Oazapfd is!

Liebe Gemeinde,

gemäß dessen, dass wahrscheinlich auch die „Preußen“ die zwei Worte verstehen, die der Münchner Oberbürgermeister beim Fassanstich auf dem Oktoberfest jedes Jahr den vielen Millionen Besuchern aus aller Welt verkündet, möchte ich hiermit mit allem Respekt ein „neues Fass“ im ehrbaren, traditionellen Philosophie-Forum eröffnen, mit folgenden Fragen:

  1. Ist die Philosophie ein praktischer Nutzen für das Leben auch des „Normalbürgers“ oder sind es nur endlose intellektuelle "Sprachspiele für Insider, wie der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein meinte? 2) Wenn die Philosophie - wie ich glaube - der größte praktische NUTZEN für das wirkliche Leben zukommt, wie kann man dies dann auch dem „Normalbürger“ erklären?? 3) Warum haben „Normalbürger“ null Interesse, an den großen Zusammenhänge des wirklichen Lebens zu LERNEN???

Gemäß meinem Artikel, in dem ich die Frage der Denk- und Geschichtslogik zwischen Schelling, Hegel und Marx stellte (siehe Forum weiter unten!), und freundlicherweise Candida und Cokin ihre Ansichten mitteilten (im Sinne Wittgesteins Sprachphilosophie: „Worte sind Taten!“), habe ich leider viel zu früh behauptet: Ich wollte kein „neues Fass“ aufmachen. Dies ziehe ich hiermit zurück und behauptet das Gegenteil: Ich will gerade ein NEUES FASS aufmachen, mit dem Satz „Oazapft is!“

Soweit ich die beiden Philosophie-Experten Candide und Cokin mit meinem SELBSTBEWUSSTSEIN verstehe, geht es - in meiner Interpretation - um folgendes:

  1. Schelling, Hegel und Marx denken typisch DEUTSCH.
  2. Schelling, Hegel und Marx sind typisch deutsche IDEALISTEN.
  3. Schelling, Hegel und Marx sind typisch deutsche idealistische SYSTEMDENKER.
  4. Schelling, Hegel und Marx sind typisch deutsche idealistische Systemdenker, die den GANZEN Lebenssinn interpretieren und nicht nur eine REDUKTION von Weltanschauung und Lebenssinn.
  5. Schelling propagiert als angenommene Ganzheit gegenüber dem Gott der Religionen seine subjektiv konstruierte WELTSEELE als absolutes Selbstbewusstsein.
  6. Hegel propagiert als angenommene Ganzheit gegenüber dem Gott der Religionen seinen subjektiv konstruierten WELTGEIST als absolutes Selbstbewusstsein.
  7. Marx propagiert als angenommene Ganzheit gegenüber dem Gott der Religionen seinen subjektiv konstruierten WELTMATERIALISMUS als absolutes Selbstbewusstsein.

Was kann ich davon für mein SELBSTBEWUSSTSEIN lernen, frage ich mich? Eigentlich das, was alle so genannten ABSOLUTHEITSANSPRÜCHE mit allen Religionen dieser Welt gemein haben, nämlich das, was der Freiburger Philosoph Prof. Hans Vaihinger (Schüler des berühmten Freiburger Edmund Husserl) LEHRTE, nämlich: Alle diese SYSTEMPHILOSOPHIEN sind nichts anderes als eine „Philosophie des Als Ob“, denn im Grunde wissen DIE Philosophen nichts, es bleibt, trotz dieser ENDLOSEN Sprachspiele, bei der Erkenntnis des Philosophen Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“

Übrigens orientieren sich die weltweit erfolgreichen amerikanischen Begründer der NLP-Psychologie, Dr. Richard Bandler, Leslie Cameron-Bandler, Prof. John Grinder sowie Robert Dilts, ebenfalls an dem deutschen Philosophen Hans Vaihinger und seiner „Philosophie des Als Ob“. Aber die Amis sind ein praktisches Volk, sie behaupten SELBSTBEWUSST: „Alles was wir lehren ist nur ein Als Ob, aber es gibt nichts Praktischeres als eine gute THEORIE!“ Und damit machen die Amis ihre Milliardengeschäfte! Und wir Deutsche schauen irritiert auf die explosionsartigen, unendlichen „sinnlosen Sprachspiele“ im Sinne Wittgensteins…

In diesem ganzen Wirrwarr von Informationsschwemmen hat der amerikanische lebende (!) Sprachphilosoph Prof. Hilary Putman ein Buch geschrieben, mit dem provozierenden Titel „Für eine Erneuerung der Philosophie“.

Es ist zwar auch alles andere als neu, was Putman zu sagen hat, er lehrt im Grunde nichts anderes als was schon John Dewey und Ludwig Wittgenstein gelehrt haben, auf deren DENKEN er seine „Erneuerung der Philosophie“ zu begründen versucht: Putman will das philosophische SYSTEM der Demokratie und des Pluralismus (was schon William James vor ihm lehrte), so begründen, dass jeder ein Recht hat, das zu glauben, was er als seine „Wahrheit“ hält. Und dass, wie es der deutsche lebende (!) Philosoph Prof. Jürgen Habermas lehrt, das „Kommunikative Handeln“ der eigentliche Sinn des moderen oder vielmehr des POSTMODERNEN Lebens ist.

Meine Fragen, die ich schon Eingangs stellte, hier noch einmal konkret zusammengefasst:

Was nützt die Philosophie dem „Normalbürger“ zum praktischen Leben?? Und wie kann man diesen Nutzen so klar wie möglich dem „Normalbürger“ vermitteln???

Danke für alle Beiträge zum „neuen Fassanstich“ und zum Stichwort „Oazapft is!“

Gruß
Claus

Ein wenig Literatur zur Philosophie als Literatur
Hallo Claus J. Walz,

dazu musst Du vielleicht die Philosophie studieren, sicher aber den Normalbürger. Ob Y dem X etwas nützt, kannst Du am besten beurteilen, wenn Du nicht nur Y, sondern auch X kennst. Wer nach welcher Philosophie sucht und ob er sie findet, kann ich Dir nicht sagen, aber ein Mosaikstein ist: Menschen ertragen Philosophie oft nur als Kunst. Halte es mit den Vertretern der „Philosophie als Literatur“.
http://www.amazon.de/Die-Wahrheit-Dichtung-Philosoph…
http://www.germanistik-im-netz.de/wer-was-wo/1745
http://www.amazon.de/Literatur-als-Philosophie/dp/37…
Gruss
Mike

Hallo Mike,

Danke für Dein Engagement. Du hast Dich natürlich „elegant“ aus einer kniffligen Frage hinaus manöveriert, obwohl es klar ist, was Du sagst. Das erkannte auch Goethe so, wie Du es formuliert hast. Trotzdem muss ich zugeben, dass Deine Antwort nicht wirklich mein tieferes Anliegen befriedigt. Die gleiche Frage, die ich über die Philosophie stellte, kann ich auch auf die Kunst der Literatur ausweiten. Konkret gefragt, ist es dieselbe Frage, die mich seit langem beschäftigt: Was nützt die Literatur dem praktischen Leben des „Normalbürgers“, so wie ich einer bin???

Diese Frage habe ich noch überhaupt keinen Philosophen stellen sehen! Auch Nietzsche macht sein Leben lang mit seiner „Gott ist Tot“ These ja nichts anderes als eine SELBSTSTRUKTURIERUNG, im besten Fall eine SELBSTERKENNTNIS, als Vordenker der Psychoanalyse. Gottfried Ben sagt über Nietzsche: „…die ganze Psychoanalyse, der ganze Existenzialismus, alles seine Tat.“ Und weiter Gottfried Benn über Nietzsche „…das größte Austrahlungsphänomen der Geistesgeschichte.“ Super!!!

Ob sich die Philosophen als KÜNSTLER sehen? Sollten sie zumindest, meiner Ansicht nach, damit ihr oft ungerechtfertigter Machanspruch auf die einzige, absolute „Wahrheit“ psychoanalytisch selbst reflektiert und relativierbar ist. Frage: Sind die Deutschen besonders anfällige WAHRHEITSGLÄUBIGE, aufgrund ihrer typisch deutschen Zucht- und Ordnungs-Pädagogik?? Was mich besonders erschreckte, war die Äußerung der Sekretärin Hitlers: „Organisieren können die Deutschen ja!“, sagte diese Frau, die man leicht zur Klasse des „Normalbürgers“ rechnen konnte…

Die Frage ist: WARUM ist der „Normalbürger“ so anfällig für diejenigen Autoritäten, die ihnen mit der Macht der SPRACHE eine „Wahrheit“ VERKAUFEN?! Liegt es an der Religion und ihrem DOGMATISMUS? Oder am Militär, das die SPRACHE zur Anpassung an die Macht so zu nützen weiß, dass der „Normalbürger“ sogar, wenns sein muss, sein Leben für diese „Wahrheit“ opfert, was?? Bekanntlich tun das die Terroristen ja auch, die sich selbst töten für ihren uGlauben an die einzige und absolute „Wahrheit“.

Der Lehrer des deutschen (lebenden) Philosophen Professor Manfred Fank, der deutsche SPRACHPHILOSOPH Prof. Ernst Tugendhat schreibt in Bezug dieses „Wahrheitsproblems“ folgendes: „Die meisten Zeitalter GLAUBTEN zu wissen, was gut ist, und die philosophischen SYSTEME, die in ihnen entstanden sind, GLAUBTEN geradezu sagen zu können, welche Idee des wahrhaft guten Lebens ist. Wir haben heute diese SICHERHEIT verloren. Aber der Verlust kann auch ein GEWINN sein. Indem wir nicht mehr GLAUBEN, im Besitz der Wahrheit zu sein, können wir die Erfahrung des SOKRATES erneuern…“

Aber das versuche ich doch in allen meinen Worten die ganze Zeit zu sagen. Und gerade deshalb bleibe ich weiterhin HARTNÄCKIG bei meiner Generalfrage: Warum nützt die Philosophie dem wirklichen Leben auch des „Normalbürgers“? Und ausgeweitet auf die Kunst: WARUM nützt die Kunst der Literatur dem „Normalbürger“? Oder anders gefragt: WARUM braucht man zum Leben die Kunst der Literatur bzw. der Philosophie, WARUM, wer kann versuchen, diese FRAGE „logisch“ (psychologisch) zu beantworten??? Bitte…

Danke Mike, für Deine Worte als konstruktive TAT sowie für Dein kreatives Engagement!

Gruß
Claus

Hallo Claus,

Warum nützt die Philosophie dem wirklichen Leben auch
des „Normalbürgers“

Meinetwegen. Schaust Du, wer Vàclav Havel ist, und resümier mal, ob der Normalbürger heutzutage ebenso leicht zu manipulieren wäre wie anno Hannibalis. Natürlich hockt er vor dem Computer und dem Fernseher, liest bisweilen Zeitung - und dies tat er schon fast seit Gutenberg -, ist also unter anderem wegen seiner Faulheit pazifistisch und informiert sich im Vergleich zu früheren Zeiten auch nicht unendlich, sodann ist er durch die Amerikanisierung individualistisch geworden. Aber es bleibt die Frage, ob nicht die Philosophie wenigstens mit der heute salonfähigen pazifistisch-gewaltlosen Haltung der allermeisten Westeuropäer einhergeht und diese wenn nicht verursacht, so doch bis zu einem gewissen Grad stützt

„logisch“ (psychologisch)

liesse sich sagen, dass wohl jede Zeit ihre Philosophieströmungen hat, die sie begleiten, und die in Einzelfällen sie oder aber andere Zeiten bedingen (vgl. Rezeption von Platons „Staat“ in der Neuzeit. Platon fordert, dass der Staat von weisen und gebildeten Leuten, „Philosophen“, geleitet werde. Das wird jedenfalls da und dort zum Vorbild für Argumentationen genommen).

In seltenen Ausnahmefällen sind die Philosophen selbst in der Leitung des Staates. Bis jetzt ist das meines Wissens immer nur kurzfristig und in Übergangszeiten gewesen: Mark Aurel, der Philosoph, gilt als Kaiser des Niedergangs und einer nur kurzzeitigen Regierung; bei den historischen Revolutionen sind gewöhnlich bei den ersten Revolutionären etliche Philosophen, jedoch werden die ersten revolutionären Regierungen bald wieder abgelöst (vgl. Frankreich 1789, Deutschland 1848, Russland 1917). Havel habe ich auch genannt, weil er in diesem Punkt eine seltene Ausnahme zu sein scheint. Vermutlich steckt dahinter allerdings ein zwischen der Präsidentschaft der Tschecholslowakei und der Präsidentschaft im Tschechien seit ca. 1995 liegender Wandel vom Philosophen zum Diplomaten.

Gruss
Mike

Hi Mike,

(vgl. Rezeption von Platons „Staat“ in der Neuzeit. Platon fordert, dass der Staat von weisen und gebildeten Leuten, „Philosophen“, geleitet werde. Das wird jedenfalls da und dort zum Vorbild für Argumentationen genommen).

Wenn man die DREIKLASSENGESELLSCHAFT nicht, wie bei Platon, auf eine „geschlossene“ Gesellschaft bezieht, sondern auf die ganze Menscheitsentwicklung, stehen meines Erachtens die Philosophen als KREATIVE ganz schön im praktischen Leben. Sie wollen ja gar nicht (zurecht) Politiker oder Manager sein, sonder stellen sich doch DARÜBER, so wie es ja schon Platon in seiner SOZIOLOLGIE tat. Das konnte er auch deshalb vielleicht leichter als sein LEHRER Sokrates, weil Platon im Gegensatz zu Sokrates aus einer der reichsten und angesehendsten Familien Athens stammte. Natürlich stellte sich Platon über das Volk und dessen politische Führer und sah die Philosophen zwar prädestiniert für die Staatsführung an, aber er selbst hatte dazu null Bock. Das kann ich gut nachvollziehen. Ich hab’s ja auch nicht!

Ich gebe zu, ich war mal Parteimitglied der FDP vor über 20 Jahren, aber bin nur ein einziges Mal auf deren Parteiversammlung im oberbayerischen Murnau gegangen. Ich hatte mich regulär als Mitglied angemeldet, kam aber nie mehr zu einer weiteren Versammlung, weil mir das reichte, was ich hörte und sah. Nach drei Monaten rief mich der Kassenwart oder wie man den Finanz-Manager nennt an, was mit meinem Mitgliedsbeitrag sei, ich hätte noch keine Mark bezahlt. Ich sagte, ich sei arbeitslos und hätte kein Geld (war eine Ausrede), da sagte der freundliche „Finanzminister“, darüber könne man doch reden, wann ich denn wieder einmal zu einer Versammlung erscheinen würde (diese klein gebackenen Diskussionen über den Murnauer Bürgermeister, gegen den man „Kampfstrategien“ erfinden wollte, und so…). Ich sagte ihm, ich hätte kein Interesse mehr an der Politik, ich würde lieber PHILOSOPHIEREN! Der Finanzmann lachte hell auf, und beendete dann abrupt das Gespräch.

Es gibt ein Buch (von - was weiß ich, bin gerade zu faul, nachzuschauen), das heißt: „So schön kann Wirtschaft sein - Der Aufstieg der Kulturell-Kreativen“. Na also, darin sehe ich eine Chance auch für alle diejenigen KREATIVEN, die viel lieber philosophieren als sich bloß mit Platons „zweiter Klasse“ (den politischen Kämpfern und Kontrolleuren) zu identifizieren.

Prost Gemeinde! Jetzt trink ich ein kühles Bier, alkoholfrei versteht sich, importiert von einer Brauerei aus Teneriffa auf unsere Hinterweltinsel, weshalb das Bier hier sehr viel teurer ist als in Old Germany, und längst nicht so gut, weil die Spanier das bayrische Reinheitsgebot nicht kennen (leider). So wie mir damals vor 20 Jahren ein echt bayrischer Bauernbub (die „Rotnacken“)) sagte: „Jao mei, sowo geht mer ja au ned hi, wos koi gscheids Bier gibt!“ Dann schaute er mich mit einem solch erhabenen Gefühl von oben herab an, so dass ich mich für meine katastrophale Dummheit schämte - und das tue ich heute noch!!!

Gruß
Claus

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