Hi Winni !
Hab schon gedacht, Du bist in den Quedlinburger-Domkeller gefallen !
Hallo, Ihr alle,
ehrlich gesagt wundere ich mich, daß so
eine Diskussion über den Umgang von West-
und Ostdeutschen hier im w-w-w so selten
vorkommt. Die Diskussion weiter unten um
den Quedlinburger Domschatz zeigt doch
ein
interessantes Konfliktpotential auf.
Besteht beiderseitiges Desinteresse?
Nein, nein. Habe nur gestern nicht reingeschaut. Außerdem möchte ich noch anmerken, daß ich bei der Diskussion mit Winni etwas überzeichnet habe.
Ich denke, daß das, was Du als
Desinteresse bezeichnest, teilweise
vielleicht auch aus Angst vor etwas
Fremden herrührt. Man hat eine
unterschiedliche Geschichte gehabt,
unterschiedliche Erfahrungen und,
gefördert durch Medien und Politiker, ein
Bild voneinander, welches für einen
ungezwungenen Umgang nicht gerade
förderlich ist.
Wer sich derart beeinflussen läßt, ist selbst schuld.
Ich als gebürtiger Wessi (aus Raum F) bin
mit dem Umzug nach Leipzig hochzufrieden
und möchte nie wieder' irgendwie
zurück’
(wieso auch?? wieso dieses Wort??). [Bin
übrigens nicht auf `eine große Liebe’
gestoßen o.dgl., das nur so als
Anmerkung]
Bei mir sieht es etwas anders aus: Als
„Ossi“, der in Quedlinburg aufgewachsen
ist, hat es mich nach Mannheim und Franken
verschlagen. Und will dann hier auch
erstmal bleiben. (auch keine Liebe,
sondern ich hab hier eben nen Job). Ich
bin größtenteils zufrieden, manche denken
noch an den Ossi, das unbekannte Wesen.
Das gibt sich bei intelligenten Menschen recht schnell. Die anderen kannst Du, im Osten sowie im Westen, ohnhin vergessen.
Von den vielen Erfahrungen, die ich hier
in L gemacht habe, sage ich nur weniges:
- Es gibt *wahrlich* bessere Gründe, die
DDR nicht zu lieben und nicht
herbeizuwünschen, als Schlaglöcher und
Plattenbau. Das sind die Dinge, die noch
jeder meiner `Westbesucher’ als erstes
und
störend bemerkt hat. Z.B. kann man die
Stasi-Herrschaft nur als gruslig
bezeichnen.
Ich bin mir sicher, daß kaum Ostbürger
die
DDR herbeiwünschen. Den Anteil der in
diesem Sinne Gestrigen bei der PDS halte
ich für ungefähr so irrelevant wie die
Nazis in der CDU/CSU. Für die
Extremwähler
gibt es ja noch die KPD und die REP.
Klar denkst Du Dir das so einfach, aber in
der DDR hatten wir fast Vollbeschäftigung.
Jeder hatte eine Aufgabe, seinen Platz in
der Gesellschaft, eine Existenz, die recht
sicher war.
Das ist Augenwischerei !
Die „Vollbeschäftigung“ in der DDR war staatlich herbeigebetet. Deshalb war die DDR auch am Schluß absolut pleite, oder warum denkt Ihr, konnte die WV überhaupt durchgeführt werden ?
Sich ein solch unwirtschaftliches und überlebensunfähiges System wieder herbeizuwünschen zeigt doch, welch Geistes Kinder da diskutieren.
Heute gibt es Gebiete, in
denen nicht mal 50% der arbeitsfähigen
Bevölkerung über den ersten Arbeitsmarkt
einen Job und damit eine halbwegs
gesicherte Existenz und eine Perspektive
haben.
Klar, da nun wirklich keiner mehr Steinkohle braucht. Dann muß man eben etwas anderes machen und vielleicht doch ein wenig Mobilität an den Tag legen.
Da sucht man dann Sündenböcke. Und
die Rechten nennen die Ausländer, und die
Linken schimpfen auf den Staat. Die
Perspektivlosigkeit hat der DVU den
Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt mitbeschert.
Weiterhin haben die ja einen agressiven
Wahlkampf betrieben, indem sie die Wähler
angeschrieben haben, und eine Perspektive
versprachen.
Man sieht, daß manche unserer neuen Mitbürger die Demokratie erst noch verstehen müssen…
- Der menschliche Umgangston der
Ostdeutschen ist wirklich angenehmer!
Beim
Anquatschen auf Parties oder im Cafe
verliert man schnell das Gefühl, sich
irgendwie ``gut’’ darstellen zu müssen.
Das stimmt absolut. Man wird zumeist schnell aufgenommen und freundlich behandelt.
Es
fehlt der geschäftsmäßige Unterton, an
dem
ich die meisten Wessis `entlarve’.
Dieser Unterton ist mir auch erst hier
aufgefallen.
Ein Kumpel aus Plauen hat mich genau darauf aufmerksam gemacht.
Der Umgangston gibt sich aber, früher hat
man mehr zusammengehalten, weil in der
Mangelwirtschaft nur Beziehungen zu einer
begehrten Ware geführt hatten. Man war
freundlich und das Gemeinschaftsgefühl
wurde über Organisationen eingeimpft.
Ansonsten wäre man eh in den Knast gekommen.
(übrigens, das selbe war schon unter
Hitler erfolgreich eingesetzt worden)
Du sagst es ja selbst. Also bitte hör mir mit der Verherrlichung der Blockwart-Mentalität auf.
Nun ist aber die Ellenbogengesellschaft
über viele hereingebrochen, so daß nach
und nach der gepflegte Umgang sich dem
Gesamt(West-)deutschen anpassen wird.
Nicht jeder Wessi ist mit dieser Einstellung unterwegs. Die Ellenbogentypen werden halt immer las erste gehört.
- In meiner Heimat führe ich die Rede
``Im Osten ist alles besser’’. Natürlich
ist das zu pauschalisierend, aber der
Wir-bringen-Euch-Eingeborenen-eine-besse
re-:Welt-Wessi, der in Quedlinburg zu
spät
kommt, irrt sich jedenfalls sehr.
Genau wie der „Mein Gott war das zu DDR-Zeiten alles gut“ - Ossi…
Nein, er ist durch den Augenschein dazu
verführt worden. Was hat er denn gesehen,
als er in Osten kam? Verfallene graue
Städte, Schlagloch-Straßen (Loch an Loch
und hält doch), und er meint, wir hätten
in den 40 Jahren eben nix dafür getan. Und
im Westen sind ja ach so blühende
Landschaften (im Osten gibt es auch
blühende Gewerbegebiete, besonders im
Frühjahr) und er meint, da0 die Ossis
nichts getan hätten, eben faul…
Daß ihnen aber vieles gar nicht möglich
war, ja von langer Hand (Berlin oder
Moskau) sogar stellenweise untersagt
worden war (es gab schon in den 70gern
Studien für nen Viertakter-Trabant und
Wartburg, die sich optisch noch heute mit
den aktuellen Fahrzeugen messen könnten,
aber er durfte nie in Serie hergestellt
werden. Know how wurde als
Reparationszahlungen nach Osten gebracht,
genauso wie Bodenschätze und Infrastruktur
(Eisenbahnschienen wurden demontiert)
Weiterhin mußten Rohstoffe zu teilweise
horrenden Preisen aus den Bruderländern
eingeführt werden, obwohl es auf dem
Weltmarkt preiswerter war.
Außerdem gab es im Westen ja den
Marshall-Plan, der dort Aufbauhilfe
leistete, im Osten wurde demontiert.
Siehste mal, was der Kommunismus für ein Dreckssystem ist.
Einer wird immer unterdrückt und ausgenommen, sonst funktioniert ein solches System nicht im Ansatz.
Es ist ja nicht nur das 100% digitale
Telefonnetz und der Ladenschluß. Immerhin
haben die Ossis 40 Jahre Müll endlich
loswerden können, während die Wessis von
ihrem mittlerweile 50 Jahre alten Müll
glauben, es wäre noch etwas
Nachahmenswertes.
Oben sagtest Du noch, daß viele der alten DDR hinterherweinen.
kein Wessi weint dem 3. Reich hinterher, schätze ich.
40 Jahre eigenen Müll gegen den Müll aus
dem Westen eingetauscht.
Was für ein schöner Satz.
Nur daß Ihr jetzt alle langsam anfangen würdet zu hungern, wenn sich nichts geändert hätte, das bedenkt niemand. Geht doch mal in den östl. Teil der ehem. Sowjetunion. Da verhungern russische Soldaten. Was glaubst Du wohl, hätte Rußland in solch schweren Zeiten mit der DDR gemacht ?
Ausgenommen hätte er den Laden und Ihr hättet darunter gelitten.
Negativ wirkten und wirken sich auch noch
andere Faktoren aus:
Nach der Wende kamen viele Glücksritter
aus dem Westen in Osten. Aus
Stadtverwaltungen wurden Leute, statt
entlassen zu werden wegen unfähigkeit als
Aufbauhelfer in Osten delegiert.
Westdeutsche Firmen kauften ostdeutsche
Firmen für nen Appel und ein Ei, um dann
die Produktion signifikant zu drosseln,
Know how abzutransportieren und im Osten
Arbeitsplätze zu vernichten (etwas krass,
aber wahr)
Und nicht universal. Es gab unbestritten derartige Fälle. Aber das wurde nicht durch die Wessis an sich, sondern durch einige wenige verbockt.
Außerdem war ja von Ostdeutscher Seite aus auch nicht viel los, oder ? Sonst hättet Ihr die Brüder doch heimschicken und Eure marode Wirtschaft selbst renovieren können. Aber halt: da muß ja dann der Staat ran. Eigeninitiative, hilfe !
Aber keine Angst. Das habt Ihr mit den meisten Wessis gemeinsam.
So, das war hoffentlich kräftig genug für
eine Diskussion.
Ich hoffe auch auf eine rege Diskussion
Gruß aus dem Wilden Osten
Stefan
Gruß aus dem gemütlichem Süden
Winni
Gruß aus der (politischen) Mitte,
Mathias