Pablo Neruda - Dein Lachen

Hallo!

Ich brauch mal eure Hilfe. Ich finde „Dein Lachen“ von Pablo Neruda (http://thesoulsmirror.insomnialuder.de/PabloNeruda/p…) ist ein total schönes Gedicht. Ich hab aber Probleme eine Stelle der ersten Strophe zu deuten. Was hat

Laß mir die Rosenblüte,
den Spritzstrahl, den Du versprühst,
dieses Wasser, das plötzlich
aufschießt in Deiner Freude,
die jähe Pflanzenwoge,
in der Du selbst zur Welt kommst.

zu bedeuten? Welcher Spritzstrahl und welche Pflanzenwoge sind denn da gemeint?

Grüße,
ZombieChe

PS: Nein, ich muss das Gedicht nicht als Hausaufgabe deuten, bin kein Schüler mehr :wink:

Die ÜbeLsetzung schreit zum Himmel!
Moin,

es ist nicht verwunderlich, wenn Du die Stelle nicht verstehst, weil der Übelsetzer da nämlich gequirlte Scheiße hoch drei verzapft hat. Ich dachte zunächst, der Betreiber der Seite hätte auf eine Art Raubübersetzung zurückgegriffen und ich habe zunächst eine bessere Übersetzung gesucht – aber nein, alle bedienen sich an der beschissenen Übelsetzung aus dem Luchterhand-Verlag. Dort steht zu allem Übel auch noch „Nimm mir das Boot“ statt „Nimm mir das Brot“, aber das haben zumindest einige Kopisten gemerkt http://www.randomhouse.de/specials/neruda/neruda02a.htm

Es ist einfach unfassbar, was man dem armen Neruda da angetan hat, ich krieg mich gar nicht mehr ein. Da hat ein bezahlter Übersetzer mit dem deutschen Dampfbügeleisen spanische Verse schlecht geplättet, der Lektor hat gepennt, und und und …

Selbst wenn Du kein Spanisch kannst, wir brauchen den spanischen Text, damit ich ihn (teilweise kommentierend) übersetzen kann, und zwar von Anfang an.

Quítame el pan, si quieres, - Nimm mir das Brot, wenn Du willst,
quítame el aire, pero --------- nimm mir die Luft, aber
no me quites tu risa. --------- nimm mir nicht dein Lachen

So, da haben wir schon den ersten Schnitzer. Neruda schreibt in Z.3 no me quites tu risa, übersetzt wird das mit laß mir Dein Lachen. Neruda hat dasselbe Verb dreimal benutzt, und das hat ein Übersetzer gefälligst zu beachten.
Diese Schludrigkeit führt er in der 1. Zeile der 2. Strophe fort.

In der 2. Strophe ist es schwierig, ein poetisches Bild für die 2. Zeile zu finden; aber für sowas wird ein Übersetzer schließlich bezahlt. Ich muss etwas weiter ausholen.

lanza“ ist das Teil am Ende eines Schlauchs, mit dem man den Durchfluss regelt; z.B. der Sprenger beim Gartenschlauch, die Zapfpistole an der Tankstelle. Ich lass „lanza“ stehen, weil mir kein „schönes“ Wort einfällt.
desgranar“ bedeutet, dass man dieses Ding öffnet und die Flüssigkeit austreten kann.
(In anderen Kontexten haben die Wörter andere Bedeutungen)

Der dickste Hammer ist die letzte Zeile. Dort steht nämlich „plata“, und das heißt Silber. Der Übelsetzer hat offensichtlich nicht nur zerebrale Probleme gehabt, sondern auch optische. Pflanze heißt „planta“, das steht aber nicht da.
Außerdem wird dort nicht die angesprochene Geliebte geboren, sondern dort entspringt die Welle aus Silber (nacer hat beide Bedeutungen).
Nun denn:

No me quites la rosa, ---- Nimm mir nicht die Rose
la lanza que desgranas, – la lanza die Du auslöst
el agua que de pronto ---- das Wasser, das plötzlich
estalla en tu alegría, — herausschießt in Deine Freude
la repentina ola --------- die plötzliche Welle aus Silber
de plata que te nace. ---- die aus dir entspringt

So, jetzt hast Du das Bild von der Woge des silberhellen Lachens der Frau, das sie mit weit geöffnetem Mund aus sich herausschießen lässt.

die jähe Pflanzenwoge, in der Du selbst zur Welt kommst – also nee! Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie oft ich heute morgen den Kopf geschüttelt habe.
Aber Du kannst dir sicher vorstellen, dass diese Stelle nicht die einzige Übeltat des Übelsetzers ist.

Schönes Wochenende!
Pit

Hallo Leuts,

es ist mir ein Bedürfnis, hier mit Gargas in den Klagechor einzustimmen.
„Schreit zum Himmel“ und „qequirlte Scheiße“ sind da fast noch Euphemismen. Das meine ich übrigens ohne jede Ironie.

In diesem Zusammenhang muss ich einfach mal loswerden, dass mir nicht ganz klar ist, wieso es teilweise gang und gäbe ist, dass Übersetzer so etwas ungestraft unters Volk bringen können und es anscheinend keiner merkt (oder nur viel zu wenige, und die nicht laut genug aufjaulen).
Ich habe dergleichen schon so oft erlebt, ich kann es gar nicht aufzählen.

Gerade gestern habe ich mir - auf Empfehlung - „Die Masken der Niedertracht“ (ein Sachbuch) von Marie-France Hirigoyen gekauft und gelesen.
Auch da bin ich aus dem Kopfschütteln nicht herausgekommen. Ich kenne das Original (noch) nicht, werde aber nicht umhinkommen, es zu kaufen.
Denn die deutsche Übersetzung ergibt an vielen Stellen überhaupt keinen Sinn. Manchmal konnte ich mir durch Rückübersetzung ins Französische (im Geiste) erschließen, was gemeint sein musste. Oft aber auch nicht.
Verflucht, das Ding war ein Bestseller! Wenn schon nicht die offenbar überarbeiteten Lektoren, so müssten doch wenigstens die Massen der deutschen Leser irgendwann mal merken, dass der Text an vielen Stellen im Deutschen schlicht unverständlich ist? Dass es also - wie auch bei Neruda - nicht „nur“ um stilistische oder semantische Feinheiheiten geht, sondern darum, dass das Resultat der Übersetzung beim Leser nur Unverständnis erzeugen kann.

Liebe Grüße

Dotimyself (die ratlos ist und das einfach mal loswerden musste)

3 Like

Hey!

Danke, dass du dir da so viel Mühe gegeben hast.

Ich hab mir von Pablo Neruda nen Gedichtband gekauft, da steht das Gedicht genauso drin. Sowas kann doch nicht sein. Ich bezahl Geld dafür, dass die die Gedichte so übersetzen… Da sind auch noch einige Stellen in anderen Gedichten, die mir genauso sinnlos erschienen.
Dass sie „lass mir dein Lachen“ schreiben, kann ich ja noch verstehn, ich finde es klingt besser, auch wenn es eigentlich falsch ist. „den Spritzstrahl, den Du versprühst,“ statt „die Spritze die du auslöst“ ist ja auch noch akzeptabel, da es den Sinn nicht so stark verändert. Aber der letzte Vers der Zeile ist ja einfach was komplett anderes.

No me quites la rosa, ---- Nimm mir nicht die Rose
la lanza que desgranas, – la lanza die Du auslöst
el agua que de pronto ---- das Wasser, das plötzlich
estalla en tu alegría, — herausschießt in Deine Freude
la repentina ola --------- die plötzliche Welle aus Silber
de plata que te nace. ---- die aus dir entspringt

So, jetzt hast Du das Bild von der Woge des silberhellen
Lachens der Frau, das sie mit weit geöffnetem Mund aus sich
herausschießen lässt.

Schön formuliert :wink:
Also sagt diese Strophe zusammengefasst nur „nimm mir nicht die Rose und nimm mir nicht (mit Umschreibung als Wasser und Welle aus Silber) dein Lachen“?

Schönes Wochenende!

danke, dir auch
ZombieChe

Hallo,

ja, ihr beide schreibt mir aus der Seele (es war irgendwann auch schon mal Thema bei w-w-w).

Gerade bei Gedichten sollte man doch meinen, dass es massig Beschwerden geben sollte.
Ich meine, wenn in einem Krimi manche Übersetzungen falsch sind (und man weiß genau, was falsch ist, weil man direkt im Kopf hat, was in der Originalsprache wohl gestanden hat und dass das wortwörtlich übersetzt wurde), ist das noch was ganz anderes, als wenn in einem Gedicht Übersetzungsfehler sind! Und erstere nerven mich teilweise schon total.
ich glaube, ich würde mich beim Heimat-Verlag Nerudas und hier beim deutschen Verlag beschweren…)

Naja, es muss schnell gehen und billig sein… leider auch bei Übersetzungen. Kann ich teilweise nachvollziehen, am allerwenigsten aber bei Sachbüchern und Gedichten.

Gruß
Shannon

Silberhelles Lachen
Moin,

ich denke schon, dass das Bild des aufsprühenden Wasserstrahls und der silbernen Welle nur für das Lachen der Frau steht, das sie ihm lassen soll.
Hinter diesem Bild könnten auch geradezu sexuelle Anspielungen versteckt sein:
Rose - Vulva
lanza - Spritzdüse - Penis
desgranar kann auch enthülsen, aufplatzen bedeuten
Welle aus Silber - Welle der Lust

Aber angesichts der gesamten Stimmung des Gedichts glaube ich das eher nicht.

Danke, dass du dir da so viel Mühe gegeben hast.

Die Mühe musste Neruda mir wert sein. Für einen Songtext hätte ich nicht in so vielen Wörterbüchern gesucht :wink:

Grüße
Pit

1 Like

Ich weiß noch was :wink:
Du sagst, dass sich Dir bestimmte Bilder nicht erschließen.
Das muss nicht unbedingt an einer schlechten Übersetzung liegen sondern es kann auch dadurch bedingt sein, dass Lateinamerika eine andere Welt ist als Europa.
Eine andere Welt schafft andere Bilder, Vergleiche, Metaphern, die uns Europäern fremd sind – das habe ich oft genug beim Lesen lateinamerikanischer Literatur spüren müssen, oder besser: erfahren dürfen.

Bei Neruda kommt hinzu, dass viele seiner frühen Werke ohnehin schwer verständlich sind, und dass er zur dichterischen Avantgarde gehörte:
„Auch die Syntax ist geordnet, umgangssprachlich, einfach. Vergleiche, Bilder und Metaphern hingegen erschließen sich schwer, sind synästhetisch gebraucht, das heißt, aus verschiedenen Wahrnehmungsbereichen geholt und doch miteinander verknüpft, sie scheinen unvereinbar, paradox, wirken bedrängend in ihrer Anhäufung.
Weil sich hier durchgehend ein mit sich identisches »Ich« findet, weil auch die syntaktische und grammatische Form nicht zerbricht, ist Neruda kein entschlossener Avantgardist. Indem er aber immer mehr dazu neigt, Metaphern absolut zu verwenden, bedient er sich zugleich eines der wichtigsten Mittel der avantgardistischen Dichtung der zwanziger Jahre.“
http://www.randomhouse.de/specials/neruda/neruda01a.htm

Bei Verständnisproblemen kannst Du versuchen, die englische Übersetzung zu Rate zu ziehen. Wenn Du die verstehst, hat wahrscheinlich der deutsche Übersetzer das Problem verursacht. Wenn Du die ebenfalls nicht verstehst, dann hat wohl Neruda sich zu verschlüsselt ausgedrückt, oder der englische Übersetzer stand ebenfalls auf dem Schlauch. Dann fragst Du halt nochmal hier :wink:

Der Rest der Übersetzung von „Dein Lachen“ ist übrigens ganz in Ordnung, bis auf zwei Zeilen ganz am Ende.
Dort greift der Übersetzer wieder zu der Formulierung „nimm mir das Brot, die Luft, …“. Im Original steht dort allerdings „niégame el pan, el aire, …“; das heißt „verweigere mir das Brot, die Luft“ und drückt etwas ganz Anderes aus als „nimm mir“.

wenn meine Schritte fortgehn,
wenn sie dann wiederkommen,
nimm mir das Brot, die Luft,
nimm mir das Licht, den Frühling,
aber niemals Dein Lachen,
denn sonst würde ich sterben.

cuando mis pasos van,
cuando vuelven mis pasos,
niégame el pan, el aire,
la luz, la primavera,
pero tu risa nunca
porque me moriría.

Grüße
Pit