Hallo,
die Bemerkung in deiner Vika zeigt ja, dass du nicht ganz unbeleckt von philosophischen Fragestellungen bist. Trotzdem werde ich deine allgemeine Frage so allgemein wie möglich behandeln.
Ich teile im Prinzip das, was Frank gesagt hat (es gibt noch Wunder '*g*), dass die Frage falsch gestellt ist und auch dass die Gesellschaft, in der die Philosophie entsteht (aber nicht die „herrschende“ ist!), eine wichtige Rolle spielt, allerdings bin ich nicht der Meinung, dass neuere Erkenntnisse unbedingt besser sein müssen als alte (ich weiß nicht, ob Frank das sagen wollte), sondern meine, dass man die Güte philosophischer Aussagen an ihrer Argumentationskraft erkennt. Und damit ist die erste Antwort schon gegeben, nämlich auf deine Frage:
Falls ihr die eine oder andere Denkrichtung bevorzugt, welche
gravierenden Vorteile seht ihr in dieser?
Das, was man gemeinhin unter östlicher Philosophie versteht, ist in der Regel weniger argumentativ gestrickt als das entsprechende westliche Pendant. Das liegt daran, dass diese Form der Rationalität in Griechenland entdeckt wurde und dort eine stärkere Förderung erfahren hat. Freilich ist auch in Griechenland der nicht-argumentative Teil der Philosophie in den Anfängen recht umfangreich. Und es gibt auch Mischformen, bei denen man nicht so leicht die argumentative Kraft erkennt, weil die Überlieferung der Texte ein klares Urteil nicht zulässt.
Wenn ich die Unterscheidung von Metapher
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
jetzt einfacherweise einmal zugrundelege, also die Unterscheidung in „Philosophie als Wissenschaft“ und „Philosophie als Lebenshilfe“, dann meine ich, dass es diese beiden Seiten in beiden Kulturen findet. Die sehr praktischen Anweisungen des Konfuzius stehen den schwierigen Aussagen des Laotse ebenso gegenüber wie etwa die ethischen Sätze von Demokrit (der natürlich auch theoretisch bedeutend ist) denjenigen Heraklits. Die Frage also
Welche Aufgabe/n sollte sie für euch erfüllen?
kann man (mindestens) zweifach beantworten. Es ist richtig, wie Frank sagt, dass Philosophie die Zusammenhänge darstellen möchte (die Kennzeichnung „plausibel“ halte ich allerdings für zu schwach). In diesem Sinne ist die theoretische Philosophie primär, weil sich aus ihr wichtige Voraussetzungen für die praktische Philosophie ergeben.
Die praktische Philosophie ist nun im Rahmen der sog. östlichen Philosophie über die Jahrhunderte gesehen aus meiner Sicht intensiver betrieben worden. Das betrifft politische Fragen ebenso wie Fragen der Meditationstechnik oder auch religiöse Kontexte. Diese Einschätzung mag ungerecht sein, weil ich vielleicht zuwenig der Texte kenne, was natürlich auch ein Übersetzungsproblem ist. Es gibt ja auch Annäherungen, wie etwa im 20. Jahrhundert etwa die Texte von Kitaro Nishida. Allerdings halte ich den Buddhismus etwa nicht für genuin philosophisch (den von Frank genannten Maoismus schon gar nicht, aber das steht auf einem anderen Blatt), sondern allenfalls für philosophie-ähnlich. Aber es ist schon richtig, dass er eben Ansätze besitzt, die man philosophisch nennen kann. Freilich ist hier eine Diskussion mit der westlichen Welt recht schwierig, weil der Buddhismus grundsätzliche Begriffe der westlichen Philosophie verwirft, allerdings nicht mit kausalen, sondern wesentlich aus teleologischen Gründen.
Können beide nicht nebeneinander leben oder anders gesagt ergänzen
sich diese nicht?
Das ist schwierig zu beantworten, denn natürlich können sie nebeneinander leben, aber sie müssen deshalb nicht gleichwahr sein *
*. Auch westliche Philosophie ist ja nicht „wahr“ in diesem Sinne, sondern sie ist diskursiv. Diese Diskursivität ist in dem, was „östliche Philosophie“ heißt weniger präsent. Wenn etwa – um ein umgangssprachliches Beispiel zu geben – gesagt wird, man solle gewisse Dinge einfach ausprobieren, sie würden schon klappen, dann ist das keine Philosophie, weil man – selbst wenn es in der Tat klappt – nicht weiß, warum es klappt.
Hier scheint sich mir der Grund-Unterschied anzudeuten, nämlich der, dass es in der westlichen Philosophie um Begründung geht, in der östlichen um Einsicht. Diese Einsicht kann die westliche Philosophie gelegentlich befruchten, aber sie kann sie nicht ersetzen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller