf, indem er betont, dass eine gewaltsame Veränderung der Vertragsbestimmungen nicht gewollt ist … vieles anderes war vorstellbar und ist dann ja auch „friedlich“ revidiert worden (Entmilitarisierung des Rheinlands, Aufrüstung, Österreich, Sudetenland).

Deine anderen Fragen kann ich aus Zeitmangel nicht quellenbelegt beantworten.
Die Kommunisten haben in der Endphase Weimars in ihren Wahlkämpfen „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ plakatiert - sie werden die Rede als das genommen haben, was sie war. Reine Propaganda.
Ansonsten kann ich keine belegten Antworten zum Feedback der Bevölkerung geben.
Ohne Beleg: Die Leute waren erleichtert, als sie hörten, dass Hitler in seiner ersten außenpolitischen Rede nach seinem Machtantritt sich so überraschend „friedlich“ äußerte.

Gruß- JP

Viele haben was dagegen getan (und ihre Leben riskiert bzw. verloren), die meisten waren einverstanden. Krieg, z.B., sah man (d.h. d. gesell. Mainstream) damals als legitimes Mittel. Hetztöne gegen Franzosen, Russen, Juden, Schwule, politische Gegener etc. fand man (dito) angemessen. Die deutsche Gesellschaft war autoritär und Führeraffin, tendenziell brutalisiert. Und und und. Ich kann nur sagen: lies was drüber. Es gibt so viel Literatur, die alle Deine Fragen behandelt.