Patientenverfügung

Eine abstrakte Frage:

angenommen, ein Alkoholiker wird in die Psychiatrie eingewiesen, weil er schwer alkoholisiert im Straßengraben aufgefunden wurde. Nun hat er aber in einer Verfügung bestimmt, daß er in diesem Fall nicht mit Medikamenten zu Verhütung von schweren Entzugserscheinungen behandelt werden möchte.

Halten sich die behandelten Ärzte an diese Patientenverfügung?

Etwas schwierig, aber vielleicht doch bedeutsam.

Nikodemo

Hi Nikodemo,

angenommen, ein Alkoholiker wird in die Psychiatrie
eingewiesen, weil er schwer alkoholisiert im Straßengraben
aufgefunden wurde. Nun hat er aber in einer Verfügung
bestimmt, daß er in diesem Fall nicht mit Medikamenten zu
Verhütung von schweren Entzugserscheinungen behandelt werden
möchte.

Eine Patientenverfügung greift erst dann, wenn absehbar ist, dass der Patient aufgrund einer chronischen Krankheit oder eines Unfalls in näherer Zukunft sterben wird, weil die Krankheit, der Unfall nicht mehr mit bekannten Therapien behandelbar ist. Sie dient also dazu, dem Menschen unnötiges Leiden und ein nur durch Apparatemedizin aufrecht erhaltenes Leben zu ersparen.

Entzugssymptomatik ist ein Akutfall, der unbehandelt durchaus tödlich sein kann (Delir oder Krampfanfall) der aber mit entsprechenden Medikamenten gut in den Griff zu kriegen ist. Nach drei Tagen ist der Patient wieder putzmunter.

Halten sich die behandelten Ärzte an diese Patientenverfügung?

In diesem Fall mit Sicherheit nicht. Ärzte sind verpflichtet, Menschen in dieser Situation zu helfen, alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung und ist strafbar.

Etwas schwierig, aber vielleicht doch bedeutsam.

Bedeutsam für wen?

Gruß,

Anja

Hallo, Anja…

es mag sein, dass das Beispiel mit dem Alkoholiker nicht ganz so zum Thema passt. Aber auch ein Alkoholiker kann Angst vor den Lebenslangen Nebenwirkungen der Ihm verabreichten Medikamenten haben. zumal ja nicht im Voraus sicher ist, ob er sie braucht.

Es ist aber auch Tatsache, dass die Psychiatrie nicht nur zur Behandlung von speziellen Krankheiten eingesetzt wird, sonder auch zur Disziplinierung unliebsamer Zeitgenossen, zu denen ja zweifelsohne auch Alkoholiker gehören. Die dabei eingesetzten Mittel (z. B. starke Neuroleptika)zur Ruhigstellung oder Fixierung, haben erwiesenermaßen sehr starke, unheilbare Nebenwirkungen.

Dass sich ein Alkoholiker in einem nüchternen Moment darüber Gedanken macht, muss man Ihm schon zugestehen.

Eine von Ihm in diesem Sinne abgefasste Patientenverfügung bleibt also unberücksichtigt?

Ich habe darüber einen Bericht in einer Publikation einer (leider sehr speziellen) Vereinigung gelesen und habe auch mir darüber Gedanken gemacht, da man heute sehr schnell durch irgendeinen, hier noch nicht bekannten Grund, in eine Psychiatrie übergestellt werden kann.

Darum habe ich mir Gedanken gemacht, ob mir eine Patientenverfügung in einem solchen Falle (der hoffentlich nie eintritt) unnötiges Leiden
erspart.

Trotzdem Danke für deine Antwort und wünsche Dir etwas weniger Blauäugigkeit beim beurteilen von Angelegenheiten der Psychiatrie.

Gruß

NikoDemo

Hi Nikodemo,

es mag sein, dass das Beispiel mit dem Alkoholiker nicht ganz
so zum Thema passt.

Zum Thema „Älterwerden“ - oder was meinst Du?

Aber auch ein Alkoholiker kann Angst vor
den Lebenslangen Nebenwirkungen der Ihm verabreichten
Medikamenten haben. zumal ja nicht im Voraus sicher ist, ob er
sie braucht.

Aber ein trinkender Alkoholiker hat durch den Alkohol schwerste Nebenwirkungen auf sämtliche Organe und das gesamte Nervensystem, die ihn wenig scheren, so lange er noch trinken will. Ansonsten ist der körperliche Entzug von Alkohol nach 8 Tagen abgeschlossen. Sollte der Betroffene unter einer Leberzirrhose oder einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (beides Folgen des Alkoholmissbrauchs) leiden, sind Medikamentengaben dringend geboten, deren Nebenwirkungen aber ein Klacks sind im Vergleich zu dem, was der Alkohol im Körper anrichtet.

Es ist aber auch Tatsache, dass die Psychiatrie nicht nur zur
Behandlung von speziellen Krankheiten eingesetzt wird, sonder
auch zur Disziplinierung unliebsamer Zeitgenossen, zu denen ja
zweifelsohne auch Alkoholiker gehören.

Das war im letzten Jahrhundert vielleicht mal so - davon ist heute aber nicht mehr die Rede.

Die dabei eingesetzten
Mittel (z. B. starke Neuroleptika)zur Ruhigstellung oder
Fixierung, haben erwiesenermaßen sehr starke, unheilbare
Nebenwirkungen.

Neuroleptika werden wegen der starken Suchtgefährdung nicht an Alkoholiker abgegeben. Er bekommt lediglich Distraneurin zum Entzug, Tegretal zur Vorbeugung eines Krampfanfalls und in seltenen Fällen Haloperidol, wenn der Entzügige aus welchen Gründen auch immer aggressiv wird. Von „starken unheilbaren“ Nebenwirkungen kann da nicht die Rede sein. Eine Fixierung wird nur vorgenommen, wenn der Patient im Delir ausrastet und sich und andere gefährdet und hat keinerlei Nebenwirkungen.

Dass sich ein Alkoholiker in einem nüchternen Moment darüber
Gedanken macht, muss man Ihm schon zugestehen.

Das ist ihm unbenommen.

Eine von Ihm in diesem Sinne abgefasste Patientenverfügung
bleibt also unberücksichtigt?

Ja.

Ich habe darüber einen Bericht in einer Publikation einer
(leider sehr speziellen) Vereinigung gelesen und habe auch mir
darüber Gedanken gemacht, da man heute sehr schnell durch
irgendeinen, hier noch nicht bekannten Grund, in eine
Psychiatrie übergestellt werden kann.

Das scheint tatsächlich eine sehr „spezielle“ Vereinigung gewesen sein.

Darum habe ich mir Gedanken gemacht, ob mir eine
Patientenverfügung in einem solchen Falle (der hoffentlich nie
eintritt) unnötiges Leiden
erspart.

Das ist Dein gutes Recht. Hilfreich sind allerdings Informationen von Menschen, die etwas davon verstehen. Das sind Ärzte, Psychiater, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.

Trotzdem Danke für deine Antwort und wünsche Dir etwas weniger
Blauäugigkeit beim beurteilen von Angelegenheiten der
Psychiatrie.

Ist nett, dass Du mir Blauäugigkeit unterstellst. Bin selbst Alkoholikerin und Depressionspatientin und habe schon viele Wochen meines Lebens in Psychiatrien verbringen dürfen.

Alle weiteren Fragen zu diesem Thema solltest Du allerdings besser im Brett „Sucht und Prävention“ viel weiter oben unter dem Oberbegriff „Wissenschaft“ stellen, ich denke, da bist Du besser aufgehoben.

Gruß,

Anja

4 Like

Hallo,

die gegebene Darstellung ist leider nicht ganz richtig. Eine Patientenverfügung greift durchaus nicht nur dann, wenn der baldige Tod absehbar ist, sondern immer dann, wenn der Verfasser nicht in der Lage ist, sich selbst verständig darüber zu äußern, wie in einer Behandlungssituation verfahren werden soll. Dabei muss selbstverständlich unterschieden werden, welche Anordnungen in der Patientenverfügung auf welche Situationen anwendbar sind. D.h. man wird - auch dann wenn nicht ausdrücklich formuliert - z.B. eine künstliche Beatmung nur dann nicht einsetzen, wenn es angesichts des sicheren baldigen Todes nur um eine Leidensverlängerung geht. Man wird diesen Wunsch bei entsprechend falscher globalgalaktischer Formulierung ignorieren müssen, wenn jeman nach einem Unfall ohne Bewusstsein eingeliefert wird, die Genesung aber erwartet werden kann und darf.

Insoweit sind selbstverständlich auch konkrete Anordnungen für Situationen möglich, in denen der baldige Tod nicht droht, aber die Möglichkeit fehlt, dass der Betroffene sich persönlich in der Situation selbst äußert. Auch diese sind grundsätzlich zu beachten!

Auf der anderen Seite steht natürlich, dass es gerade bei Patienten im hier angesprochenen Fall Möglichkeiten nach PsychKG und durch das Betreuungsrecht gibt, die man einsetzen wird, wenn jemand eine objektiv angezeigte Behandlung - ohne lebensgefährdende Situation - ausschließt. D.h. ich vermute mal, dass man mit der Durchsetzbarkeit der hier konkret angesprochenen Regelung nur provoziert, dass man bald einen Betreuer für Gesundheitssorge am Hacken hat.

Gruß vom Wiz

2 Like

Hallo,

Patientenverfügungen sind leider nicht so bindend, wie man sich das als Patient wünschen würde.

Ein Verwandter von mir (war Richter im Bereich Jugendkrimilatität), hatte also von Jura etwas Ahnung hatte eine Patientenverfügung verfaßt, die lebenserhaltenden Eingriffe ausschloß (also künstliche Beatmung und Ernährung).
Dann kam der Schlaganfall (mit 82) und anfangs haben sich die Ärzte auf Drängen der Verwandten an die Verfügung gehalten.
Es war dann wohl mal zwei Tage kein Verwandter vor Ort und schon hing der Gute an den Lebenserhaltungssysthemen, die er nie wollte.
Seine Frau hatte dann auch nicht den Mumm, das Abschalten zu entscheiden - ist ja auch nicht einfach. Er ist nicht mehr aus dem Koma erwacht und ein halbes Jahr später gestorben.

Die Patientenverfügung wurde schlicht mit dem Argument außer Kraft gesetzt, dass er ja unter diesen Umständen ev. anders entscheiden würde - damit kann man jede Verfügung zunichte machen.

Eine solche Präambell hätte man gern auch bei Finanzgeschäften - da könnte man hinterher sagen `nee, unter diesen Umständen hätte ich den Fonds nie gekauft´ - dort gilt das leider nicht, nichtmal, wenn man ins Koma fällt.

Gruß, Anne