Oberflaechenenergien: messbar/berechenbar?

Guten Tag,

eins vorweg: ich bin beruflich in der Numerik und Kontinuumsmechanik unterwegs und daher daher von Festkoerperphysik im eigentlichen Sinne relativ wenig Ahnung, bin aber lernfaehig :wink:.

Es geht um folgendes: fuer einen bestimmten Modellierungsansatz benoetige ich fuer gewisse Werkstoffe (niedriglegierte Staehle und bestimmte Aluminiumlegierungen) deren Oberflaechenenergie (es geht um Bruchmechanik und Energiebilanzen bei der Entstehung von Rissen). Fuer elementare Metalle findet man derlei Werte in der aktuellen Literatur, nicht aber fuer die Legierungen, mit denen ich arbeiten muss.

Daher Fragen an die Runde:

  1. Kann man die Oberflaechenenergie von Festkoerpern mit vertretbarem Aufwand messen? Die Youngsche Gleichung ist bekannt, allerdings taucht da als Variable die Grenzflaechenenergie, an die man ja auch nicht so ohne Weiteres rankommt. Benetzungswinkel messen ist hingegen kein Problem. Daher auch

1a) Wie kommt man an die Grenzflaechenenergie ran?

  1. Zum rechnerischen Ansatz (zumal ich keine exakten Werte brauche sondern mir im Grunde die ungefaehre Groessenordnung schon reicht):

In der Literatur findet man Modelle, die die Oberflaechenenergie aus der Elektronendichte berechnen. Wenn man nun die chemische Zusammensetzung seines Materials kennt, kann man daraus die Elektronendichte herleiten? Oder gar, unter obiger Annahme und mit Kenntnis der Oberflaechenenergie der einzelnen Legierungselemente, kann man die Oberflaechenenergie der Legierung abschaetzen?

Und ganz generell: wenn man ein Material hat, das zu 98% aus Fe besteht und weiteren 5-6 Legierungselementen in der Groessenordnung von jeweils unter 0,5%, kann man daraus den Einfluss der Legierungselemente auf die Oberflaechenenergie oder Elektronendichte abschaetzen? Weil: wenn dieser Einfluss bei 2% Masseanteil irgendwo im unteren Prozentbereich liegt, kann ich den auch vernachlaessigen und mit Literaturwerten der Elementarmetalle arbeiten, da man fuer praktische Anwendung eh einen Sicherheitsaufschlag benoetigt, der weit darueber ist.

Nun, mir ist klar, dass die Fragestellung nicht ganz trivial ist und ich suche hier auch keine Loesung nach dem Motto „hier is die Formel, rechne Mal“, mir geht es eher um Literaturhinweise/Empfehlungen, einfach weil mir in diesem Bereich ein Ueberblick ueber empfehlenswerte Literatur/Autoren komplett fehlt und bei uns am Institut auch kein Festkoerperphysiker zu finden ist.

Vielen Dank schonmal im Voraus
Gruss
Paul

Hallo Paul,

leider bin ich kein Experte, möchte aber doch ein paar Anmerkungen machen:

  1. Kann man die Oberflaechenenergie von Festkoerpern mit
    vertretbarem Aufwand messen? Die Youngsche Gleichung ist
    bekannt, allerdings taucht da als Variable die
    Grenzflaechenenergie, an die man ja auch nicht so ohne
    Weiteres rankommt. Benetzungswinkel messen ist hingegen kein
    Problem. Daher auch

1a) Wie kommt man an die Grenzflaechenenergie ran?

Ich habe mal Messungen durchfĂŒhren lassen (!). Dabei wurden drei verschiedene TestflĂŒssigkeiten als Tropfen auf einer OberflĂ€che abgesetzt und der jeweilige Kontaktwinkel gemessen. Mit den Messwerten und einem Gleichungssystem können dann der polare und disperse Anteil der OberflĂ€chenenergie der getesteten OberflĂ€che berechnet werden. Sowas machen einige Forschungseinrichtungen (gegen Geld). Wie genau diese Messungen sind, kann ich aber nicht sagen.

In der Literatur findet man Modelle, die die
Oberflaechenenergie aus der Elektronendichte berechnen. Wenn
man nun die chemische Zusammensetzung seines Materials kennt,
kann man daraus die Elektronendichte herleiten? Oder gar,
unter obiger Annahme und mit Kenntnis der Oberflaechenenergie
der einzelnen Legierungselemente, kann man die
Oberflaechenenergie der Legierung abschaetzen?

Ich war etwas erstaunt, dass das heute geht, weil die OberflĂ€che eine DiskontinuitĂ€t darstellt, was etliche Modelle zum Versagen bringt („Den Festkörper hat Gott gemacht, die OberflĂ€che der Teufel.“). Aber kann sein. Ich sehe aber ein anderes Problem: OberflĂ€chen verĂ€ndern sich. Bei einem Stahl z.B. besteht die OberflĂ€che aus einer Mischung unterschiedlicher Oxide, deren Zusammensetzung natĂŒrlich von der Legierung abhĂ€ngt. Die Oxidbildung erfolgt z.B. bei einer frischen TitanoberflĂ€che binnen weniger Minuten. Bei einem verzinkten Stahl bildet sich binnen weniger Tage nach der Abscheidung des Zinks Zinkhydroxid. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das keinen Einfluss auf die OberflĂ€chenenergie haben soll, weiß aber auch nicht, inwieweit dies bei ab-initio-Rechnungen abgebildet werden kann. Von Verunreinigungen ganz zu schweigen. Im entsprechenden Wikipedia-Artikel kannst Du ja auch sehen, dass die Tabelle hauptsĂ€chlich recht inerte Materialien enthĂ€lt.

Vielleicht wĂ€re das Max-Planck-Institut fĂŒr Eisenforschung (MPIE) in DĂŒsseldorf ein geeigneter Ansprechpartner fĂŒr Dich.

GrĂŒĂŸe, Thomas

Moin, und Danke schon Mal fuer die Rueckmeldung,

Ich habe mal Messungen durchfĂŒhren lassen (!). Dabei wurden
drei verschiedene TestflĂŒssigkeiten als Tropfen auf einer
OberflÀche abgesetzt und der jeweilige Kontaktwinkel gemessen.
Mit den Messwerten und einem Gleichungssystem können dann der
polare und disperse Anteil der OberflÀchenenergie der
getesteten OberflÀche berechnet werden. Sowas machen einige
Forschungseinrichtungen (gegen Geld). Wie genau diese
Messungen sind, kann ich aber nicht sagen.

Ja, sowas als letzter Ausweg quasi habe ich auch auf dem Schirm, aber man will halt das Geldausgeben vermeiden, wenn es sich vermeiden laesst. Als Mathematiker bin ich halt dem Experiment eher abgeneigt und versuche es moeglichst zu vermeiden :wink:, zumal ich auch keine sehr exakten Daten brauche sondern grobe Richtwerte.

Ich war etwas erstaunt, dass das heute geht, weil die
OberflÀche eine DiskontinuitÀt darstellt, was etliche Modelle

Nun, es sind allesamt Idealisierungen aber sowas gibt es. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S01
 nur als Beispiel, gibt aber auch aeltere und andere Ansaetze.

OberflÀchen verÀndern sich. Bei einem Stahl
z.B. besteht die OberflÀche aus einer Mischung
unterschiedlicher Oxide, deren Zusammensetzung natĂŒrlich von
der Legierung abhÀngt.

Oxidbildung ist in meinem Fall kein Problem, es geht um Risse, die sich im Inneren des Materials ausbreiten und (idealisierterweise) keinen Kontakt zur Umgebung haben im Moment der Entstehung und im Laufe von wenigen Sekunden sich bis zum Totalversagen des Werkstoffs ausgebreitet haben (wobei man auch das fast beliebig beschleunigen kann
). Was danach passiert, ist nicht mehr von Interesse.

Vielleicht wĂ€re das Max-Planck-Institut fĂŒr Eisenforschung
(MPIE) in DĂŒsseldorf ein geeigneter Ansprechpartner fĂŒr Dich.

Ah. Da kenne ich glaub ich sogar n Paar Leute


Gruss
Paul

Hallo Paul,

wenn ich deine beiden Postings richtig verstehe, hast du Legierungen vor dir liegen, bei denen sich nach deinen Worten im Inneren Risse ausbreiten siehe:

Oxidbildung ist in meinem Fall kein Problem, es geht um Risse,
die sich im Inneren des Materials ausbreiten und

Da du alles berechnen und keine Experimente machen möchtest,

sich vermeiden laesst. Als Mathematiker bin ich halt dem
Experiment eher abgeneigt und versuche es moeglichst zu
vermeiden :wink:, zumal ich auch keine sehr exakten Daten brauche

hast du schon berechnet, warum sich da in den Legierungen vor dir - ohne Experimente mit ihr zu machen - plötzlich Risse ausbreiten?

Gruß

watergolf

Tach,

hast du schon berechnet, warum sich da in den Legierungen vor
dir - ohne Experimente mit ihr zu machen - plötzlich Risse
ausbreiten?

falls ich Deine Frage richtig verstehe, dann ja. Weil ich die Dinger mechanisch belaste.

Gruss
Paul