Hallo!
Der von Dir geschilderte Vorgang in Zollamtsstuben erinnert mich an hier vor ein paar Jahren aufgeschriebene Erlebnisse beim Kauf eines amtlichen Müllsacks.
Beschaffung eines Müllsacks anno 2002:
Der Bürger begibt sich zur Gemeindeverwaltung. Eine Müllsackdienststelle o. ä. ist auf der Wegweisertafel im Eingangsbereich nicht aufgeführt. Also klopft der Bürger an eine Tür mit einem Schildchen „Ordnungsamt“. Tatsächlich, da ist er richtig. Der Bürger trägt der Ordnungsamtsmitarbeiterin sein Anliegen vor. Die Ordnungsamtsmitarbeiterin geht daraufhin zu einem Rollschrank und entnimmt ihm einen Formularsatz, geht zu einem weiteren Rollschrank und greift dort zu weiteren Formularen. Sodann begibt sie sich wieder an ihren Schreibtisch und füllt ein Formular „Laufzettel“ aus, außerdem ein Formular „Entnahmeschein“ mit mehreren Durchlägen sowie ein Quittungsformular, ebenfalls mit mehreren Durchschlägen. Der Bürger bekommt nun einen Stapel Papiere in die Hand gedrückt, oben drauf der abzuarbeitende Laufzettel.
Also los in den 2. Stock zur Kasse. Dort warten, weil die Kasse gerade nicht besetzt ist. Nach nur wenig mehr als einer Ewigkeit kommt jemand den Gang entlang geschlurft. Aha, die Kassenbesetzung. Der gibt der Bürger den Stapel Quittungsformulare. Nach Zahlung von 3 € für den Müllsack erhält der Bürger den abgestempelten und um ein Exemplar dünner gewordenen Stapel Quittungen zurück. Nächste Station des Laufzettels, auf dem korrekt das anzusteuernde Stockwerk nebst Zimmernummer vermerkt ist. Am Tresen warten, bis sich eine der Damen bemüht, näher zu kommen. Sie - ganz Fachfrau - sieht den Stapel Papier in der Hand des Bürgers, weiß sofort Bescheid und verlangt die verbliebenen Quittungen und den Formularsatz „Entnahmeschein“. Der Bürger hat inzwischen den Überblick verloren und fragt nach dem weiteren Gang der Dinge. Ihm wird beschieden, dass nun mit dem Entnahmeschein das Materiallager angewiesen wird, einen Mitarbeiter zu beauftragen, einen Müllsack in das von mir zuerst besuchte Zimmer zu der Dame, die bienenfleißig die Formulare zusammengestellt und ausgefüllt hatte, zu bringen.
Der Bürger müsse jetzt nur noch einen Moment im Wartebereich Platz nehmen. Der brave Bürger tat, wie ihm geheißen, ging also wieder ins Erdgeschoss und wartete. Tatsächlich öffnete sich alsbald die Tür des Zimmers, die der Bürger schon als erste Anlaufstation kannte. Und - oh Wunder - auf dem Schreibtisch der Sachbearbeiterin lag unter allerlei ausgefüllten und abgestempelten Formularen ein säuberlich zusammengefalteter Müllsack. Voreilig wollte der Bürger schon zum Gegenstand seiner Begierde greifen. Aber ganz so einfach gestaltete sich der Sachverhalt denn doch nicht. Erst musste er die abgestempelten Papiere vorlegen, die mit dem Papierstapel auf dem Müllsack verglichen wurden. Sodann wurden Name und Anschrift des Bürgers aktenkundig gemacht und er hatte eine Unterschrift über den Erhalt von 1 (in Worten. eins) Stück Müllsack zu leisten.
Im Verlaufe reichlich einer Stunde beschäftigten sich mindestens 4 öffentlich Bedienstete mit dem Vorhaben, einem Bürger einen Müllsack zu verkaufen, der in Farbe und Aufdruck so gestaltet ist, dass die Müllabfuhr der Gemeinde den ordnungsgemäß gefüllten (über diese Kunst gab es natürlich ein Merkblatt, seltsamerweise ohne Durchschrift und ohne Unterschrift zum Nachweis der Kenntnisnahme) und verschlossenen Müllsack beim nächsten Abfuhrtermin vom Straßenrand mitnimmt.
Satire? Nein! Übertreibung? Ich schwöre, nein. So lief es ab.
Gruß
Wolfgang