Papa bekommt seinen Sohn

Hallo,

aber hier mal ein vielleicht selteneres Problem. Die Geschichte (ohne Wertung):

Trennung als mein Sohn 7 Monate alt war, danach sah ich ihn ein Jahr nicht mehr. Dann zog sie ins Ausland, seitdem kann ich ihn maximal 14 Tage im Jahr sehen (entweder ich fliege hin oder sie ist in Deutschland, sind runde 4000km Abstand). Ich habe kaum eine emotionale Bindung zu ihm, zu lange sehe ich ihn nicht, obwohl ich regelmäßig Telefon- und Skypekontakt habe. Er sieht den Vater als Menschen an, der eben ab und zu mal da ist, völlig normal für ihn. Aber nicht für mich, tut hier nix zur Sache. Nun ist er 6 Jahre alt, geht zur Schule. Und ich kann ihn für dieses Weihnachten 3 Tage bekommen.

Was fange ich mit ihm an? Ich weiß, es klingt blöd. Er ist mein Sohn, ich liebe ihn, doch das tut in mir sehr weh. Doch die Kindheit im Zeitraffer vertrage ich nicht, mir fehlt die Erfahrung. Ich möchte ihm seine Wünsche erfüllen, ohne der "Gebe"Papi zu sein, der nette Mann, den er kennt. Mir fehlt die Phantasie, ich bin wirklich unsicher, unerfahren. Es ist mein Sohn, den ich nicht kenne, aber liebe.

Er ist lebhaft, ideenreich, will Action. Aber er ist eben auch schnell beleidigt, trotzig. Am Montag darf ich ihn mir holen und ich habe echt Bammel davor. Nicht vor ihm, sondern vor meiner Angst. Die paar Tage und Nächte sollen schön sein. Ich habe Angst zu versagen, ihm kein richtiger Vater zu sein.

Gruß
Selorius

Hallo Selorius,

vielleicht kannst du ihm genau das sagen? Dass du dich sehr freust, wenn er bei dir ist, aber dass du nicht genau weißt, wie ihr beide das anstellen könnt, damit es für euch eine schöne Zeit wird.

Frag’ ihn, was er sich wünscht, wenn ihr zusammen seid. Ich bin ziemlich sicher, dass auch ein 6-Jähriger durchaus seine Vorstellungen davon hat, wie er sich die seltene Zeit mit seinem Vater wünschen würde. Und: Ich könnte mir gut vorstellen, dass es für ihn keineswegs so selbstverständlich und einfach ist, für ein paar Tage bei dir zu sein. Immerhin seht ihr euch sehr selten.

Also gibt es da vielleicht auch Ängste und Unsicherheiten - und wenn nicht, vermittelt ein entsprechendes Interesse von deiner Seite vielleicht ein wenig das Gefühl, nicht nur auf Sonnenscheinkurs sein zu müssen, sondern auch ein Stückchen Alltag leben zu können.

In jedem Fall halte ich es für eine gute Idee, dir ernsthaft anzuhören, was dein Sohn dir zu sagen hat. Und wenn du ihn auch ein wenig an deinen Unsicherheiten teilhaben lässt, schafft das mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Nähe, als wenn du für ihn die Welt aus den Angeln hebst.

Wenn du schöne Erinnerungen an das Weihnachten deiner Kindheit hast, könnte auch das möglicherweise etwas sein, was du mit ihm teilen könntest. Etwas über dich zu erfahren, kann ein sehr kostbares Geschenk für einen kleinen Jungen sein, der seinen Vater kaum kennt.

Schöne Grüße,
Jule

das klingt hart
morgen!

Die Story ist echt hart, aber ich finds gut, dass Du nicht aufgibst und Dir Gedanken drüber machst, wie Du die Situation am besten gestalten kannst.

Mein Tipp für 3 Tage mit einem 6jährigen: Nimm Dir Zeit für ihn, viel mehr ist gar nicht gefragt. Wenn ich so an meinen Sohn denke, der ist am glücklichsten, wenn wir uns einfach mit ihm beschäftigen. Was, ist schon fast egal.
Ein paar Ideen: Zusammen einkaufen und kochen, Schlitten fahren, basteln, Lego bauen, malen, Schneeballschlacht, Schneeburg bauen. Vorlesen, erzählen lassen, rumblödeln, zusammen Hörspiel hören (Ritter Rost steht bei 6jährigen meist hoch im Kurs, dazu gibt es auch Bücher zum Mitlesen und Bilder gucken, einfach spazierengehen durch Wald und Flur oder in die Stadt, wenn es etwas besonderes für ihn ist: S- und U-Bahn fahren oder mit der Tram oder dem Bus kreuz und quer durch die Stadt, Würfelspiele, hauptsache: zusammen.

Das wird, nicht verkrampfen, ein 6jähriger kann schon deutlich sagen, was er gern machen möchte. Steh zu deiner Unsicherheit, wie Jule schon schrieb, sag ihm ruhig, dass das für Dich eine merkwürdige Situation ist und wie sehr Du Dich freust auf die gemeinsame Zeit.

Schöne Weihnachten!

Grüße
kernig

meine spontanen Gedanken dazu
Hi Selorius,

echt schwierig… und eine Patentlösung wird’s wohl nicht geben.

Jedefalls meine ich, dass Du nicht unbedingt was falsch machst, wenn Du genau das tust, was Du willst.
Drei Tage ist ewig und gleichzeitig verdammt kurz. Nur auf Harmonie bedacht sein - das wäre Papa-Untypisch. Auf der anderen Seite: hey, der Kleine solls gut haben.

Jedenfalls bist Du kein richtiger Papa. Also veruch es dann gar nicht erst - ihm gegenüber würde ich das gar nicht erst großartig erwähnen - also so Sprüche wie „schließlich bin ich dein Papa“. Ich würd eher versuchen, ihm ein Freund zu werden. Ein besonderer eben. Auch erzieherisch - gar nicht erst versuchen einzugreifen, einfach nur den eigenen Claim abstecken und „bei mir nicht“ als Argument entgegenstellen.

Ansonsten: hab Spaß, dann hat der Kleine auch Spaß, lachen steckt an.

Nochwas: es wäre gut, wenn ihr etwas habt, was Euch dann verbindet… vielleicht ein Armband (jeder das gleiche), eine Kette, einen Schlüsselanhänger, T-Shirt, Schal… egal, aber er weiß: Papa hat dann das selbe

Viel Glück und erfolg

LG
Ce

Hallo,

die drei Tage sind ja nun fast vorbei und ich hoffe, ihr hattet eine schöne Zeit zusammen!

Für diese 3 Tage kann ich dir natürlich nu nix mehr schreiben, aber vielleicht ein Beispiel für die Zukunft:
Bei meinem Ältesten war es genauso: er hat praktisch das Zusammenleben mit seinem Vater nie kennen gelernt.
Und er sieht ihn heute auch nicht richtig als seinen Vater an (eher als biologischen, mehr nicht).

Das liegt vor allem an einem:
Mein Ex wohnte auch sehr weit weg und hatte nie richtig die Möglichkeit, seinen Sohn zu sehen.
Da ist es natürlich schwer, eine Bindung herzustellen, das ist ja klar und ich kann mir auch vorstellen, wie schwierig so eine Situation für einen Vater ist.

Mein Sohn vermisst an seinem Vater, dass er nie ein Vater war: dass er in ihm keinen Rückhalt sieht oder einen Ansprechpartner.

Deshalb wäre das etwas, was ich machen würde: ihm vermitteln, dass ich sein Vater sei und immer für ihn ansprechbar. Komme, was wolle. Und das hat natürlich nichts mit Wochenend-Vater oder Materiellem zu tun.

Die Beziehung zwischen meinem Sohn und seinem Vater hatte sich zwischenzeitlich mal gebessert, als der Vater genau so gehandelt hatte. Er hat es allerdings nicht konsequent durchgezogen und ihn manchmal hängen lassen. Er hat sich nicht an Absprachen gehalten.
Und das war dann ein wirklicher Knackpunkt, den mein Sohn, der heute 27 Jahre alt ist, wieder auf Abstand gebracht hat.

Man muss also nicht nebeneinander wohnen oder denken, es gehöre Geld dazu… man muss „nur“ Ansprechpartner und Rückhalt sein.

Just my 2 cents,
Gruß
Shannon