Österreich: eher Opfer oder Komplize des 3. Reich?

Hallo und Guten Tag,

erst mal vorneweg möchte ich ausdrücklich sagen, dass ich nicht „anti-österreichisch“ eingestellt bin noch, dass ich irgendwelche Schuld Deutschlands auf Österreich „abwälzen“ will.

Dennoch würde mich mal interessieren, inwieweit die internationale Geschichtsforschung heute Österreich eher als Opfer der Nazis oder eher als deren Komplize ansieht? Traditionell war es doch wohl eher so, dass man Österreich, obwohl z.B. Hitler, wie auch damals bekannt, ursprünglich Einwanderer aus Österreich war, als „erstes Opfer“ von Nazi-Deutschland ansah, weshalb Österreich nach 1945 bald wieder in die internationale Staatengemeinschaft aufgenommen wurde und auch, ohne Wiedergutmachung zu zahlen, diplomatische Beziehungen mit Israel aufnahm. Die Rolle des internationalen „Bösewichts“ und „Outcasts“ hatte Deutschland alleine zu tragen.

Heute sieht man doch aber die Rolle Österreichs während der NS-Zeit etwas anders, soll heissen: Man sieht Österreich eher weniger als Opfer und eher mehr als Komplize des dritten Reichs, oder irre ich da?

Vielen Dank im Voraus für Antworten und Meinungsäußerungen,

Jasper.

Hallo Jasper,

du kommst weiter, wenn du nicht Fragst welche Nationen, sondern welche Menschen Opfer bzw. Komplizen des 3. Reiches waren.

In allen Nationen gab es Gruppen, die das 3. Reich begrüßt haben und in allen Nationen gab es Opfer dieses Regimes. Sicher unterscheidet sich der Anteil der jeweiligen Gruppen von Nation zu Nation gewaltig.

Natürlich sehen sich alle lieber als Opfer des 3. Reiches (die Deutschen ja auch: „wir haben nix gewusst“, „wir sind bombardiert worden“ usw.) und es wäre sicher nicht falsch nicht die Österreicher, sondern deutsche Kommunisten, Freidenker, Juden und Minderheiten als die ersten Opfer des 3. Reiches zu sehen.

Um auf die Frage zu kommen, die Deutschen wurden in Österreich von einigen freudig begrüßt, von einigen verachtet und gefürchtet und einige haben nichts gemacht und gewartet was passiert. Ein Urteil über ganz Österreicht zu fällen wäre also nicht fair. Du kannst natürlich nachschauen, was die politischen und wirtschaftlichen Eliten so gemacht haben, aber dann nimmst du einen Teil für das Ganze und dir wirs sofort jemand widersprechen, der einen anderen Teil als das Ganze ansieht. Hier kann man sich also treffllich streiten, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich hoffe etwas geholfen zu haben.

Gruß s.

Hallo S.,

ein Urteil über „ganz Österreich“ zu fällen ist sicher nicht fair, aber grundsätzlich war es doch nun nach 1945 nun einmal so, dass Deutschland, zumindest in Europa, die „Bösewicht“-Rolle innehatte, dass Deutschland alle anderen Länder, ob nun das republikanische Spanien (Guernica), Frankreich, Polen, BeNeLux, Jugoslawien, später auch Italien und Griechenland mit Krieg und Gewalt überzogen hatte, und man danach den Deutschen, „Boches“, „Krauts“, „Moffen“ oder wie auch immer sonst genannt, nur widerwillig, misstrauisch und mit Naserümpfen begegnete - z.T. erzwungenermaßen wegen der neuen Bedrohung aus dem Osten in Form der Sowjetunion. D.h. die Deutschen waren alleine die „Bösen“, deren Opfer, nämlich die von Deutschland angegriffenen und besetzten Länder, die „Guten“, nämlich die Allierten, befreit hatten. Der Holocaust kam dann noch obendrauf.
Diese Haltung den Deutschen gegenüber kommt doch sehr deutlich z.B. im Film „Your Job in Germany“ aus dem Jahre 1945 zum Ausdruck:
http://www.youtube.com/watch?v=IgLOij3V4PU

Der Punkt ist, dass eben Deutschland ganz alleine die „Bösewichtrolle“ zu tragen hatte und Österreich zunächst von Seiten der Siegermächte genau so als ein reines Opfer von Nazi-Deutschland dargestellt wurde wie z.B. die Niederlande - was natürlich definitiv nicht stimmt.

Mich würde dabei interessieren, inwieweit inzwischen auch in der internationalen Geschichtsforschung hinsichtlich der Rolle Österreichs ein Wandel dieser Ansicht stattgefunden hat.

Gruß Jasper.

Hallo S.,

ich habe dir oben geantwortet, leider habe ich mir aus Versehen „selber geantwortet“.

Gruß Jasper.

Der Holocaust

kam dann noch obendrauf.
Diese Haltung den Deutschen gegenüber kommt doch sehr deutlich

Stimmt so, aber dennoch sollte man nicht ausser Acht lassen, dass Österreich selbst, schon vor hitler eine Antisemitische Regierung hatte.

Grüße vom Hasen

Der Holocaust

kam dann noch obendrauf.
Diese Haltung den Deutschen gegenüber kommt doch sehr deutlich

Stimmt so, aber dennoch sollte man nicht ausser Acht lassen,
dass Österreich selbst, schon vor hitler eine Antisemitische
Regierung hatte.

Der Antisemitismus des Austrofaschismus war aber nicht rassistisch sondern religiös motiviert. Man sollte das daher nicht so einfach in einen Topf werfen.

Grüße vom Hasen

Gruß,
Penegrin

Hallo und Guten Tag,

Servus

Ich bin der Meinung man muss ‚Österreich‘ von den ‚Österreichern‘ trennen. Der Staat Österreich mit seiner Regierung kann man durchaus zu den „Opfern“ zählen und wäre es nach Dollfuß gegangen wäre der Anschluss sicher nicht so einfach über die Bühne gegangen.
Auf der anderen Seite waren die Österreicher den Nationalsozialismus nicht abgeneigt und ein überdurchschnittlich hoher Anteil diente dem Apparat.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass es aus ganz Europa Freiwillige gab, die willig für das Deutsche Reich arbeiteten obwohl ihr eigenes Land besetzt wurde…

Jasper.

Gruß,
Penegrin

Hallo Jasper,

ich denke man muss darauf achten, dass man zwei Sachen nicht vermischt. 1. die Geschichtsschreibung und 2. die Nachkriegsereignisse und Schuldzuordnungen nach dem WK2.

In der Nachkriegszeit musste Europa so geordnet werden, dass 1. kein neuer Krieg provoziert wird und 2. die Machtinteressen der Siegermächte gewahrt werden. Die Schuldfrage war hier zweitrangig.

Für die moderne Geschichtsschreibung ist nicht interessant, welche Nation „schuldig“ ist (auf eine Nation ist der Schuldbegriff sowieso nicht vernünftig anzuwenden) sondern welche Kräfte und Umweltbedinungen zu Faschismus und Krieg geführt haben. Bei dieser Sichtweise werden die Entwicklungen in Österreich und in anderen Ländern (z.B. Italien, auch die Rolle Russlands ist z.B. sehr interessant) durchaus gesehen und bewertet. Es lässt sich nur keine Schuld daraus ableiten, weil kluge Leute nie eine Kollektivschuld auf eine Nation aussprechen würden.

Für einfach denkende Menschen sind solche kollektiven Beschuldigungen damals wie heute sehr wichtig um ein geschlossenes Weltbild zu kreieren: USA gut -> Irak böse; Europa gut -> Serben böse; Christen gut -> Islam böse. Diese Vereinfachungen sind immer falsch und immer ungerecht, dennoch wird es sie wohl immer geben.

Vor dem Hintergrund dieser Vereinfachungen hat sich das „Deutschland schecht“ für den WK2 festgesetzt und die Österreicher werden (rate ich mal) warscheinlich außen vor gelassen, weil man in den USA garnicht weiß, das es die überhaupt gibt.

Von Geschichtswissenschaftlern wird man keine Revision dieser Ansichten finden, weil man keine Ansicht modifizieren muss, die man nie geteilt hat.

Hoffe geholfen zu haben, wenn nicht frag nochmal nach.

Gruß s.

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Hallo Jasper,

unter dem folgenden Link:

http://www.doew.at/frames.php?/service/ausstellung/1…

findest Du den Text „Österreich - das schlechtere Deutschland?“, der diese Fragen berührt. Menupunkt „Thema“, dann läßt sich der Text aus einer längeren Liste rechts anklicken (ziemlich weit unten, Direktlink anscheinend nicht möglich).

Grüße,

I.

Vielleicht hätten sich die Israelis etwas geziert wenn sie einmal einen Vergleich gezogen hätten.

  1. wie viele Österreicher waren am Widerstand gegen Hitler beteiligt? Wieviele kamen z.B. vor den „Volksgerichtshof“?
  2. wie viele Österreicher wurden in der Nachkriegszeit als Kriegsverbrecher verurteilt/angeklagt?

Ich glaube das gerade bei den strammen Nazis viele Österreicher waren die zeigen wollten das sie eigentlich die besseren Nazis sind.
Genau wie in Deutschland war die Masse begeistert von den „Errungenschaften“ der Naziideologie . Genau wie bei uns waren dann plötzlich nach den verlorenen Krieg alle nur Mitläufer, oder schon immer dagegen und haben ja überhaupt von nichts etwas gewusst.

Die alten Filme, auch vom „Anschluss“ ans Reich, zeigen tausende jubelnde Menschen die mit Blumen und erhobener Hand die Wehrmacht und Hitler begrüssen. Nirgends sieht man im Hintergrund Soldaten mit Waffen die dafür sorgen das alle mitmachen.