Offenbach-Hoffmanns Erzählungen

Liebe Opern-Kenner!

Gestern sah ich in der Wiener Staatsoper Hoffmanns Erzählungen in der Inszenierung von Andrei Serbans. In verschiedenen Opernführern ist die Reihenfolge der Erzählungen: Olympia, Giulietta, Antonia.
In der gestrigen Aufführung war es: Olympia, Antonia, Giulietta. Im Internet hab ich mal dies und mal das gefunden.

Weiß jemand, wie der ursprüngliche, von Offenbach geschriebene Aufbau der Oper ist?

Weiß jemand, warum die Reihenfolge der Akte variiert? Hat das einen „künstlerischen Hintergrund“?

Mir kam das seltsam vor, weil ich nicht gedacht hätte, dass man - schon aufgrund der Gesamtheit eines Musikwerkes - Akte vertauschen kann.

Vielen Dank für etwaige Hinweise oder Aufklärungen.

Irene

Hallo Irene,

als Jacques Offenbach starb, ließ er Hoffmanns Erzählungen als unvollendeten Torso zurück; in der Folgezeit haben dann verschiedene Bearbeiter versucht, das Werk fertigzustellen.

Nachdem bei der Uraufführung 1881 der Giulietta-Akt komplett gestrichen wurde (weil man fürchtete, die Auführung geriete zu lang), hatte sich jahrzehntelang die Reihenfolge: Olympia - Giulietta - Antonia eingebürgert.

‚Als Jacques Offenbach im Oktober 1880 verstarb, hatte die musikalische Einstudierung seiner neuesten (und letzten) Oper LES CONTES D’HOFFMANN (HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN) bereits begonnen. Allerdings war die Oper zu diesem Zeitpunkt keineswegs fertiggestellt: im 4. Akt fehlte das Finale und der 5. Akt war so gut wie überhaupt nicht komponiert. Da man aber in Paris aus Werbezwecken schon einzelne Musiknummern aus dieser Oper aufgeführt hatte (darunter die „Barcarole“) und die Öffentlichkeit gespannt der Premiere entgegensah, wurde Ernest Guiraud beauftragt, das von Offenbach hinterlassene Material in eine spielbare Form zu bringen. Bis zur Premiere im Februar 1881 wurde mehrmals erheblich auch in die von Offenbach bereits fixierten Strukturen eingegriffen, so daß die Uraufführung nicht das „Werk“ vorstellte, sondern eine Fassung davon.‘
Quelle: http://www.theater.ulm.de/spielzeit_98_99/musiktheat…

Neuere Rekonstruktionsversuche wie die von Fritz Oeser (1978) und Michael Kaye (1999) stellen die (vermutlich) von Offenbach ursprünglich intendierte Aktreihenfolge Olympia - Antonia - Giulietta wieder her. Kaye beruft sich dabei u.a. auf das wiederaufgefundene Original-Libretto, das vor der Fertigstellung der Oper bei der Zensurbehörde eingereicht worden war.

Zur Fassung von Kaye: http://www.balticulture.de/kultur/Offenbach.html

Ich hoffe, damit sind die wichtigsten Fragen geklärt …

Grüße
Wolfgang

Hallo Wolfgang!
Herzlichen Dank für die ausführliche und absolut zufriedenstellende Antwort. Ich freue mich immer, wenn ich wieder ein Stückchen mehr Bescheid weiß und etwas dazu gelernt habe.
Hätte ich das alles selbst recherchieren müssen, wäre ich nicht so weit gekommen. Du hast mir wirklich sehr geholfen.
Liebe Grüße
Irene