Pendant zur Virtualität im Mittelalter

Hi, Ihr Lieben,
es geht starkauf Weihnachten zu, und ich suche für ein besinnliches Thema ein paar Literaturtips:

  1. Was im Mittelelalter kann man mit der Virtualität der heutigen Zeit vergleichen?
  2. Raumverständnis im Mittelalter
  3. Das Ich- im MA und heute (multiple Persönlichkeit)

Danke Euch schoneinmal und einen schönen 1. Advent wünscht,

Isa

Liebe Isa,
anbei ein paar skizzierte Anregungen:

  1. Was im Mittelelalter kann man mit der
    Virtualität der heutigen Zeit
    vergleichen?

Die Idee des Gottesstaates bei Augustinus. In Kürze: Der Gottestaat existiert außerzeitlich - da auch Gott außerhalb der Zeit existiert. Der Gottesstaat besteht aus den Engeln und allen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Menschen, die von Gott auserwählt wurden, um die Lücke aufzufüllen, die durch den Sturz Luzifers und seiner Truppen gerissen wurde.
Während Gott den Gottesstaat in seiner Ganzheit sieht, ist dieser für den Menschen keine greifbare, sondern eine virtuelle Realität, da er sich aus den gestorbenen, noch lebenden und noch nicht geborenen Menschen zusammensetzt.

  1. Raumverständnis im Mittelalter

Weltkarten des Mittelalters, in denen die räumliche Vorstellung sich der heilsgeschichtlichen Ordnung unterwirft. In der Mitte z.B. Rom, die zeitlich vorher liegenden Zentren der Heilsgeschichte (z.B. Jerusalem) im Osten, ganz im Osten das Paradies.

  1. Das Ich- im MA und heute (multiple
    Persönlichkeit)

Wolfram von Eschenbachs Parzival als Entwicklungsgeschichte und Definition des Ichs durch Einordnung in u.a. familiäre Zusammenhänge. Dort auch Thematisierung der „Geschecktheit“ des Menschen aus reinen und unreinen, guten und schlechten Teilen, ins Bild gebracht durch den äußerlich wie eine Elster gescheckten Feirefiz.

Falls Du mit diesen hingeworfenen Skizzen nicht genug anfangen kannst, frag bitte noch mal nach.
Anette

Virtualität im Mittelalter-super!!!
liebe anette!

vielen vielen dank, das hat mir schon sehr viel gebracht. ich werde mir wohl den „parzival“ nochmals zu gemüte führen, ist doch was länger her.
sicherlich gibt es auch genügend sekundärmaterial zu dem thema?

eine frage hätte ich noch:

gibt es den „Gottesstaat bei
Augustinus“ in einem buch dokumentiert, oder ist es ein werk der zeit, das man einsehen kann?

liebe grüsse, isa

Liebe Isa,

wenn Du den Parzival nicht im Original lesen willst - es gibt eine wirklich schöne Übersetzung von Peter Knecht. Sekundärmaterial gibt es haufenweise. Ad hoc fällt mir aber nur der Autor Joachim Bumke ein, der u.a. über die Familie im Parzival veröffentlicht hat. Soll ich noch mal nachschauen, oder kommst Du zurecht?

Ein wesentliches Werk des Augustinus heisst „De civitas dei“. Sekundärmaterial kenne ich leider keines. Gibt es aber bestimmt.

Da fällt mir noch was ein: Wie wär’s mit den Scholastikern? Die Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, könnte doch auch in Richtung Virtualität gehen. Denn Engel sind zwar Realität, aber eben nicht im materiellen Sinne…

Ich würde wirklich gerne wissen, was Du daraus machst. Vielleicht denkst Du ja an mich, wenn Du es fertig hast. Würd mich freuen.

Liebe Grüße
Anette

Scholastiker? die sind doch die antivirtuellsten
det iss ja ne prima diskussion! :wink:

ich möchte noch einen ganz anderen ansatz vorschlagen: den von transzendenz und immanenz. Immanent wäre dann das, was wir heute realität nennen, transzendent das, was heute virtuell ist. klar, das ganze ist eigentlich erst mit der reformation und vor allem kopernikus richtig zum ausdruck und ausbruch bekommen, im sinne von verlassen des damals üblichen weltbildes. das führt zum genauen gegenteil von:

Da fällt mir noch was ein: Wie wär’s mit
den Scholastikern?

denn mir scheinen die scholastiker die zu sein, die an der aufrechterhaltung der alten ordnung, am eins-fühlen von subjekt und objekt (um das mal erkenntnistheoretisch zu sagen), an gott als transzendentem wesen herumdachten. deswegen sind gerade die transzendenten bilder der häretiker, die das in frage stellten, die „virtualitäten der grenzüberschreitung“.

hm. drücke ich mich verständlich aus? ist schon spät… hauptfrage ist dann, welche häretiker am besten passen… *hm, nachdenk

dietmar

det iss ja ne prima diskussion! :wink:

Das find ich auch…

ich möchte noch einen ganz anderen ansatz
vorschlagen: den von transzendenz und
immanenz. Immanent wäre dann das, was wir
heute realität nennen, transzendent das,
was heute virtuell ist.

Also damit wäre ich nicht einverstanden … immerhin bestimmt doch für das MA die transzendente Welt die immanente? Man könnte sogar sagen, daß die transzendente die „wirklichere“ Welt ist… demzufolge ist eher das ma. Konzept der immanenten Realität dem Begriff der Virtualität näher.

(das gilt übrigens auch für den Gottestaat. Die civitas dei liegt mit der civitas terrena im - geschichtlichen - Kampf, ist also „in“ der Realität selbst vorhanden)

Da fällt mir noch was ein: Wie wär’s mit
den Scholastikern?

denn mir scheinen die scholastiker die zu
sein, die an der aufrechterhaltung der
alten ordnung, am eins-fühlen von subjekt
und objekt (um das mal
erkenntnistheoretisch zu sagen), an gott
als transzendentem wesen herumdachten.
deswegen sind gerade die transzendenten
bilder der häretiker, die das in frage
stellten, die „virtualitäten der
grenzüberschreitung“.

hm. drücke ich mich verständlich aus? ist
schon spät… hauptfrage ist dann, welche
häretiker am besten passen… *hm,
nachdenk

Über die Scholastik müßte man wirklich nachdenken … mir fallen dazu die Nominalisten ein, deren Konzept der Universalien (-> Universalienstreit), die keine eigene Realität besitzen, noch am ehesten „virtuell“ zu nennen wäre.

„Bleiben wir im Gespräch“ (wie die Post-Werbung in Ö immer sagt)!

Benjamin