Pearl Harbour

… gerade lief es wieder im Fernsehen.

Guten Abend,

die Darstellung war so, dass die Amerikaner vollkommen überrascht wurden. Jedenfalls waren keine nennenswerten Vorkehrungen getroffen worden.
Irgendwann hörte ich mal, dass die Amerikaner sehr wohl wussten, dass sowas kommt. Man suchte, wartete nur auf einen Anlass, die sehr kriegsunwillige Bevölkerung vom Kriegseintritt zu überzeugen.

Verschwörungstheorie?

Das fragt sich
Laika

Was wissen wir im Grossen und Ganzen
Hallo laika,

es ist eine schwierige Frage, selbst wenn die meisten der damaligen Geheimdokumente bekannt sind. Nämlich auf einen Präsidenten der USA kommen ständig die unterschiedlichsten Meldungen und Spekulationen zu.

So wurde bereits im Januar 1941 (unter vielen anderen) die Meldung kolportiert, Japan habe vor, Pearl Harbour anzugreifen. Das allein rechtfertigt aber längst nicht ein Wissen Roosevelts, da in solch unsicheren Zeiten jeden Tag allerlei Meldungen dieser Art kursieren.

Über die letzten Tage vor dem Angriff wissen wir etwa Folgendes:

Ab Mitte 1941 konnten die USA den gesamten Funkverkehr zwischen Tokyo und der japanischen Botschaft in den USA entschlüsseln („Magic“-Projekt mit vereinten Kräften von Navy & Army). Tokyo schlug im August eine breitangelegte Gipfelkonferenz vor, die durch den amerikanischen Aussenminister Hall und besonders duch den Einfluss der Chinesen verhindert wurde. Im Herbst war das Verhältnis beidseitig gespannt, d. h. sowohl die USA als auch Japan trafen Kriegsvorbereitungen im weiteren Sinn (seitens Japan vor allem militärisch, seitens USA aber vor allem durch Embargo). Beide Seiten wussten von den wichtigsten Gesamtvorbereitungen der anderen Seite, d. h. Krieg galt beiderseits als ernsthaft drohende Gefahr.

Ende November scheiterten die direkten Verhandlungen zwischen den beiden Seiten, d. h. beide rechneten mit Krieg.
Die Führung der US Navy rechnete seit 1932 Pearl Harbour zu den erstrangig bedrohten Kriegszielen Japans; es gingen auch vor 1942 ernstzunehmende Vorstösse zur Änderung der dortigen Lage beim Präsidenten ein. Die amerikanischen Kryptologen entschlüsselten das Datum, 7.12.41, als vorgesehenes Angriffsdatum, und sie wussten seit spätestens dem 1. Dezember, dass eine japanische Trägerkampfgruppe mit Ziel Pearl Harbour unterwegs war.

Am 6.12. vormittags wurde Roosevelt durch die Briten informiert, dass Japaner in der Nähe von Siam waren, was zum offiziellen Bündnisfall GB-USA führte. Man könnte das als theoretischen Kriegszustand mit Japan werten (die Geheimverträge verpflichteten die USA, die Briten und Niederländer zu unterstützen, somit waren sie streng genommen im Krieg). Da Roosevelt diesen Zustand wesentlich zu verantworten hatte, drohte ihm damit eine Krise durch den (am Frieden interessierten) Kongress; dies könnte eine Motivation sein, dass er zu diesem Zeitpunkt ein besonderes politisches Interesse hatte, offiziell in den Krieg einzutreten; er wollte jedoch keinesfalls als Angreifer eintreten.

Die Generäle Marshall und Stark, die zuständig waren, um Pearl Harbour zu warnen, haben gleichsam geschlafen. Man kann mit meinem bisherigen Wissensstand nicht sagen, ob hier ein unglaubliches Zusammentreffen von Zufällen oder geheime Instruktionen den Ausschlag gaben, die Warnungen bis nach dem Angriff zu unterlassen.

Sicher ist, dass die japanische Kriegserklärung mit 1 Stunde 20 Minuten zu spät eintraf, allerdings durch ein japanisches Versehen in der Übermittlung (klar dokumentiert). Dadurch entstand die Meldung vom „Überfall ohne Kriegserklärung“, der so nicht ganz stimmt.

Gruss,
Mike

Hallo Mike,

es ist eine schwierige Frage, selbst wenn die meisten der
damaligen Geheimdokumente bekannt sind. Nämlich auf einen
Präsidenten der USA kommen ständig die unterschiedlichsten
Meldungen und Spekulationen zu.

Ja, und dann gibt es ja auch noch Geheimabreden, die nirgends dokumentiert sind.

So wurde bereits im Januar 1941 (unter vielen anderen) die
Meldung kolportiert, Japan habe vor, Pearl Harbour
anzugreifen. Das allein rechtfertigt aber längst nicht ein
Wissen Roosevelts, …
Ende November scheiterten die direkten Verhandlungen zwischen
den beiden Seiten, d. h. beide rechneten mit Krieg.
Die Führung der US Navy rechnete seit 1932 Pearl Harbour zu
den erstrangig bedrohten Kriegszielen Japans; …

Daran gemessen, haben dann aber die (kommandierenden) Leute vor Ort wohl eher fahrlässig gehandelt. Im Film wurde es schon so dargestellt, dass die völlig arglos waren.

… und sie wussten seit spätestens dem 1.
Dezember, dass eine japanische Trägerkampfgruppe mit Ziel
Pearl Harbour unterwegs war.

Dann ist rätselhaft, warum die Amerikaner so arglos waren. Einige Massnahmen hätten sie ja wohl auch ohne den Präsidenten treffen können.

Sicher ist, dass die japanische Kriegserklärung mit 1 Stunde
20 Minuten zu spät eintraf, allerdings durch ein japanisches
Versehen in der Übermittlung (klar dokumentiert).

Im Film war es die mangelhafte Technik und Organisation der Funkverbindungen USA - Hawaii. Angeblich musste man auch auf das private Hawaii-Telefon- und -Botennetz zurück greifen. Da wurde gezeigt, wie die Meldung durch einen ganz normalen Postboten auf einem alten Motorrad über die holprigen Straßen gefahren wurde.

All die säuberlich von Dir aufgeführten Dinge sind großenteils gar nicht erwähnt worden (vielleicht geht das in einer 3/4-Stunden-TV-Sendung nicht …). Dennoch kommt der Eindruck auf, dass der TV-Bericht ziemlich tendenziös war.

Fragt sich, ob das auch für den darauf folgenden Bericht über die Vorgeschichte des Atombombenabwurfs auf Hiroshima auch der Fall war. Das wurde dort als beinahe zwingende Norwendigkeit dargestellt. Worüber ich eine ziemlich klare Meinung habe. Aber das nur nebenbei.

Gruss,
Laika

Hallo laika,

warum die Amerikaner so arglos waren

Da muss man differenzieren. Die amerikanische Führung war mit Sicherheit nicht arglos, sie wusste, dass Japan nach dem Scheitern der Verhandlungen nur noch Krieg wollte (das wusste man durch die Dechiffrierung der japanischen Instruktionen an den Botschafter).

Arglos war der verantwortliche Offizier in Pearl Harbour. Die ehemals Verantwortlichen, welche um die Gefahr gewusst hatten, waren ausgewechselt worden. Wir wissen nicht, inwieweit dies System hatte.
Admiral Richardson, Verantwortlicher für die Flotte, sprach 1940 gegenüber dem Präsidenten seine Bedenken gegen deren Stationierung in Pearl Harbour aus - mit dem Argument der Gefährdung von Pearl Harbour. Er wurde auf 1.1.41 durch den relativ unerfahrenen Admiral Kimmel abgelöst, welcher bis zum Angriff verantwortlich blieb. Kimmel und sein Mitverantwortlicher Short wurden seit Juli '41 vergleichsweise äusserst spärlich durch Washington über die Lage mit Bezug auf die japanische Armee informiert. Da Washington die wichtigsten Verteidigungsanlagen (Flugzeugträger) aus Pearl Harbour abzog, war aus der Sicht von Kimmel und Short anzunehmen, sie seien nicht in Gefahr; es muss also in höherer Charge in Washington einen Gegensatz zwischen Wissen und Unwissen gegeben haben; es ist nicht klar, an welcher Kommandostelle das möglich war. Schlampereien gab es schon immer, Schlaumeiereien auch - also von der amerikanischen Position aus ist eine schicksalhafte Verkettung von Umständen ebenso möglich wie ein gezieltes Opfern Pearl Harbours. Auf jeden Fall wäre Ersteres geeignet, den grossen Verlust auf amerikanischer Seite zu erklären; für Letzteres sprechen die persönlichen Vorteile Roosevelts.

dass der TV-Bericht ziemlich tendenziös war

Der ist bestimmt nicht der erste.

Gruss,
Mike

Film und Wirklichkeit sind oft zweierlei.Man sollte nicht vergessen,das Pearl Harbor nicht der erste und auch nicht der letzte
militärische Stützpunkt gewesen ist,der in einem bis dato friedlichen Land überfallen wurde.
In einem Hafen vor Anker liegende Schiffe sind immer eine leichte Beute für Angriffe aus der Luft,da sie sich nur unvollkommen Verteidigen können.Hier muss man wirklich die Fragestellung an die Führung in Washington richten,warum man bei der bestehenden Kriesenlage die Schiffe nicht in See geschickt hat.

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Hallo Benny,

finde ich richtig. Evakuierung ist nicht Aufgabe der Offiziere vor Ort, die obendrein wenig Kenntnis über die Lage besitzen.

Allerdings ist wohl einiges in der Übermittlung schiefgelaufen. Dass Marshall und Stark in einer Weise untätig blieben, die einer Untreue gegenüber dem Auftrag gleichkommt, habe ich erwähnt. Man kann sich zusätzlich fragen, warum die Übermittlungsmittel nach Pearl Harbour vernachlässigt wurden (Etliches kam via Postbote!) und ob die Lage nicht wenigstens eine vorsorgliche Teilevakuierung nahelegte.

Gruss,
Mike

Hallo Mike,

… sie wusste, dass Japan nach dem
Scheitern der Verhandlungen nur noch Krieg wollte …

Wenn ich richtig informiert bin, hatte ausgerechnet der japanische General Yamamoto, den die Amerikaner dann später abgeschossen hatten (weil sie die Funksprüche entschlüsseln konnten), die japanische Regierung vor einem Angriff auf die USA gewarnt. „Damit wird ein schlafender Riese geweckt!“ Womit er dann ja auch recht behielt.

… von der amerikanischen Position aus ist eine schicksalhafte
Verkettung von Umständen ebenso möglich wie ein gezieltes
Opfern Pearl Harbours. Auf jeden Fall wäre Ersteres geeignet,
den grossen Verlust auf amerikanischer Seite zu erklären; für
Letzteres sprechen die persönlichen Vorteile Roosevelts.

Wobei Ersteres bei manchen nicht unbedingt zählt. Denk nur an die Versenkung der französischen Flotte in Marseille durch die Engländer, damit sie nicht den Deutschen in die Hände fällt. Tausende französischer Seeleute sind dabei ums Leben gekommen. Churchill hat es angeordnet. „Shit happens“ im Krieg?

Gruss
Laika

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Hallo laika,

nur noch Krieg wollte

naja, jedenfalls mit keiner andern Perspektive rechnete. Natürlich versuchte man noch über Dritte zu verhandeln, jedoch ohne Erfolg.

Im übrigen trifft

nicht unbedingt zählt

leider wohl den Kern der Geschichte. Es muss offenbar Menschen gegeben haben (vermutlich auf mehreren Seiten), die dem Vorteil ganz weniger das Schicksal ganzer Kontinente zum Frass vorwarfen.

Gruss,
Mike

hallo Benny,

Hier muss man wirklich die Fragestellung an die Führung in
Washington richten, warum man bei der bestehenden Kriesenlage
die Schiffe nicht in See geschickt hat.

Da tust du der Führung unrecht. Die träger waren draussen und
die modernen Schlachtschiffe an der Westküste. In Pearl lagen
‚zufällig‘ nur alte Kähne aus dem 1sten Weltkrieg.
Ausserdem galt der Hafen als sicher vor Torpedoabwürfen aus
Flugzeugen, das er nur 15 Meter Tiefe hat.
Also musste die Führung nur mit leichten bis mittleren Schäden
an veralteten Pötten rechnen …

Gehandelt hat sie, indem sie die Flugabwehr deutlich verstärkte
hat. Dadurch verloren die Japaner 4x soviele Maschienen als sie
vorher einkalkuliert hatten.

Die Marinefunkstation in San Diego wurde auf direkten Befehl
aus Washington Tage vor dem Angriff ‚zur Wartung‘ abgeschaltet
und die Übermittlung einer Warnung über zivile Postsender
war verboten … an der Stelle beginne ich nachzudenken.

Dazu wusste die US-Regierung, dass Japan die Durchführung
des Angriffs auf Pearl Habour vom Ausgang von Verhandlungen
mit den USA über Ölllieferungen abhängig gemacht hatte und
liess die Verhandlung promt platzen … also Angriff auf
Bestellung.

Viele Grüße

Jake

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Hallo Jake,

Gehandelt hat sie, indem sie die Flugabwehr

Das spricht einerseits eher gegen die Opfertheorie, die Frage ist allenfalls, ob so eine Verstärkung der Flugabwehr mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ohne eine Ahnung der Japaner durchgeführt werden konnte.

Wenn die Verstärkung der Flugabwehr sich nicht besser tarnen liess als besser werdende Übermittlung, dann ist wohl die schlechte Übermittlung keine „absichtliche“ Massnahme, da die Japaner nicht nur die verbesserte Information des Gegners, sondern auch seine verbesserte Flugabwehr fürchten mussten.

liess die Verhandlung prompt platzen

ist natürlich andererseits wiederum verdächtig, solange nicht umfassend bekannt ist, welche Versuche über Drittstaaten als Vermittler getätigt wurden (worüber ich auch nicht Bescheid weiss).

Gruss,
Mike