Opferrolle und Angstmodus Trauma

Hallo zusammen,

weiß jemand, ob es einen Fachbegriff dafür gibt, wenn Menschen mit Traumahintergrund sich absolut NICHT als Opfer identifizieren können? Quasi das Gegenteil von „Opferrolle“.

Ebenfalls Fachbegriff und Traumahintergrund, wenn sich Menschen in einem permanenten Angstmodus befinden - vor allem der Körper? Eine „klassische“ Angststörung erscheint das Ausmaß bei dieser Person nicht widerspiegeln zu können.

Danke!

Hi, @konstantin44!
Bin kein Psychologe, aber kenne das wenn das Opfer den Täter nicht als Täter ansehen will; eher aus Mitleid über Sympathie bis hin zur Hingezogenheit, als eigentliches Opfer (der Umstände, der Gesellschaft, etc.) sieht.

Stichwort „Stockholm - Syndrom“

Ist nicht genau das, wonach Du gefragt hast, aber hilft vielleicht bei der Recherche.

Gruß, k.

Ich finde deine Frage interessant. Genauer finde ich interessant, wie du sie gestellt hat.
Du scheinst als Defizit zu sehen, wenn ein Mensch, der eine traumatische Erfahrung gemacht hat, sich nicht als Opfer identifiziert. Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Die traumatische Erfahrung ist Teil der Biografie. Sie oft nach dem Ereignis sehr raumgreifend bis hin dazu, dass sie im Extremfall zeitweise verunmöglicht, wieder in den Alltag zurückzukehren.
Dabei ist wichtig, das Geschehen auf der Zeitachse zu sehen: Der Mensch war Opfer. Er ist es aber nicht mehr. Mit dem Gefühl des Opferseins verbinden sich viele Aspekte und Gefühle, die daran hindern, in die Zukunft gerichtet wieder selbstbestimmt und aktiv leben zu können. Das sind Gefühle der Ohnmacht, des Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit, Vulnerabilität, Vertrauensverlust.
Es gehört zu einer Traumaverarbeitung, aus diesem Zustand rauszukommen. Dazu bedarf es eines stabilen, zugewandten Umfelds und ggf. professioneller Unterstützung. Mit Opferrolle meint man übrigens noch etwas ganz anderes. Den Begriff sollte man in dem Kontext gar nicht verwenden.

Möglicherweise ist der erste Eindruck falsch und deine Frage nur etwas unglücklich formuliert. Aber sie weist auf ein existierendes Problem: Sehr oft hat das Umfeld eine sehr große Erwartungshaltung, wie sich ein Opfer zu verhalten hat. Das gilt in beiden Richtungen. Verkürzt: Es darf nicht zu viel Opfer sein, weil es dann nervt. Zu wenig ist aber auch nicht gut. Da stimmt was nicht… Dieser enge Erwartungskorridor ist für Betroffene eine sehr hohe Belastung. Es erschwert danach zu sehen und zu erfühlen, was man selbst brauchen könnte. Damit ist es das Gegenteil von Selbstbestimmung, die so wichtig wäre.

Zu deiner zweiten Frage: Nach einem traumatischen Erlebnis pendeln Betroffene grob gesagt zwischen zwei Zuständen. Das so genannte Numbing ist ein Zustand der Verdrängung, der Gefühllosigkeit. Möglicherweise spielt das auch ein wenig in deine erste Frage hinein. Auf der anderen Seite steht der so genannte Hyperarousal, ein Zustand der massiven Übererregung, in dem die Ereignisse auf verschiedenen Ebenen sehr stark nach vorne drängen.

Diese Pendelbewegung, die sich manchmal sehr schnell innerhalb von Minuten, manchmal über Tage abspielen kann und im Lauf der Zeit immer weniger wird, ist ein völlig normaler Vorgang der Verarbeitung. Die Psyche versucht das, was erst einmal nicht zu fassen war und völlig überwältigt hat (das macht das Trauma aus), zu verarbeiten.

Wenn sich keine Pendelbewegung einstellt und ein Hyperarousal länger anhält, dann sollte das ein Anlass sein, sich externe Hilfe zu holen. Wobei ein Umfeld zunächst einmal unterstützen kann, indem es verständnisvoll präsent ist - und eben keine Erwartungen formuliert!

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