pappmaché und chemie

Hallo Chemieexperten,

ich habe im netz ein Projekt von einem brasilianischen Designer gefunden, der wunderschöne Sachen mit Pappmaché aus alten Kartons macht. Er verwendet dabei eine ganz glatte, tonähnliche Masse. All meine Versuche bisher mit einweichen, kochen und pürieren ergeben aber die üblich körnige Pappbreimasse, die man aus Kindergartenbasteleien kennt. Frage: Gibt es eventuell einen ungiftigen chemischen Prozess, der hilft, die Pappe in einen ganz feinen Brei aufzulösen?

bin sehr gespannt auf Antworten, vielen Dank und gruss

Kerstin

Hallo Kerstin,

womit hast Du püriert?!

Mit einem kräftigen! Mixstab sollte man zumindestens eine bessere Konsistenz kriegen.
Dann noch etwas Kaolin oder Schlemmkreide und ev. Knochenleim (nicht zuviel davon!) dazu und es sollte klappen.
Die Mengen müßtest Du durch Versuche herauskriegen.

Gandalf

Hallo Gandalf,

vielen Dank für Deine Antwort. Der Designer heist übrigens Domingos Tótora und die Sachen sind so derartig milimeterfein geformt, dass mir so der Verdacht kommt, da steckt noch ein anderer Trick dahinter. Ich habe mit unserer Küchenmaschine gemixt aber wirkich sehr gründlich. Das mit der Porzellanerde ist ein guter Tipp, danke.

gruss Kerstin

Hallo

Was auch gehen könnte, wäre ein Ultraschallreiniger.
Alle chemikalischen Methoden lösen Cellulose zur Gänze auf und dann kann man es auch nicht anfassen.
Ich würde auch mal einen Mixer mit Messern probieren, aber da legen sich die Fasern eventuell einfach um die Schneiden.
Eine Mühle ist wohl auch nicht einfach zu besorgen.
Ein geeignetes Bindemittel ist nach meiner Meinung Tapetenkleister.

Mfg
Matthias

Liebe Kerstin,

„Pappe“ bzw. „Karton“ sind nicht so ganz einfache Themen.
Deine Probleme beim Aufschlagen1 können mehrere Ursachen haben.
Da ist zum Einen die Wahl des Arbeitsgeräts. Ich würde dringend zu einem Mixer raten, wie er auch für Milchshakes benutzt wird, das sind so hohe Glasaufsätze mit schnellaufendem Messerkreuz am Boden.
Zum anderen gibt es jede Menge verschiedener Kartons und Pappen, schau mal hier: http://www.kartonagen.de/lexikon.php
Probleme können machen:

  1. Strich
    *Gestrichenes Papier sind mit einer Farbe beschichtet, deren Rezeptur sehr an eine Dispersionsfarbe erinnert. Der Strich deckt und verschließt die Oberfläche, es ergeben sich glatte, oft glänzende und hochweiße Flächen. Dummerweise lassen sich Streichfarben kaum wieder in Wasser dispergieren
  2. *Geklebte Papiere
    Kartons können durch Verkleben von EInzellagen hergestellt werden. Diese Verklebungh löst sich nur schlecht in Wasser, im Gegensatz zu Kartons, die durch sog. *gautschen entstehen
  3. *Geleimte Papiere
    Enthalten diverse (Harz-)Leime, die sie widerstandsfähiger gegen Wasser machen
  4. *Nassfeste Papiere
    Sind besonders auf Festigkeit nach Wasseraufnahme getrimmt – und daher schlecht aufschlagbar

Was tun?
Mein Rat wäre: Nimm Eierkartons, die sind wenig geleimt, nicht gestrichen und eine der einfachsten Pappen, die es gibt. Dazu sind sie kostenlos zu bekommen.
In kleine Stückchen zerreißen und mit Wasser aufschlagen, ggf. mit WENIG Wasserstoffperoxid bleichen und mit etwas Calciumcarbonat (vulgo: Schlämmkreide) nachweißen. Der Papierbrei wird beim Trocknen noch deutlich weißer, als er es im Nassen ist (Dry-hiding, Trocken*opazität). Auch kann man nach dem Modellieren mit Dispersionsfarbe streichen.

Gruß
BeLa

1 : so nennt der Papiermacher das Dispergieren von Fasern bei der Herstellung der Pulpe, also der Faser/Wasser-Aufschlämmung

* Alle Begriffe, VOR denen ein Sternchen steht, kannst Du hier nachschlagen: http://www.producerworld.de/wDeutsch/glossar/index.p…

Ich bedanke mich sehr für die ausführlichen Antworten!!
Dann scheint also eher die Physik die Lösung zu sein, oder?
Ich hoffe, ich kann bald mal ein Ultraschallexperiment machen, dann werde ich berichten. Es geht um eine Lösung für ein Designprojekt mit Behinderten. Ich habe den Anspruch etwas entstehen zu lassen, was nicht nur aus Mitleid gekauft wird, und da wäre es schön, wenn das Ausgangsmaterial so perfekt (und günstig und ökologisch) wie möglich ist.

Gruß Kerstin