Pausenzeiten bei etwas mehr als 6h Arbeitszeit

Hallo zusammen,

im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) § 4 Ruhepausen heißt es,

Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Bei uns kam auf Arbeit kam eine Diskussion dazu auf.

Nehmen wir an, ein AN arbeitet üblicherweise 6 h pro Tag. Üblicherweise kommt er um 9:00 und geht um 15:00. Auf Grund einer Notwendigkeit - zum Beispiel Kundengespräch - arbeitet der AN mal bis 15:20. Er überzieht damit ja formal die 6h-Höchstarbeitszeit um 20 Minuten.

Wie muss das in der Zeiterfassung korrekt abgerechnet werden, damit die gesetzliche Vorgabe erfüllt wird? Müssen 30 Min für eine Pause abgezogen werden oder nur die 20 Minuten über den 6 Stunden?

Polemik

Bevor es die Pflicht zur Zeiterfassung gab, nahm der AN das recht locker: gestern 20 Minuten zu lange? Heute 20 Minuten weniger! Aber seitdem das Potential zur Nachverfolgung da ist…

Vielen Dank im Voraus
Pierre

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Polemik kann ich auch…
Wenn man die Höchstgrenze regelmäßig maximal ausnutzt und mich dann fragt, wie man ein über das Höchstmaß nochmals hinausgehende Arbeitszeit korrekt dokumentiert, dann würde ich sagen: Grenze ist Grenze. Nach 6h hat der Hammer zu fallen.

Trifft keine der möglichen Ausnahmen zu?

Und ist die Zeiterfassung tatsächlich so programmiert, dass sie korrekt erfasste Zeiten durch erfundene Pausen so verfälscht, dass der Anschein gesetzkonformer Pausen gewährt wird?

Das kann ja nicht richtig sein.

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Die Realität schlägt die Phantasie um Längen.

Die Diskussion entstand nur, weil eine elektronische Zeiterfassung eingeführt werden soll. Bisher läuft es … man ahnt es schon … über die moderne Variante des Notizzettels, einer Excel-Tabelle. Diese hat entsprechender AN nicht selten am ersten Arbeitstag des Monats komplett ausgefüllt. Ging er gestern 20 Min zu spät, ging er heute 20 zu früh und alles war scheinbar ok. Und es kam in der Vergangenheit wirklich nur alle paar Wochen mal vor.

Aber jetzt soll mit Excel Schluss sein. Aber trotzdem noch immer das Laisser faire der Vertrauensarbeitszeit abgebildet werden.

Auf der Internetseite einer Kanzlei fand ich einen Bericht über ein Urteil des BAG vom Februar 2025. Dort ging es um eine teilzeitbeschäftigte Ärztin, bei der sich auch erst am Ende der Arbeitszeit ergab, dass sie das Ende nicht einhalten kann und Mittag hätte machen müssen. Im Gegensatz zum AN meiner Geschichte aber wohl nicht alle paar Wochen mal, sondern recht regelmäßig.

Alles recht anstrengend, vor allem, wenn der AG sich für Recht nicht interessiert und nur ein einfaches Leben haben möchte.

Bei meinem Arbeitgeber sind wir auch auf das Problem gestoßen, vor allem weil wir einige Teilzeitkräfte hatten die tatsächlich nur sechs Stunden hätten arbeiten müssen aber eben häufiger drüber waren.

Letztendlich wurde es in der Zeiterfassung so geregelt, dass wenn man 6:30 durchgehende Arbeitszeit gestempelt hatte, diese halbe Stunde nicht abgezogen wurde - waren es 6:31 ununterbrochen, wurde die halbe Stunde automatisiert abgezogen.

Ich kenne es nur so, dass dann 20 Minuten abgezogen werden, was dann eher eine arbeitnehmerfreundliche Interpretation darstellt. Aus rechtlicher Sicht spricht einiges dafür, dass nach sechs Stunden eigentlich 30 Minuten Pause angesagt sind.

Als ich noch Angestellte im ÖD war und mal der Meinung war, die angefangene Aufgabe unbedingt zu Ende führen zu müssen, habe ich in einem Monat an zwei Tagen die 10 Arbeitsstunden überschritten. Damals hatten wir Stempelkarten, und man konnte ganz genau nachvollziehen, dass ich nur für die Mittagspause ausgestempelt hatte. Ich staunte Bauklötze, als nach Abgabe der Stempelkarte die Personalabteilung persönlich bei mir meldete und mir mitteilte, dass mir da leider noch jeweils 15 Minuten pro Tag für die Pausen, die ich hätte machen sollen, abgezogen hätte. Und das, was ich über 10 Stunden gearbeitet habe, musste leider auch gestrichen werden, denn ich hätte maximal 10 Stunden arbeiten dürfen. Es war das erste und letzte Mal, das ich das tat.

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Hallo,

völlig unstrittig in der Fachliteratur ist wie schon geschrieben 6 Std. als absolute Obergrenze. Danach muss der „Hammer fallen“ und mindestens 30 Min. Pause gemacht werden.
Macht der AG dies unmissverständlich klar, besteht für die Überzeit auch kein Anspruch auf Vergütung.
Das Theater lässt sich aber vermeiden durch eine vernünftige Planung - zB indem der AG bei TZ-Verträgen eben nicht täglich die 6-Std.-Grenze „ausreizt“, sondern mindestens 10-15 Min. Puffer berücksichtigt.
Auch könnte der AG im Rahmen des Direktionsrechtes sehr wohl verlangen, daß bereits deutlich vor Erreichen der täglichen Obergrenze eine Pause gemacht wird.

Diese Haltung könnte beim nächsten Besuch der Aufsichtsbehörde recht teuer werden - vor allem dann, wenn der AG nicht mitbekommen konnte oder wollte, daß das BAG die Dokumentationspflichten des AG zur Arbeitszeit mit seiner Entscheidung vom 13.9.2022 - 1 ABR 22/21 deutlich über § 16 Abs. 2 ArbZG
§ 16 ArbZG - Einzelnorm
erweitert hat.
Auch die BGen interessieren sich für die Maßnahmen des AG zur Einhaltung des ArbZG. Diese können durchaus beitragsrelevant sein.

&tschüß
Wolfgang

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Ist tatsächlich bei uns im Betrieb ebenso.

Hallo,

das hier

ist jetzt nicht unbedingt „arbeitnehmerfreundlich“, sondern entspricht dem Gesetz.
Nach Ablauf von 6 Std. Arbeitszeit müssen mindestens 30 Minuten Pause gemacht werden. Darauf muss das System reagieren und bei Überschreitung von 6:00 Std. erst mal 30 Minuten in „Pause“ schalten. Ein Abzug von 0:30 Pause kommt nur dann in Betracht, wenn derAN/die ANin tatsächlich über 6:30 hinaus eingestempelt bleibt. Ansonsten verfällt halt nur die Zeit, die mehr als 6:00, aber unter 6:30 gearbeitet wird. Ein Pauschalabzug von 0:30 Pause bereits ab der ersten Minute der Überschreitung wäre rechtswidrig.

&tschüß
Wolfgang

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Danke allen Antwortern.

Ich habe extreme Bauchschmerzen damit, wenn ein Zeiterfassungssystem einen in der Realität begangenen Arbeitszeitverstoß durch eigenmächtige Verfälschung der Aufzeichnungen zu heilen versucht.

In meiner Vorstellung sollte so ein System wie das EU-Kontrollgerät im LKW arbeiten, welches bei Lenkzeitverstößen auch keine Ruhepausen erfindet um den schönen Anschein zu wahren.

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Ist aber wohl recht üblich. Bei meinem Arbeitgeber wird es auch so behandelt (und der ist nicht gerade klein) und bei diversen unserer Lieferanten und Dienstleister ebenso.

Das macht es natürlich nicht richtiger, aber durch diese Verbreitung ist die korrekte Behandlung schwer durchzusetzen. Selbst unser Betriebsrat, der sich eigentlich gut für die Mitarbeiter einsetzt, wiegelt mit dieser Begründung ab.

Servus,

ist das nicht unbedingt dasselbe, wie wenn ein Zeiterfassungssystem die Arbeiter nicht unnötig drangsaliert und sich mit einem „kommt“ und einem „geht“ zufriedengibt und die dazu passenden Pausen selber einsetzt und nicht jede Stulle und jede Zigarette einzeln ein- und ausstechen lässt.

Nach rund dreißig Jahren „Vertrauensarbeitszeit“ hab ich mich zwar widerwillig ans Stechen gewöhnt, aber dass ich die Pausen nicht auch noch extra stechen muss, gefällt mir schon recht gut - und meine Kollegen vom Vertriebs-Außendienst würden vermutlich einen Aufstand anzetteln, wenn sie das auch noch müssten…

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

das funktioniert so lange, bis mal ein AN klagt.

Tja, da fehlt es dann wohl offensichtlich an arbeitsrechtlichem Grundlagenwissen.

&tschüß
Wolfgang

Hallo @X_Strom,

vermische bitte nicht Arbeitszeiterfassung und Vergütung.

Ein Zeiterfassungssystem versucht nicht

Der ArbZ-Verstoss bleibt sichtbar. Der AG kann auf dieser Grundlage auch arbeitsrechtliche Maßnahmen wie zB eine Abmahnung ergreifen.
Es entbindet einen gesetzestreuen AG (die soll es ja geben :slight_smile: ), der ggü seinen Beschäftigten u.a. mit derartigen Einstellungen deutlich macht, daß er Verstösse nicht duldet, von der Vergütungspflicht der durch ArbZ-Verstoss geleisteten Arbeit.
Auch manche Beschäftigte lernen sowas nur unter „Schmerzen“.

&tschüß
Wolfgang

Danke für den Einwand. Ich habe mir nochmal „meine“ Software angesehen. Da kann ich einstellen „Pause nur anteilig abziehen“. Was zum gewünschten Effekt führt (weshalb mir für letzten Freitag 9 Minuten abgezogen wurden, ich sie meinem Arbeitgeber geschenkt habe. Das kommt davon, wenn man sich sagt „ich mache keine Pause, arbeite durch und gehe früher“ und nicht auf die Uhr schaut…)

Bei einer anderen Software, die die Firma einer Bekannten benutzt, werden pauschal 30 Min abgezogen. Wir haben tatsächlich im vergangenen Jahr einen Tag gefunden, wo sie 6:04 gearbeitet hat, 5:34 als Arbeitszeit und 30 Min als Pause automatisch gebucht wurden.

Ich danke Dir, @Albarracin für die Formulierungsideen gegenüber Kolleg:innen und Geschäftsführung.

Da hier auch das Thema mit den 10h aufkam:

Bei uns werden die Pausen nicht gestempelt, nur „kommen“ und „gehen“. 6 Stunden nach dem Kommen werden die nächsten 30min nicht als Arbeitszeit gewertet. Genauso nochmal 15min nach 9,5 Stunden (also nach 9h Arbeitszeit), denn da ist ja auch nochmal eine gesetzliche Pause.
Wer nach über 10,75 Stunden, also 10 Arbeitsstunden ausstempelt, bekommt nur 10h gutgeschrieben, daneben aber die Bemerkung, wie viel Zeit gekappt wurde, und das wird dann auch „nach oben“ gemeldet.

Das erfüllt so exakt die gesetzliche Vorgabe. Der Arbeitgeber kann uns, grade bei Gleitzeit, schlecht nach 6 Stunden vom Arbeitsplatz jagen, daher sagt er: „Nach 6 Stunden wirst du für 30min nicht bezahlt, und ich erwarte auch nicht, dass du da arbeitest“ Wer es trotzdem tut, ist halt selbst schuld.


Es ist natürlich gut, dass derart auf die Einhaltung der Pausen geachtet wird. Andererseits lässt es sich oft schwer vermeiden, nicht in die offizielle Pause hineinzuarbeiten. Soll ich den Kunden am Telefon sekundengenau abwürgen? Soll ich die ganze Produktion für 30min stehen lassen, obwohl ich sie in 2min wieder laufen lassen könnte?

Das ist normalerweise kein Problem. Beginne ich meine Pause halt ein paar Minuten später. Auf ein paar Minuten kommt es MIR nicht an.

Ist halt doof, wenn man pünktlich nach 6 oder 9h Feierabend machen will, und dann ein paar Minuten aufgehalten wird, die aber nicht bezahlt bekommt. Meine Frau setzt sich dann halt für 15min ins Wohnzimmer, und stempelt dann aus. Im Büro müsste man dann 15min warten, bis man geht.

Ist bei uns genauso geregelt, es ist aber rechtlich nicht korrekt, wenn nach (z. B.) 6,2 Stunden ausgestempelt wird und die volle Pausenzeit abgezogen wird, wenn ich @Albarracin korrekt verstanden habe.

Hab ihr dazu denn einen Betriebsvereinbarung o. ä?

Auch das Kappen der Zeit nach über 10 Stunden Arbeiten ist AFAIR nicht wirklich ok. Laut gesetzlicher Bestimmung sind es „in der Regel 10 Stunden“.

Das wiederum finde ich (aus menschlicher Sicht) fragwürdig!

Nutzt deine Frau ausnahmslos die Arbeitszeit fürs Arbeiten? Es ist noch nie vorgekommen, dass sie zwischendurch mit jemandem von den Kollegen Privates ausgetauscht hat, Sie hat nie zwischendurch eine Kaffee geholt oder ist auf die Toilette gegangen oder hat auch mal einen Tag gehabt, an dem es ihr nicht so gut ging, so dass sie langsamer gearbeitet hat?

Habe nochmal nachgesehen und festgestellt, dass ist das mit einer anderen Sache verwechselt habe. Ich gehe trotzdem davon aus, dass es nicht „einfach so“ gekappt werden darf.

Hallo,

nicht einfach so, aber - wie im Fall Pausenabzug - durchaus nach klarer Ansage des AG. Dafür reicht es schon aus, wenn der AG die AN bei Einführung des Erfassungssystems auf die automatische Kappung hingewiesen hat.

das hast Du richtig verstanden, denn legal abgeleistete Arbeit - also bis 6:00 std. vor der „Zwangspause“ muss auch vergütet werden.

Als ehrenamtlicher Richter hatte ich durchaus mehrere ähnlich gelagerte Fälle. Und meine (hauptamtliche) Richterin hat den AG immer klar gemacht, daß sie eben für rechtskonforme Arbeitszeiterfassung etwas mehr Geld in die Hand nehmen müssen und sich nicht auf Billigangebote einlassen dürfen, die nur „Pauschalabzug“ können.
Und auch der andere ehrenamtliche Richter (von der AG-Seite) hat idR regelmäßig den Kopf geschüttelt wegen der abwegigen Begründungen der verklagten AG.

Fazit: Die minutengenaue Erfassung und Vergütung von geleisteter Arbeit ist schon lange Standard und wird von der Rechtsprechung angewandt.
&tschüß
Wolfgang

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