im Buch „The Music of the Primes“ von Marcus du Sautoy wird an einer Stelle der folgende (mögliche) Beweis der riemannschen Hypothese erwähnt:
Man nehme an, es werde bewiesen, dass die Riemann-Hypothese im Sinne Gödels nicht zu entscheiden ist (also dass man sie weder belegen noch widerlegen kann). Mir ist bewusst, dass dies auch noch nicht bewiesen wurde, aber es ist hier ein Gedankenspiel.
Entweder sie ist wahr und wir können sie nicht beweisen.
Oder aber sie ist falsch und wir können sie nicht beweisen.
Wenn sie allerdings falsch ist, gibt es eine Null abseits der 1/2-Linie, die wir verwenden können, um zu beweisen, dass sie falsch ist.
Daher kann sie nicht falsch sein, ohne dass wir beweisen können, dass sie falsch ist.
Daher muss die Riemann-Hypothese wahr sein.
Dementsprechend würde der Beweis, dass die Hypothese unbeweisbar ist, die Hypothese beweisen.
Das klingt für meinen Kollegen und mich wie ein Widerspruch in sich selbst; die zwei Möglichkeiten, die uns einfallen, sind
dass der obige Beweis einen Fehler beinhaltet, oder
dass man nicht einmal beweisen kann, dass die Hypothese unentscheidbar ist, da sonst der Beweis sich in ein Gegenbeispiel verwandeln und sich selbst widerlegen würde.
Welches der beiden ist es? Oder haben wir etwas übersehen?
Interessante Frage, über die ich auch schon nachgedacht hatte. Eure Argumentation ist korrekt, bis auf den letzten Schritt. Dort liegt meiner Meinung nach der Fehler in eurer Schlussfolgerung.
Es geht los mit:
Man nehme an, es werde bewiesen, dass die Riemann-Hypothese im
Sinne Gödels nicht zu entscheiden ist.
Das würde ich erstmal umformulieren in:
— Angenommen, die Riemann-Hypothese ist nicht entscheidbar. —
Also unabhängig von einem möglicherweise erbrachten/zu erbringenden Beweis.
Dann argumentiert ihr ein bisschen (alles richtig) und dann findet ihr einen Widerspruch. Aus diesem kann dann aber nur gefolgert werden, dass die ursprüngliche Annahme (die Riemann-Hypothese ist unentscheidbar) falsch sein muss. Es kann nicht folgen, dass die Hypothese war ist.
Soviel zu eurer Argumentation. Ich bin auch der Meinung, dass die Riemann-Hypothese entscheidbar ist. Die Menge der Nullstellen mit Realteil 1/2 ist eine Teilmenge der komplexen Zahlen. Diese Menge ist entweder leer oder sie ist es nicht.
Allerdings scheint an der Vermutung, dass die Hypothese unentscheidbar ist, tatsächlich etwas dran zu sein. Sonst würde das nicht immer wieder thematisiert werden, wenn sich doch solch einfache Beweise für die Entscheidbarkeit finden lassen.
Ich hoffe also, dass ich in meiner Argumentation nicht auch einen Denkfehler habe Und dass ihn mir jemand zeigt, falls er da ist.
Halt, was hab ich da geschrieben?!
Ich meine natürlich die Menge der nichttrivialen Nullstellen welche Realteil ungleich 1/2 haben. Nicht die Menge der Nullstellen mit Realteil 1/2. Dass die unendlich ist, ist ja bekannt.
eure Argumentation zeigt lediglich, dass die Aussage „Die Riemann-Hypothese ist unentscheidbar“ zu einem Widerspruch führt. Demnach ist die Riemann-Hypothese entscheidbar, und daher ist es natürlich auch unmöglich zu beweisen, dass sie unentscheidbar ist.
Mit der Frage ob die Riemann-Hypothese wahr oder falsch ist, hat das alles nichts zu tun, außer, dass man weiß, dass eines von beiden bewiesen werden kann.
Interessante Frage übrigens.
Um konkret auf deinen post zu antworten
Dementsprechend würde der Beweis, dass die Hypothese
unbeweisbar ist, die Hypothese beweisen.
Das klingt für meinen Kollegen und mich wie ein Widerspruch
Richtig, denn das wäre ja auch ein Widerspruch. Deshalb wird sich ein solcher Beweis nicht finden lassen.
meiner Ansicht nach steckt ein wesentlicher Fehler hier:
Wenn sie allerdings falsch ist, gibt es eine Null abseits der
1/2-Linie , die wir verwenden können, um zu beweisen,
dass sie falsch ist.
Selbst wenn so ein Gegenbeispiel existieren sollte, das man für einen Beweis verwenden könnte, was macht euch an dieser Stelle so sicher, dass es einfach ist (oder möglich), es zu finden?
meiner Ansicht nach steckt ein wesentlicher Fehler hier:
Wenn sie allerdings falsch ist, gibt es eine Null abseits der
1/2-Linie , die wir verwenden können, um zu beweisen,
dass sie falsch ist.
Selbst wenn so ein Gegenbeispiel existieren sollte, das man
für einen Beweis verwenden könnte, was macht euch an dieser
Stelle so sicher, dass es einfach ist (oder möglich), es zu
finden?
Nun ja, die Hypothese ist nur dann falsch, wenn ein Gegenbeispiel existiert - und wenn es existiert, kann man es (früher oder später) finden, oder? Entweder man findet die abseits liegende Nullstelle direkt, was irgendwann passieren muss (wenn man unendlich Zeit annimmt) oder man beweist, dass sie existiert. Ein nicht auffindbares Gegenbeispiel wäre interessant, weil kein Gegenbeispiel.
Das heißt, dieser Beweis (der wie gesagt übrigens nicht von mir stammt, sondern von Marcus du Sautoy) beweist lediglich, dass die Riemann-Hypothese beweis- bzw, widerlegbar ist, nicht dass ein Unentscheidbarkeitsbeweis erzwingt, dass sie wahr ist. Oder?
Wenn sie allerdings falsch ist, gibt es eine Null abseits der
1/2-Linie, die wir verwenden können, um zu beweisen,
dass sie falsch ist.
Ich denke, schon die Formulierung „unter der Voraussetzung, dass eine Aussage falsch ist, kann man beweisen, dass sie falsch ist“ ist schon eine Tautologie, die eigentlich garnichts aussagt.
Wenn sie allerdings falsch ist, gibt es eine Null abseits der
1/2-Linie, die wir verwenden können, um zu beweisen,
dass sie falsch ist.
Ich denke, schon die Formulierung „unter der Voraussetzung,
dass eine Aussage falsch ist, kann man beweisen, dass sie
falsch ist“ ist schon eine Tautologie, die eigentlich
garnichts aussagt.
Darum geht es doch gar nicht; die Voraussetzung ist die Unbeweisbarkeit, und wir betrachten die zwei (davon unabhängigen) Möglichkeiten: Wenn sie falsch wäre, könnten wir das beweisen, daher würde das der Unbeweisbarkeit widersprechen. Es geht darum, ob man beweisen kann, dass sie falsch ist, nicht darum, dass sie falsch ist.
Nun ja, die Hypothese ist nur dann falsch, wenn ein
Gegenbeispiel existiert - und wenn es existiert, kann man es
(früher oder später) finden, oder? Entweder man findet die
abseits liegende Nullstelle direkt, was irgendwann passieren
muss (wenn man unendlich Zeit annimmt)
Wie? Der Definitionsbereich ist überabzahlbar, d.h. auch „unendlich lange“ Zeit reicht nicht, ihn zu durchsuchen.
oder man beweist, dass sie existiert
Deine Annahme war, dass dies nicht möglich ist.
Das ist durchaus die Stelle, wo der Fehler liegt.
Du argumentierst so:
Annahme: der Satz ist falsch und es ist nicht möglich, dies zu beweisen.
Folgerung: da der Satz falsch ist, kann ich ein Gegenbeispiel finden. Dieses Gegenbeispiel ist der Beweis, dass der Satz falsch ist, d.h. es ist *doch* möglich, es zu beweisen. Die Annahme führt zu einem Widerspruch.
Der unterstrichene Teil widerspricht aber bereits der Annahme.
Das ist durchaus die Stelle, wo der Fehler liegt.
Du argumentierst so:
danke für den ausführlichen Beistand. Das (und die „Durchsuchbarkeit“ einer überabzählbaren Menge) ist genau der Punkt, den ich vorhin nur in aller Kürze andeuten konnte.
Das heißt, dieser Beweis (der wie gesagt übrigens nicht von
mir stammt, sondern von Marcus du Sautoy) beweist lediglich,
dass die Riemann-Hypothese beweis- bzw, widerlegbar ist, nicht
dass ein Unentscheidbarkeitsbeweis erzwingt, dass sie wahr
ist. Oder?
Naja, die Argumentation beweist schon, dass ein Unentscheidbarkeitsbeweis die Riemann-Hypothese beweisen würde. Das aber wiederum beweist, dass es so einen Unentscheidbarkeitsbeweis nicht geben kann.