Parlamentswahlen in der Schweiz

In der Schweiz fanden gestern (24.Okt.) die nationalen Parlamentswahlen statt. Dabei gab es einen „erdrutschartigen“ Sieg der rechtskonservativen Schweiz. Volkspartei (SVP), deren Programm kurz gesagt aus „keine Auslaender, keine EU, keine Steuern“ besteht (von 14.9% auf 21.1%). Das sind fuer Schweizer Verhaeltnisse riesige Gewinne.
Die Sozialdemokraten (SPS, 21.5%) sind nach wie vor die staerkste Partei. Siehe z.B.

http://www.newswindow.ch/wahlen/artikel/ch/ch_nr.shtml

Diese neue Konstellation wird schwerwiegende Probleme bei der Zusammensetzung der bisherigen 4-Parteien-Konkordanz-Regierung ergeben, weil die SVP nun auf mehr Bundesrats- (=Minister) Sitze pochen wird, was sie aber wahrscheinlich kaum durchsetzen kann.

Was ich eigentlich mit diesem Posting herausfinden moechte, ist, welchen Eindruck die Schweiz im „Ausland“ (d.h. in Deutschland, wo wohl die meisten wer-weiss-was User herkommen oder sonstwo) im Allgemeinen hinterlaesst, und im Speziellen, wie man auf dieses meiner persoenlichen Meinung nach bedenkliche Wahlresultat reagiert.

Matthias

Hello Matthias,

als Schweiz-Kenner finde ich diese Entwicklung genauso bedenklich wie
jene beim Nachbarn Oessterreich.

Leider beweisen sich die " Buenzlis " nunmehr stockkonservativer als angenommen und isolieren sich zuhends weiter.

Damit hat sich denn auch die internationale Ausrichtung generell und im wirtschaftlichen Bereich besonders, verabschiedet und manoeveriert auf dem Abstellgleis.

Schade um die schoene Schweiz.

Tschau
Tom
USA

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DAs wird in Deutschland nicht anders aussehen, wenn sich die REchten hier als Wölfe im Schafspelz verkleiden würden.
Zum Glück sind die aber nciht einmal sich selbst grün.
Die anderen Parteien haben gründlich versagt.
Dumme Leute fängt man nunmal mit dummen Slogans.
DAs ist in der SChweiz nicht anders als hier (s. DVU in Sachsen-Anhalt 13%, dank der Millionen des Münchner Verlegers und Immobilien-Tycoon Frey).
Mach Dir mal nicht zuviele Sorgen.
Die, die am lautesten schreien, ärgern sich doch nur, weil sie nicht wissen, wie man diesem Phänomen entgegentreten soll.

ciao

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Schweiz: Das Phänomen Blocher
Nach dem Rechtsrutsch der schweizerischen Politik nach dem Sieg der Blocher-Partei SVP (Schweizerische Volkspartei) bei den Nationalratswahlen vom 24. Oktober 1999 werden ausländische Medien nicht müde, den intellektuellen „Führer“ der Partei, Multimillionär und Industriellen Christoph Blocher (Meilen ZH) in die Nähe Haiders zu rücken. Aus Israel kommt sogar bereits die Warnung, der Antisemitismus könnte in der Schweiz wieder anschwellen und das politische und gesellschaftliche Leben vergiften. Hier sind nun einige Präzisierungen am Platz.
Zunächst einmal die Partei SVP:
Diese wandelte sich im Lauf der letzten Jahrzehnte von der Bürger-, Gewerbe- und Bauernpartei des Kantons Bern sowie der Demokraten in Graubünden und im Kanton Zürich zu einer Volkspartei der national-konservativen Richtung. In der Schweiz bestand nämlich nach dem Aufgehen der Katholisch-Konservativen Partei der Schweiz in der wesentlich fortschrittlicheren Christlich Demokratischen Partei (CVP) kein eigentliches konservatives Spektrum mehr. Dieses Vakuum füllten zunächst rechtsradikale und autofreundliche Kleinparteien, die aber jetzt nach den Wahlen vom 24. Oktober völlig aufgerieben wurden. Tatsächlich ändert sich im Parteienspektrum der Schweiz nach dem 24. Oktober nicht viel: Mindestens acht der fünfzehn dazu gewonnenen Sitze stammen von der ehemaligen Freiheitspartei (zum Teil mit den gleichen Sitzinhabern, die bereits in der letzten und vorletzten Legislatur die Partei gewechselt haben und der SVP beitraten). Die somit „nur“ sieben neuen Sitze für die SVP konnten anderen Kleinsparteien abgenommen werden. Zwar verlor die Sozialdemokratische Partei 1999 insgesamt drei Sitze, dieses waren aber insbesondere Restmandate, die sich 1995 aus dem äusserst komplizierten Wahlmodus des Schweizer Proporzes ergeben hatten. Diese drei Sitze wechselten zu den Freisinnigen und zu den Grünen und der CVP.
Christoph Blocher, ein echter Selfmademann, der als Pfarrerssohn zunächst Landwirtschaft studiert hatte, bevor er in einem Bündner Industrieunternehmen als Sekretär des damaligen Chefs eintreten konnte (Ems Chemie) ist ohne Zweifel ein echter Populist, der aber in der Schweiz nur deshalb so mächtig werden konnte, weil die anderen Parteien zuwenig adäquate Gegenspieler auf die politische Bühne zu bringen vermochtern. Die grosse Stunde Blochers und seiner Getreuen, die noch vor vier Jahren hauptsächlich in der Ostschweiz, jedoch nicht in Bern das Sagen hatten, kam mit den unerwarteten Vorwürfen und Geldforderungen amerikanisch-jüdischer Kreise in der Holocaust-Debatte der letztenm vier Jahre. Ebenfalls zahlte sich nun aus, dass sich Blocher immer konsequent gegen die Mitgliedschaft der Schweiz bei der UNO und erst recht bei der EU gewehrt hatte.
In völliger Verkennung des schweizerischen Volkscharakters stiegen Linksintellektuelle und besonders die SP Schweiz auf den Wagen der Vorwürfe gegen die Schweiz im Zweiten Weltkrieg auf. Allzu lange hatte der Mythos der Schweizer Armee, welche das Land vor den Nazis gerettet haben soll, für sie bereits gedauert. Die neue, realistischere Sicht, dass die Schweiz unter anderem auch wegen ihrer Geschäfte mit den Nazis verschont wurde, konnte insbesondere der Aktivdienst-Generation nicht gefallen, die während Jahren viele Mühsale auf sich genommen hatte, um „die Schweiz zu retten“.
Der überwältigende Sieg der Blocher-Richtung innerhalb der SVP und nun auch im Schweizerland ist darauf zurückzuführen, dass Blocher den Mut besass, gegen die plötzlich auf uns niederprasselnde Kritik aufzustehen und die Dinge wieder ins richtige Licxht zurückzurücken. Blocher sagt nicht, die Schweiz sei über alle Zweifel erhaben. Doch allfällige Fehler schiebt er der „classe politique“ von damals in die Schuhe, die ohnehin auch heute noch über das Volk hinwegregiere – dies allerdings ist ein sehr polemischer Gedanke, denn in keinem anderen Land der Welt hat das „Volk“ ein so grosses Mitspracherecht und hat auch seinen Volksvertretern in Abstimmungen schon gar manche Ohrfeiger erteilt – selbst dem Volkstribun Christoph Blocher!
Ohne Zweifel gibt es auch in der SVP (wie in anderen Parteien auch) einen braunen Bodensatz von Ewiggestrigen. Blocher vermag sie bestimmt um sich zu scharen, doch handelt es sich um eine marginale Minderheit. Die Anhängerschaft Blochers rekrutiert sich heute nicht mehr nur aus dem Bauern- und Gewerbestand, sondern praktisch aus allen Volksschichten. Zum Teil auch aus enttäuschten Sozialdemokraten, die mit der hemdsärmeligen Art Blochers viel mehr anzufangen wissen als mit dem vornehm gewordenen Getue ihrer Funktionäre, die heute ausschliesslich von den Universitäten kommen und keinen direkten Kontakt mehr haben zu den Arbeitern.
Wie wird es in der Schweiz weitergehen? Vorerst geht das Gerangel los um einen zweiten Sitz der SVP im siebenköpfigen Bundesrat. Doch letztlich entscheidet in der Schweiz nicht der Bundesrat, der eine rein exekutive Aufgabe hat, sondern in erster Linie das Parlament und anschliessend das Volk. Die entscheidenden Gegensätze werden im Parlament auf einander treffen. Dort wird in den nächsten vier Jahren ersichtlich werden, ob SVP, Freisinnige und CVP eine eher rechtsbürgerliche Politik betreiben (bei Ausklammerung jeder Europa-Anlehnung) oder ob das faktische Mitte-Linksbündnis von heute (Freisinnige, CVP und SP) weiterhin Bestand hat. Ein Blocher in der Opposition aber könnte zu voller Form erst anlaufen. Blocher eingebunden in die Macht würde am ehesten einen Ausweg aus der europäischen Sackgasse möglich machen. So wie nur Blocher die Schweiz vor zehn Jahren aus dem Wahn, neue Atomkraftwerke bauen zu müssen, herauslöste, indem er rigoros die Seiten wechselte, könnte er der erste und einzige sein, der die Schweiz – spät, zu spät vielleicht – an Europa heranführen könnte!

werden ausländische Medien nicht müde,
den intellektuellen „Führer“ der Partei,
Multimillionär und Industriellen
Christoph Blocher (Meilen ZH) in die Nähe
Haiders zu rücken. Aus Israel kommt sogar
bereits die Warnung, der Antisemitismus
könnte in der Schweiz wieder anschwellen
und das politische und gesellschaftliche
Leben vergiften.

Ist das nicht irgendwie verstaendlich? Obwohl ich persoenlich auch nicht glaube, dass Blocher wirklich ein Antisemit oder Rassist ist, war diese Geschichte mit dem Brief, in welchem er einen Holocaust Leugner mit „wie recht er doch hat“ lobte, ein hoechst bedenkliches, peinliches und auch dummes Verhalten. Unabhaengig davon, ob dies nun eine mediale Schlammschlacht war, sollte ein Politiker seines Kalibers mit solchen Aussagen viel sensibler umgehen und sich bewusst sein, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern auch dem Ansehen der Schweiz im Ausland schadet. Es ist halt leider eine Tatsache, dass auslaendische Medien nicht immer ueber alle notwendigen Details Bescheid wissen und deshalb vielleicht zu Verallgemeinerungen und Vereinfachungen neigen. Aber ein Bild, das einmal gezeichnet wurde, ist in den Koepfen der Leute drin und ist fast unmoeglich zu revidieren.

wurden. Tatsächlich ändert sich im
Parteienspektrum der Schweiz nach dem 24.
Oktober nicht viel: Mindestens acht der
fünfzehn dazu gewonnenen Sitze stammen
von der ehemaligen Freiheitspartei (zum
Teil mit den gleichen Sitzinhabern, die
bereits in der letzten und vorletzten
Legislatur die Partei gewechselt haben
und der SVP beitraten). Die somit „nur“
sieben neuen Sitze für die SVP konnten
anderen Kleinsparteien abgenommen werden.

Es ist zwar erfreulich, dass ±offen rechtsradikale Parteien wie die Freiheitspartei oder die „Schweizer Demokraten“ von der nationalen Bildflaeche verschwinden. Wie Du richtig gesagt hast, werden aber die meisten dieser Sitze von der SVP absorbiert, was heisst, dass Leute mit dem gleichen Gedankengut nun unter dem Schirm der SVP politisieren. Sind sie dadurch nicht zu „Woelfen im Schafspelz“ geworden, die man viel weniger erkennt und die deshalb viel mehr Schaden anrichten koennen?

deshalb so mächtig werden konnte, weil
die anderen Parteien zuwenig adäquate
Gegenspieler auf die politische Bühne zu
bringen vermochtern. Die grosse Stunde

Da ist etwas dran seit dem Ruecktritt des ehem. SPS-Praesidenten Bodenmann.

In völliger Verkennung des
schweizerischen Volkscharakters stiegen
Linksintellektuelle und besonders die SP
Schweiz auf den Wagen der Vorwürfe gegen
die Schweiz im Zweiten Weltkrieg auf.

Was ist den der „schweizerische Volkscharakter“? Ist es „wir waren schon immer neutral und waschen deshalb unsere Haende in Unschuld“? Oder „wir sehen nichts, wir hoeren nichts und wir wollen auch nichts wissen“? Natuerlcih hat die schweiz. Kriegsgeneration Grosses geleistet und unter Entbehrungen leiden muessen, aber das heisst doch nicht, dass sie quasi fuer das Gute Opfer erbracht hatten.

Es stimmt, dass es die anderen Parteien im Gegensatz zu Blocher nicht fertigbringen, die Sprache des „einfachen Menschen“ zu sprechen. Das mag einerseits Unvermoegen sein, andereseits ist es aber wohl auch ein Ausdruck von Ehrlichkeit, weil es schlicht nicht moeglich ist, so komplexe Themen wie das Asylwesen oder die EU in einem oder zwei einfachen Saetzen zu behandeln. Das kann nur der tun, der fahrlaessig vereinfacht und pauschalisiert.

Ohne Zweifel gibt es auch in der SVP (wie
in anderen Parteien auch) einen braunen
Bodensatz von Ewiggestrigen. Blocher
vermag sie bestimmt um sich zu scharen,
doch handelt es sich um eine marginale
Minderheit.

Das stimmt zahlenmaessig schon. Aber am Gefahren- und Explosionspotential gemessen ist diese Minderheit keineswegs vernachlaessigbar.

Wie wird es in der Schweiz weitergehen?
Vorerst geht das Gerangel los um einen
zweiten Sitz der SVP im siebenköpfigen
Bundesrat. Doch letztlich entscheidet in

Die SVP wird hoechstwahrscheinlich den zweiten Bundesrat (noch) nicht erhalten. Das birgt aber die grosse Gefahr, dass die SVP darauf mit unzaehligen Referenden und Volksnitiativen „den Waehlerwillen“ (22% !!!) durchzusetzen versucht. Das ist natuerlich deren gutes Recht, verunmoeglicht aber eine flexible und reaktionsfaehige Politik. Und zudem muss man befuerchten, dass die SVP mit ihren milliardenschweren Mitgliedern (Blocher, Frey etc…) es schaffen koennten, durch die Moglichkeiten, die diese Milliarden offenbaren, das schweizer Stimmvolk zu manipulieren.

machen. So wie nur Blocher die Schweiz
vor zehn Jahren aus dem Wahn, neue
Atomkraftwerke bauen zu müssen,
herauslöste, indem er rigoros die Seiten
wechselte, könnte er der erste und
einzige sein, der die Schweiz - spät, zu
spät vielleicht - an Europa heranführen
könnte!

Wer’s glaubt wird selig! Das waere ja zehnfacher politischer Selbstmord!

Matthias

Hallo

Nach dem Rechtsrutsch der schweizerischen
Politik

Ich denke, dass man das Wahlresultat nicht als Rechtsrutsch deuten kann, denn die SVP hat die Parteien weiter rechts praktisch aufgesaugt. Die Schweiz wird sicher auch nicht „rechter“ werden, denn über drei Viertel der Abstimmenden haben NICHT die SVP gewählt.

Aus Israel kommt sogar
bereits die Warnung, der Antisemitismus
könnte in der Schweiz wieder anschwellen
und das politische und gesellschaftliche
Leben vergiften.

Meiner Meinung nach sollten die Israelis (nicht allgemein die Juden) den Mund nicht allzu voll nehmen, haben sie doch selbst immer wieder ultrakonservativ gewählt, sprich rechtsextrem und haben jahrelang das Apartheid-Regime in Südafrika unterstützt.

Das Wahlergebnis ist zwar traurig und ein Armutszeugnis für die Schweiz, aber in 4 Jahren, wenn all die „Büezer“, die jetzt der SVP ihre Stimme gegeben haben, merken, dass sie nach Strich und Faden verarscht worden sind, wird alles wieder anders aussehen, das bleibt wenigstens zu hoffen.

MfG
Stef