Paroxetin - warum wird es bei 60mg schlimmer?

Hallo,

ich nehme täglich 1 Tablette à 40 mg Paroxetin ein (gegen Schlafstörungen). Leider reicht das nicht ganz aus.

Eine Erhöhung auf 60 mg bewirkte leider, dass sich die Symptomatik wieder verschlimmert. Auch kleine Babyschritte in der Erhöhung der Dosis über mehrere Monate führen zum Gegenteil des gewünschten (= beruhigenden) Effekts.

Die Begründung des Psychiaters: bis 40 mg wirke Paroxetin beruhigend, bei höheren Dosen wirke es hingegend anregend.

Weiss jemand warum das so ist? Ich finde dazu keine Studien oder Informationen, wo man das nachlesen kann.

Wie muss man sich das neurologisch vorstellen, Paroxetin ist doch ein SSRI. Was passiert im Gehirn denn anders bei 60 mg statt 40 mg ???

Würde mich über eine Antwort freuen, vielleicht weiss ja wer was.

Schöne Grüße Anna

Hallo Anna!

Vorab: Ich bin kein Mediziner, sondern Psychotherapeut, hab daher über Psychopharmaka (nur bestenfalls) Halbfachwissen.

Wobei Paroxetin keine eigentliche Schlafmittel-Funktion hat, also nicht sedierend ist, sondern grundsätzlich anregend.
Das ist der entscheidende Punkt bei der Beantwortung deiner Frage.
Dazu ganz unten zur Wirkungsweise mehr.

Zur Verbesserung des Schlafs dient es deshalb, weil es schlafhemmende Grundsymptome verbessert, z.B. depressives Grübeln oder Ängste, und weil es die Wachheit tagsüber verbessert (bessere Wachheit tagsüber -> bessere Müdigkeit nachts).

Es muss also klar sein, dass Paroxetin grundsätzlich eben anregend ist.
Damit kann es erwünschterweise schlafhemmende Faktoren beseitigen, kann aber auch selbst unerwünschterweise (zu Beginn der Therapie als Nebenwirkung, beim zum schnelle Absetzen und eben auch bei zu hoher Dosierung) selbst schlafhemmend wirken.

Da hat er wohl etwas stark vereinfacht (u.a. weil diese mg-Grenze individuell ist, aber auch m.W. zum Beispiel im Alter niedriger wird usw.), aber grob kann man das so sagen.

Die Wirkungsweise der SSRI ist nicht besonders klar.
Es gibt aber Modellannahmen.
Sehr vereinfacht nun:

Paroxtin ist ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, d.h. es verringert die Wiederaufnahme des Serotonins aus dem sog. „synaptischen Spalt“, das ist quasi der Zwischenraum zwischen zwei Nervenzellen, in die sog. „Präsynapse“, d.h. wieder zurück in die Nervenzelle, aus der es in den synaptischen Spalt ausgeschüttet wird.

Damit ist im synaptischen Spalt mehr Serotonin (Serotonin ist im Grunde ein Wachsamkeits-anregender Neurotransmitter, also kein schlafanregender!) zur Verfügung.

Das ist der gewünschte Effekt der SSRI, der dadurch stabilisiert ist, dass das Paroxetin auch relativ gering an die Rezeptoren der „Postsynapse“ andocken kann, d.h. nicht zu schnell von der Nervenzelle verarbeitet wird, in die die Substanz aus dem synaptischen Spalt aufgenommen werden soll.

Aus diesem Modell wird ersichtlich, warum die Dosierung entscheidend ist.

Es muss genug Serotonin zur Verfügung stehen, damit genug Wachsamkeit und Antriebssteigerung gegeben ist, so dass der Patient tagsüber richtig wach ist, genug Antrieb besitzt, damit die schlafhemmenden Sorgen und Ängste überwunden werden usw.
Deshalb wirst du auch sehr wahrscheinlich dein Paroxetin morgens einnehmen und nicht abends.

Wenn aber zu viel Serotonin zur Verfügung steht, dann funktionieren zwar diese schlaffördernden Mechanismen weiterhin, zugleich tritt aber auch die grundsätzlich schlafhemmende Funktion des Paroxetins in den Vordergrund.

Und so kommt es dann zur paradoxen Wirkung des Paroxetins (die auch am Beginn einer Therapie oft zu beobachten ist), d.h. zu Schlafhemmung statt Schlafförderung.

Ums abschließend nochmal auf den Punkt zu bringen: Wäre Paroxetin grundsätzlich sedierend, dann würde sich in der Tat die Frage stellen, warum eine hohe Dosis dann nicht sedierend wäre.

Paroxetin ist aber grundsätzlich anregend (= erhöht die Wachheit tagsüber und beseitigt damit schlafhemmende Symptome), so dass bei zu hoher Dosis die grundsätzliche Anregung zu viel des Guten ist.

Gruß
F.

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Hi,

Wissenschaftlich begründen kann ich es dir nicht. Deine genaue Frage solltest du deinem Psychiater stellen. Dem solltest du auch sagen, dass du weiterhin nicht schlafen kannst.
Ich kann dir zum einen sagen, dass das, was du beschreibst, als Nebenwirkung von paroxetin auf jeden Fall bei Wikipedia und sicher auch in der Packungsbeilage beschrieben ist. Deswegen sollte man die Dosis nicht selbständig erhöhen - was man bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sowieso nicht sollte.
Außerdem löst paroxetin nicht Müdigkeit oder Schlaf aus, es verhindert schlafstörende Mechanismen. Paroxetin ist ein serotoninwiederaufnahmehemmer, ein SSRI. Serotonin dämpft Angst und Kummer und Aggressivität- und wenn man diese Gefühle nicht oder kaum hat, kann man besser schlafen. Eine Überdosis serotonin ist aber lebensgefährlich bis tödlich.
Versuche, deine Schlafstörungen auch anders in den Griff zu bekommen. Beobachte genau, was dich nicht schlafen lässt. Kummer und sorgen lassen sich nicht wirklich medikamentös bekämpfen. Kleiner kummer lässt sich aufschreiben - dann kann man die Aufgabe, das Problem,… im Schlaf nicht vergessen. Weil einen der Zettel am nächsten Morgen erinnert, kann man am Abend besser schlafen. Bei größeren Problemen helfen Entspannungsmethoden, Freunde, Freizeit und Psychotherapie. Und auch, wenn das ein echt körperliches Problem ist, findet das dein Psychiater raus. Und nicht du durch Experimente.
Mir halfen Therapie beim schlafen und ssri bekämpfte das frustessen.

Die franzi

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Hi,

Als ich losschrieb, war deine Antwort nicht da. Da ich anscheinend keinen groben Blödsinn geschrieben, aber noch persönliche Erfahrungen erwähnt habe, lass ich meine Antwort mal stehen. Schon, weil sie präziser ist und auf Grund deines Berufs mehr wirkt.

Die Franzi

Wir haben offenbar gleichzeitig geschrieben …
Ist doch super, wenn die UP (und auch die, die per Google drauf stoßen) gleich zwei gute Antworten zur Verfügung hat.

Gruß
F.

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Hallo „FBH“ , danke für die Antwort. Der Hilfetext ist im weg…moment

Hallo, jetzt müsste es gehen mit dem Schreiben. Danke für deine ausführliche Antwort. Verstehe den Zusammenhang nun besser.

Schon komisch die Erklärung meines Psxchiaters. Er hat nämlich auch gesagt dass Paroxetin sedierend und Fluoxetin hingegen anregend wirkt. Die 60 mg P. hat er vorgeschlagen weil er dachte dass sich die Symptome dadurch weiter bessern würden was leider nicht der Fall war. Zu schnell hochdodiert war es nicht. Habe mich genau dran gehalten. Lg Anna

Bei der Erklärung hat er sich wohl einfach vertan oder falsch ausgedrückt.
Die Idee, versuchsweise bis auf 60mg hochzugehen, ist aber an sich schon nachzuvollziehen.
Die „ideale“ Dosis ist halt innerhalb des therapeutisch wirksamen Spektrums so individuell, dass man da zwangsweise nach trial+error vorgehen muss.

Gruß
F.

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Danke für deine Antwort.

Er hat es so beschrieben wie hier auf dieser Seite: https://www.emedexpert.com/compare-meds/fluoxetine.shtml
Dass man Patoxetin eben auch abends nehmen kann z.B.
lg Anna

Natürlich kann man Paroxetin auch abends nehmen.
Z.B. ist das sinnvoll, wenn man morgens ganz besonders schwer aus dem Bett und in die Gänge kommt.
Wenn das mit dem Schlafen dennoch gut hinhaut, spricht da nichts dagegen, es abends zu nehmen. Dann ist der Spiegel morgens noch voll da. Paroxetin wird ja vergleichsweise schnell abgebaut.
Die meisten Patienten werden es aber vermutlich morgens nehmen.

Dass P. sedierend und F. anregend wäre finde ich auf der Seite dieses Links übrigens nicht.
Das wäre auch schlicht falsch.
Vgl. beispielsweise
https://www.psychiatrie.de/psychopharmaka/antidepressiva.html

Damit keine begrifflichen Unklarheiten da sind … „sedierend“ ist etwas anders als „beruhigend“. Beruhigend soll P. natürlich wirken.

Gruß
F.

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Ich kapier nur Bahnhof : „Bei der Auswahl der Substanz spielt ihre Wirkung auf den Eigenantrieb eine Rolle: Ein Teil der Antidepressiva wirkt eher beruhigend und dämpfend (sedierend), kann müde machen und das Ein- und Durchschlafen erleichtern. Die andere Gruppe hat eine eher anregende Wirkung und kann so helfen, sich zu Aktivitäten aufzuraffen“ (https://www.psychiatrie.de/psychopharmaka/antidepressiva.html)

Ich wollte bei dem Link eigentlich nur auf das hinaus:

ss

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Daa Thema ist ja schwierig.
Nach langer Suche habe ich herausgefubden dass Paroxetin eine starke anticholinerge Wirkung hat und deshalb im Vergleich zu anderen SSRI dämpfend/beruhigend (einige Autoren schreiben eben „sedierend“) sein soll . Puh…

In seinen Feinheiten ist es das.
Da kann ich nun auch nicht mehr groß mitreden.

Das ist überraschend, denn das widerspricht sämtlichen Publikationen dazu, die ich kenne.
Da wird P. ausschließlich als leicht oder mittelgradig anticholinerg eingestuft.
Auch das Nebenwirkungsprofil lässt nicht auf eine starke anticholinerge Wirkung schließen.

Gruß
F.