Hallo Stephan!
Vorab zwei Erlebnisse, die Jahrzehnte her sind und meinen Umgang mit gewerblichen Schutzrechten nachhaltig prägten: Ich verbrachte einige Jahre in einer Entwicklungsabteilung eines Elektrokonzerns und es war mein Job, Neues zu entwickeln. Dabei entstehen schon mal patentfähige Verfahren. Es gibt ein Arbeitnehmererfindungsgesetz, das bestimmt, dass abhängig beschäftigte Erfinder am Umsatz, der mit ihrer Erfindung gemacht wird, zu beteiligen sind. Der Prozentsatz der Umsatzbeteiligung ist u. a. davon abhängig, wo der Erfinder in der Unternehmenshierarchie einzuordnen ist. Je höher man eingestuft ist, desto geringer die Beteiligung. Über die Patentabteilung des Unternehmens meldete ich als ganz junger Mann ein neuartiges, wirtschaftlich interessantes IR-Messverfahren an. Bald darauf erhielt ich von irgend einer zentralen Abteilung des Konzerns über die Hauspost ein Formular, das schon vollständig ausgefüllt von mir nur noch zu unterschreiben war. Eine der ausgefüllten Passagen lautete, ich gehöre zum mittleren Management. Das war absolut lächerlich. Ich als ganz junger Spund in einem Unternehmen mit damals über 100.000 Mitarbeitern sollte dem mittleren Management angehören - na bitteschön, wer wird sich dagegen wehren?! Also unterschrieb ich und setzte mich wieder an meinen Labortisch. Wieder einige Zeit später erhielt ich ein Schreiben, in dem mir der Prozentsatz meiner Umsatzbeteiligung mitgeteilt wurde. Aufgrund meiner hervorgehobenen Stellung (Management und so …) war der Prozentsatz einfach nur erbärmlich. Da ging mir das erste Licht auf.
Das Patent wurde in allen möglichen Staaten angemeldet, u. a. in den USA. Dort kann man als Ausländer nur über einen US-Bürger als Mittelsmann anmelden, dem man alle Rechte abtreten muss. Der Konzern verfügte über etliche US-Niederlassungen und über die geeigneten Mittelsmänner. Ich erhielt aus den USA genau einen Dollar, den sog. Erfinderdollar (den Schein hab ich bis heute aufbewahrt). Mir ging wieder ein Licht auf, aber ich begriff noch nicht wirklich etwas.
Die nächste Story spielt ein paar Jahre später. Ich hatte mich als Freiberufler gerade selbständig gemacht und hatte eine Idee, von der ich wusste, dass ich sie als Produkt nicht selbst würde vermarkten können. Ich wollte die Idee verkaufen, nahm Kontakt mit einem der größten deutschen Automobilzulieferer auf und reiste zur Unternehmenszentrale, um meine Idee mit mühsam vorbereiteten Unterlagen und Overhead-Folien im Detail vorzustellen. Es wurde für mich eine eiskalte Dusche. Die Leute ließen an meiner Idee kein einziges gutes Haar. Zeitsprung. Ein paar Monate später las ich in einer Fachzeitschrift eine Presseinfo des zuvor besuchten Unternehmens, in der ein ganz tolles, innovatives Produkt angekündigt wurde. Es war bis auf Punkt und Komma exakt meine Idee. Mir ging wieder einmal ein Licht auf und diesmal begriff ich: _Mit geistigem Eigentum bewegt man sich immer in einem Haifischbecken und man darf es niemals ungeschützt preisgeben. Außerdem darf man sich nie blenden lassen. Überall, auch hinter den Fassaden jedes noch so großen und vornehmen Unternehmens, arbeiten massenhaft Karrieristen, die bei sich bietender Gelegenheit zu gewöhnlichen Dieben geistigen Eigentums werden. Es ist zwar zum Kotzen, aber es ist menschlich.
Seither habe ich mich intensiv mit gewerblichen Schutzrechten sowie mit Urheberechten beschäftigt.
So gab es schon auf dem Flug in die USA im Flugzeug (!) schon Werbespots. …Der Investor übernimmt dabei :sämtliche Kosten in Bezug auf Anmeldung und Produktionskosten.
Nur ein unerfahrener, naiver Volltrottel offenbart irgend jemandem seine ungeschützte Idee. Klar übernimmt ein Investor die Anmeldekosten – nachdem er eine erkennbar werthaltige, ungeschützte Idee geklaut hat. Die meisten Ideen sind ohnehin Rohrkrepierer, überleben sich schnell oder es kommt nie zum Produkt. Und sehr oft entpuppt sich eine hoffnungsvolle Idee als soundsovielte Erfindung des Rades. Es ist gar nicht so selten, dass man vom Patentamt als Entgegenhaltung eine 100 Jahre alte Patentschrift erhält.
Aber zurück zu den Verwertungsgesellschaften, die schon im Flugzeug Werbung machen. Solche Gesellschaften gibt es überall, auch in Deutschland. Aber: Man braucht eine Patentverwertungsgesellschaft ungefähr so dringend wie ein Loch im Kopf.
Eine geeignete Vorgehensweise funktioniert wie folgt: Beschäftige Dich intensiv mit der Seite des Patentamts http://www.dpma.de . Dort kannst Du wirklich alle Informationen zum Anmeldungsprozedere herunterladen. Außerdem kann es nicht schaden, das Patentgesetz (PatG) und das Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) in Buchform parat zu haben, z. B. ISBN 9873423055635 Buch anschauen , und sich dort einzulesen. Recherchen des Stands der Technik sind – Internet sei Dank – nur noch zeitintensiv, aber ansonsten kein Problem mehr. Wenn man also glaubt, eine gute Idee zu haben, meldet man sie an. Formulare und Gebührenordnung siehe Seite des Patentamts. Online ist die Anmeldung einen Zehner billiger als in der Papierform. Du bist zunächst mit nur 50 € dabei und sobald man die Eingangsbestätigung des Patentamts in Händen hält, ist die Idee schon mal vor den gewöhnlichen Hühnerdieben geschützt. Wenn man noch einige Euro mehr investiert, hat man wenige Monate später eine schicke Urkunde mit Bundesadler über ein Gebrauchsmuster. Muss man nicht unbedingt haben, aber die gewieftesten Käufer sind auch nur Menschen und fahren auf so etwas ab. Danach ist hauptsächlich Marktkenntnis und Betriebswirtschaft erforderlich. Man muss sich fragen, welche Unternehmen mit der Idee einen Wettbewerbsvorteil erlangen können. Das sind die potentiellen Käufer. Kontaktaufnahme ist ganz einfach, weil Schutzrechtekauf Chefsache ist. Man schreibt also die Geschäftsführer bzw. Vorstände persönlich an. Die bearbeiten den Fall nicht unbedingt eigenhändig, übergeben die Sache aber dem passenden Vorstandsassistenten und binnen kurzer Zeit hat man eine Reaktion.
Eine ganz wichtige Klippe ist aber noch zu nehmen: Man muss sich als Techniker oder Ingenieur von der Vorstellung trennen, dass irgend ein Unternehmen auch nur das geringste Interesse an tollen Ideen und technischen Finessen hat. Entscheidend ist vielmehr, was das Unternehmen mit einer Idee/einem Produkt verdienen kann. Genau das muss man den Leuten plausibel vorrechnen. Dafür muss man sich intensiv mit dem Unternehmen und seinem Marktumfeld beschäftigen. Sonst wird man an dieser Stelle untergebuttert. Man ist schief gewickelt und hat schon verloren, wenn man in der ersten schriftlichen Kontaktaufnahme seitenlange technische Verliebtheiten vom Stapel lässt – versteht keiner, liest keiner, will keiner wissen. Dieses „Anfüttern“ auf einer einzigen Seite mit 2 Sätzen verständlicher Technik, 2 Sätzen nachvollziehbarem wirtschaftlichen Nutzen und Aufforderung zur Vertiefung des Kontakts, das Ganze ohne Worthülsen in einwandfreiem Deutsch klar formuliert, ist die eigentliche Kunst, an der technikorientierte Leute grandios scheitern. Der ganze Rest vorher ist nur Handwerk mit Vermeidung von Naivität. Natürlich muss man nach erster Kontaktaufnahme für jede Frage gewappnet sein und nachlegen können. Und man muss einen nachvollziehbaren Preis nennen können (noch nicht bei der ersten Kontaktaufnahme). Der höchste Satz des Arbeitnehmererfindungsgesetzes (ArbNErfG) liefert einen Anhaltspunkt für die passende Zehnerpotenz (es gibt ein paar Fallstricke, die ich der Kürze halber nicht darstellen kann). Man sollte aber im Interesse der Verhandlungsposition mehr als nur einen Interessenten haben – das macht die Sache ziemlich arbeitsintensiv. Außerdem sollte man bei jedem geäußerten Wort davon ausgehen, dass sich die entscheidenden Leute der Branche untereinander kennen.
Neben dem Verkauf an nur einen einzigen Interessenten gibt es die Möglichkeit der Lizenzvergabe an mehrere Unternehmen. Die Berücksichtigung aller Gesichtspunkte und kaufmännischen Gestaltungsmöglichkeiten sprengt aber hier den Rahmen. Eine ungefähre Vorstellung der Marschrichtung konnte ich vielleicht trotzdem vermitteln.
Gruß
Wolfgang_