Paravent/Spanische Wand

Hallo
Wer weiss, weshalb der Paravent auch „Spanische Wand“ genannt
wird? Gibt es dazu eine (Entstehungs-)Geschichte?
Ich weiss bisher nur, dass die Bedeutung ursprünglich „gegen den
Wind“ bedeutet und dass man ihn zum Schutz vor Wind z.B. vor dem
Kamin nutzte. Über mehr Info wäre ich sehr sehr dankbar!
Anita.

folgendes
fand ich in einem Programmheft - hilft Dir das weiter?

_Paravent - Nomen est omen

Such ich im Wörterbuch nach dem Wort »Paravento«, so find ich: »Spanische Wand, zusammenlegbar, aus bespanntem Holzrahmen oder Rohrstäben, Holzleisten, durch Scharniere oder Gurte miteinander verbunden«.
Teatro Paravento nannten vier Thespisjünger ihre Compagnia, die sie vor 17 Jahren tollkühn, voll jugendlichem Enthusiasmus gründeten. Damals ahnten die vier wohl kaum, auf was sie sich da eingelassen hatten. Sie wollten einfach Theater spielen, ein Publikum finden, unterhalten und damit auch ihren Lebensunterhalt finanzieren.
Nomen est omen! Eine spanische Wand musste genügen, zusammenlegbare Holzrahmen, mit phantasievoll bemalter Leinwand bespannt, sollten die Zuschauer in freudige Erwartung versetzen. Der grosse Zauber aber, der letztlich über Gelingen und damit über Sein oder Nichtsein einer Theatertruppe entscheidet, der musste von den Schauspielern ausgehen.
Ein Paravent, ein Vorhang trennt zwei Welten. Die eine ist die theatralische, die Welt des Scheins, die andere die beinharte Wirklichkeit, die Welt des Seins. Wird der Paravent zusammengeklappt, beiseite gestellt, der Vorhang hochgezogen, schlägt die Stunde der Wahrheit. Kommen die beiden so verschiedenen Welten für die Dauer einer Vorstellung zusammen? Finden sie sich in einer innigen Umarmung? Das Publikum sitzt da, erwartungsvoll, aufnahmebereit, vielleicht auch von des Tages Mühen überfordert, müde, misstrauisch. Und die Schauspieler - voller Spannung, Tatendrang - wollen die Zuschauer erobern. Auf diesen Augenblick, diese entscheidende Begegnung zwischen Zuschauer und Akteuren arbeiten die Mitglieder der Compagnia Teatro Paravento tagtäglich während vieler Stunden hin.
Vor einigen Jahren flatterten mir die ersten werbenden Briefe dieser Truppe aus Locarno auf den Schreibtisch. Wohl habe ich sie zur Kenntnis genommen, doch, ich bekenne es heute freimütig, nur flüchtig. Sicher, der Briefkopf war sympathisch, der Name etwas ungewöhnlich und geheimnisvoll, aber wenn man das Jahr hindurch hundert verschiedene Aufführungen sieht, wird man mit der Zeit ein »harter Knochen«, eher skeptisch, man sucht nach Aussergewöhlichem, auch Spektakulärem.
Ich glaube immer weniger an Zufälle. Dinge, die passieren müssen, passieren auch. So lockte mich das Schicksal eines Abends in Zürich in eine Schulaula. Theater sollte da gespielt werden, Carlos Goldinis »Servitore di due padroni« gespielt von der Compagnia Teatro Paravento. Und an diesem Abend hat es bei mir »klick« gemacht. Ich wusste gleich zu Beginn der Vorstellung: »Diesen Servitore musst du dir in dein Theater holen.« Das war der Beginn einer Freundschaft.
Die neu geknüpfte Verbindung führte zu weiteren Vorstellungen. Jetzt, ein paar Jahre später, kommt es zum zweiten Mal zu einer engen Zusammenarbeit. Bei der neuen, zweisprachigen Produktion »Carnevale - die italienische Reise des Dr. Faust« ist meine Mitarbeit anspruchsvoller, denn hier geht es um wichtige deutsche Textpassagen. Ich bin glücklich, den Kollegen behilflich sein zu können.
Seit 45 Jahren arbeite ich als Schauspieler, Regisseur und Übersetzer. Doch an jedem Probentag von »Carnevale« staune ich von neuem, mit wieviel Einsatz, Können, Begeisterung diese Truppe arbeitet. Jede neue Idee wird interessiert aufgenommen, diskutiert, geprüft und - wenn brauchbar - verwendet. Nicht nur solides schauspielerisches Handwerk ist da gefragt, nein, auch handwerkliches und organisatorisches Können ist Voraussetzung.
Jetzt, da ich dies schreibe, habe ich für meinen Teil der Mitarbeit noch vier Tage vor mir. Ich hab sie mir in meinem Kalender rot angezeichnet, diese vier Tage, denn sie vermitteln mir das, wofür ich zum Theater gegangen bin: den Willen, den Mitmenschen etwas zu vermitteln, an ihrem Leben Anteil zu nehmen, mit ihnen zu trauern, sie zu trösten, aber auch mit ihnen zu lachen.
Alex Freihart
Theater am Stadtgarten, Winterthur_