Peter Bieris Ansichten

Hallo zum Zweiten

Bieri sagt, dass jeder, der glaube, die Neurowissenschaften seien
grundsaetzlich in der Lage, den freien Willen zu widerlegen, einem
Kategorienfehler aufsitze.

Unser Freiheitskonzept verhalte sich zur Hirnphysiologie wie das
aesthetische Empfinden und die Interpretation eines Gemaeldes zu
Leinwand und Farbe.

Unsere Interpretation des Bildes sei zwar von der Zusammenstellung
der Farben und vom Motiv (also von der Materie) beeinflusst, aber
doch weitaus mehr, ja sogar etwas voellig anderes als diese.

Bieri raeumt ein, dass unser Wollen eine eindeutige physiologische
Grundlage habe, aber doch eben nichts Materielles sei.

Zitat: Unser Wille ist frei, wenn er sich unserem Urteil darüber
fügt, was zu wollen richtig ist.

Da frage ich: Woher kommt denn dieses Urteil? Das ist doch nur eine
Verschiebung des Problems.

Und der Wille ist unfrei, wenn Urteil und Wille auseinander
fallen - das ist der Fall beim Unbeherrschten, den seine
übermächtigen Wünsche überrennen und zu einer Tat treiben, die er bei
klarem Verstand verurteilt; und es ist der Fall beim inneren Zwang,
wo wir gegen besseres Wissen einem süchtigen Willen erliegen. Die
Unfreiheit zu überwinden und zur Freiheit zurückzufinden heißt
jeweils, Urteilen und Wollen wieder zur Deckung zu bringen und eine
Plastizität des Willens zurückzugewinnen, die in dem Gedanken
Ausdruck findet: Ich würde etwas anderes wollen und tun, wenn ich
anders urteilte. Das nämlich ist die richtig verstandene Offenheit
der Zukunft.

Das ist die Auffassung des Kompatiblismus, der wie in meinem 1.
Posting von heute gechrieben, keine Gegenposition zum Determinismus
ist.

Weiterhin:
Aber zeigen die Bilder nicht, dass in Wirklichkeit gar nicht wir
entscheiden, sondern das Gehirn? Das klingt, als wären wir unfreie
Marionetten. Doch so kann es nicht sein. Das Gehirn nämlich kann gar
nichts entscheiden, die Idee des Entscheidens hat keinen logischen
Ort in der Rede übers Gehirn. Entscheidungen im eigentlichen Sinne
gibt es nur, wo von Gründen und Überlegen die Rede sein kann. Es ist
ein Fehler, in die Rede über das Hirn einen Begriff wie „entscheiden“
aus der Sprache des Geistes einzuschmuggeln. Es ist so, als spräche
man in der physikalischen Geschichte über ein Gemälde plötzlich von
seinem Thema.

Wie oben weist Bieri hier auf den Unterschied zwischen Materie
(Gehirn) und Idee (Entscheidung) hin. Und weil diese in verschiedene
Schubladen gehoeren, kann man eins nicht auf das andere reduzieren.

Ich kann Bieri in allen Punkten Recht geben, weil er kein Argument
gegen den Determinismus bringt. Dieser besagt naemlich, dass unser
Wille, unsere Gedanken und Gefuehle, also das Nichtmaterielle in uns,
physiologisch und historisch determiniert ist. Damit wird die
Exiztenz des Nichtmateriellen nicht in Frage gestellt.

Die weiteren Schlussfolgerungen Bieris, dass unser traditioneller
Verantwortungs- und Schuldbegriff von der Hirnforschung nicht
angegriffen werden koenne, teile ich ueberhaupt nicht. Er behauptet
naemlich, dass jeder, der im Sinne des Kompatiblismus frei sei, auch
voll verantwortlich fuer sein Tun sei. Das ist doch aber Quatsch,
wenn er selbst zugibt, dass unser Wille, also unser Handlungsantrieb,
nicht unserer Kontrolle unterliegt, sondern physiologisch und
historisch determiniert sei. Ob der Wille nun materiell oder
nichtmateriell ist, spielt dabei keine Rolle.

Ich hoffe, es gibt noch mindestens einen, der meine Ausdauer teilt,
diese Dinge zu diskutieren.

Gruss, Tychi

Hallo zum Zweiten

Bieri sagt, dass jeder, der glaube, die Neurowissenschaften
seien
grundsaetzlich in der Lage, den freien Willen zu widerlegen,
einem
Kategorienfehler aufsitze.
Ich hoffe, es gibt noch mindestens einen, der meine Ausdauer
teilt, diese Dinge zu diskutieren.

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,
ich teile und vertrete die Ansicht Bieris, daß der Mensch einen freien Willen besitzt.
Und ich teile Deine Ansicht, daß seine Argumente in jenem Spiegelaufsatz absolut unhaltbar sind.
Der Philosoph als Anwalt des Privatmenschen gegenüber den mächtigen Wissenschaften und ihren Maschinen, hätte in Bieri sicher versagt, - falls es sich bei jenem Aufsatz nicht nur um eine journalistische Übung handelt, bei der man eben vereinfachen muß.

Ich kann dies belegen - zu Deiner Freude - sicherlich :smile:, und bin noch dabei, einen besseren Ansatz, den einzig möglichen! zumindest anzudeuten.

Das ergeben aber so drei bis vier Seiten Text. Ich hoffe, ich komme morgen endlich dazu.
ganz herzlich
Friedhelm

Hallo Friedhelm

ich teile und vertrete die Ansicht Bieris, daß der Mensch
einen freien Willen besitzt.
Und ich teile Deine Ansicht, daß seine Argumente in jenem
Spiegelaufsatz absolut unhaltbar sind.
Der Philosoph als Anwalt des Privatmenschen gegenüber den
mächtigen Wissenschaften und ihren Maschinen, hätte in Bieri
sicher versagt, - falls es sich bei jenem Aufsatz nicht nur um
eine journalistische Übung handelt, bei der man eben
vereinfachen muß.

Na ja, aber wenn er auch vereinfacht hat, so waeren in einem
Fachaufsatz die Argumente doch die gleichen, oder? Sie waeren nur
komplizierter dargestellt. Oder meinst du, er haette fuer die
Fachwelt ganz neue und voellig andere Argumente parat?

Gruss, Tychi

Hallo!

Als Anhänger Kants bin ich davon überzeugt, dass der Mensch einen freien („guten“) Willen hat, da er nicht dem Kausalitätsprinzip unterworfen ist, sondern neben der empirischen Welt auch Bewohner der noumenalen Welt ist.

Aber zurück zu Bieri:

Ich weiß nicht genau, ob dieser bei der zweitletzten Ausgabe von „Das philosophische Quartett“ etwas zum freien Willen gesagt hat, aber bei dem Thema „Neues von der Seele“ ist das schon möglich.

Vor allem die Äußerungen zu den „metaphysischen Physikalisten“ beschäftigen sich, glaube ich, mit diesem Thema.

Auch wenn die Frage nach dem freien Willen nicht beantwortet wird, so denke ich doch, dass sich das Gespräch mit Rüdiger Safranski, Peter Sloderik und Durs Grünbein für jeden Philosopieinteressierten anzuschauen lohnen würde.

Die Sendung findest du unter folgendem Link:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/8/0,4070,31524…

Tipp: Einfach auf „Vollbild“ rechts neben dem Fenster klicken und dann bequem ansehen.

Nathan

Hallo!

Als Anhänger Kants bin ich davon überzeugt, dass der Mensch
einen freien („guten“) Willen hat, da er nicht dem
Kausalitätsprinzip unterworfen ist, sondern neben der
empirischen Welt auch Bewohner der noumenalen Welt ist.

Aber zurück zu Bieri:

Nathan

Hallo Nathan,
man bezeichnet gelegentlich auch das Bewußtsein oder das Ich als die noumenale Form des Menschen. Ich glaube, auch das sollte man offen lassen.
ganz herzlich
Friedhelm

Hallo Tychi,
das hoffe ich eigentlich. D.h. wenn ich ihn zwar dem Wortlaut nach
richtig, dem Sinn nach aber falsch verstanden habe.
Jedenfalls war/ist jener Aufsatz von Bieri für mich ein wunderbarer Anlaß, per Kritik so einiges Unhaltbare darin zu präzisieren.
ganz herzlich
Friedhelm

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Das ist doch aber

Quatsch,
wenn er selbst zugibt, dass unser Wille, also unser
Handlungsantrieb,
nicht unserer Kontrolle unterliegt, sondern physiologisch und
historisch determiniert sei. Ob der Wille nun materiell oder
nichtmateriell ist, spielt dabei keine Rolle.

Ich hoffe, es gibt noch mindestens einen, der meine Ausdauer
teilt,
diese Dinge zu diskutieren.

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,
hier ist meine versproche Kritik an Bieri:

#“Betrachten wir ein Gemälde. Wir können es als einen physikalischen Gegenstand beschreiben. Wir können aber auch vom dargestellten Thema sprechen. Oder es geht uns um Schönheit und Ausdruckskraft. Oder um den Handelswert. Derselbe Gegenstand wird aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben. Alles, was wir sagen, ist im gleichen Sinne wahr. Es ist wahr, dass das Bild 30 Kilogramm wiegt und in Öl gemalt ist - und es ist wahr, dass es das Abendmahl darstellt, ein verkitschtes Machwerk ist und einen zu hohen Preis erzielt hat. Keine der Beschreibungen ist näher an der Wirklichkeit oder besitzt einen höheren Grad an Tatsächlichkeit als die anderen. Wir haben unterschiedliche Systeme der Beschreibung für unterschiedliche Zwecke entwickelt. Keines ist einem anderen ohne Rücksicht auf den Zweck, also absolut überlegen.

Man darf verschiedene Perspektiven nicht vermischen. Denken wir uns jemanden, der ein Bild zerlegte, um herauszufinden, was es darstellt: Wir würden ihn für verrückt halten - verrückt im Sinne eines Kategorienfehlers. Es geht nie gut, wenn wir Fragen, die sich auf der einen Beschreibungsebene stellen, auf einer anderen zu beantworten suchen. Es entstehen begriffliche Vexierbilder, die uns verhexen können.“#

Bieri behauptet: „Man darf verschiedene Perspektiven nicht vermischen.“ Und wieso nicht?? Dies behauptete aber auch Kant, womit er (fälschlich übrigens!) glaubte, die Widersprüche der verschiedenen Antinomien als nur scheinbare Widersprüche entlarft zu haben. Bieri kennt natürlich Kant und tut dasselbe. Und weil er dies tut, - vielleicht in der Annahme, dass ein halbwegs gebildeter Mensch, wie ein Spiegelleser, von diesen Gegenbeweisen von Kant weiß, was wohl in jeder 12 Klasse mal Thema ist, muß seine Behauptung deswegen noch lange nicht falsch oder richtig sein, wirst du argumentieren. OK.
Also prüfen wir den Text von Bieri unvoreingenommen im Original, wobei Du ja bereits behauptest, dass dort etwas in einer verbindlichen Bedeutung steht, die ich aus Bosheit, Voreingenommenheit oder Blödheit nicht verstehen will. Wärst Du mein Deutschlehrer, Du würdest mir vorwerfen, den Text nicht verstanden zu haben, wie er beweisbar Schwarz auf Weiß dort stehe. (Ich hätte bei Dir schlechte Karten! :frowning:)
Die Sache ist tatsächlich aber sehr viel komplizierter, lieberTychi, als es Bieri hier vortäuscht, - oder vielleicht tatsächlich selbst glaubt, was ich nicht unterstelle, wenn er die beiden Betrachtungsmöglichkeiten oder „Ebenen“ bei einem Gemälde so unterscheidet, als hätten sie nichts miteinander zu tun - worauf ich übrigens bereits in meiner ersten Antwort und dann jedes Mal wieder hinwies. (Aber da hast Du Dir jedes Mal die Ohren bzw. Augen zugehalten.)
Jeder „versteht“ natürlich, was Bieri meint, - oder was man mit solcher Unterscheidung meint, oder was Kant meinte. Im trivialen Alltag trifft das ja auch zu. Man kann sich vorstellen, dass ein Kunstliebhaber vor einem Bild sagt: „Reden wir nicht davon, dass der Künstler eine schlechte Leinwand und billige Farben und Bindemittel benutzt hat, betrachten wir davon ganz unabhängig nur die künstlerische Aussage und Qualität.“ OK.
Diese triviale Unterscheidungsmöglichkeit zweier Ebenen soll nun aber als Argument und Prämisse dienen, womit die fundamentale Frage nach der Entscheidungsfreiheit des Menschen positiv entschieden werden soll. Denn Bieri behauptet ja, und das ist die Kernaussage des Aufsatzes, dass solche unterschiedlichen Ebenen auch beim Menschen bestehen, nämlich einerseits das Somatische, sein Körper, seine Physis und Biologie, und auf der anderen Seite das Mentale, Psychische, Gedankliche, und auch eben die Entscheidungsfreiheit bzw. die mögliche Selbstbeherrschung, und dass diese Ebenen nicht vermischt werden dürfen.

Was ich dagegen jetzt beweisen kann, ist eigentlich nichts Schlimmeres, als dass Bieri mit dieser Behauptung genau das bereits als Prämisse benutzt, was er zu beweisen vorgibt.
Noch ein Vorwort: Du wirst mir jetzt wieder vorwerfen, dass ich mir nach Belieben einen Satz heraussuche, und nur darauf herumhacke. Also keine Angst! Dieser obige Satz „Man darf verschiedene Perspektiven nicht vermischen.“ ist zwar der Angelpunkt der ganzen Argumentation und sollte deswegen auch entsprechend vorrangig beurteilt werden. Aber die anderen Sätze folgen dann auch noch, - besonders seine Behauptungen bezüglich bestimmter „falscher“ Vorstellungen von Freiheit.
Zuerst also Bieris Schlüsselargument „Man darf verschiedene Perspektiven nicht vermischen.“:
Du selbst, (falls ich es recht sehe) sagtest bereits ganz richtig: „Nicht der Satz teilt sich mit, sondern die Interpretation des gelesenen Satzes durch den Leser. Und sie teilt sich nicht mit, sondern ist Ergebnis eines hermeneutischen Prozesses.“ Das ist ja, was ich sage. Alles an dem Bild ist (scheinbar) Materie und Form bzw. Material, objektiv, empirisch, wissenschaftlich und sachlich. Wo ist also an dem Bild eine Ebene, die ich nicht mit einer anderen vermischen dürfte? Die Form des Rahmens wie auch der Verlauf der Farbe, Ductus, Firnis usw. – und auch der Preis auf dem Preisschild.
Dies alles ist eine Ebene. Oder soll ich Farbe und Leinwand und Preisschild als verschiedene Ebenen sehen? Sicher nicht.
Bieri nennt als unterschiedliche Ebenen explizit: „Schönheit und Ausdruckskraft und Handelswert.“ Aber das sind eindeutig subjektive Kriterien nicht des Gegenstandes „Bild“, sondern im Gemüt eines ganz anderen Gegenstandes, nämlich eines Menschen, der sich das Bild ansieht.
Daß man den Betrachter und seine Psyche aber nicht mit dem Bild vermischen kann oder darf, braucht mir niemand zu sagen.
Und das meint Bieri ja auch nicht.
Der Betrachter und seine Empfindung ist nicht eine von vielen Ebenen des Bildes.
Aber Bieri gibt einen Hinweis, woraus man schließen kann, was er vielleicht meint, „Es geht nie gut, wenn wir Fragen, die sich auf der einen Beschreibungsebene stellen, auf einer anderen zu beantworten suchen. Es entstehen begriffliche Vexierbilder, die uns verhexen können.“ er reflektiert auf das 2. Gebot Mose und auf den wohl peinlichsten und verbreitetsten Irrtum der Menschheit, nämlich die Darstellung mit dem Dargestellten gleichzusetzen, z.B. die Darstellung Jesu nicht mehr als Darstellung zu sehen, sondern als den Sohn Gottes selbst. Aus dem Bild würde ein Götze.
Aber diese Verirrung fände im Betrachter statt. Der Betrachter gehört nicht zum Bild. Das Bild selbst ist und bleibt ganz unschuldig. Diese Verirrung befindet sich nicht an, hinter, über oder auf dem Bild, sondern finden im Betrachter statt.
Man sagt zwar: „Dieses Portrait schaut mich immer an, wohin ich auch gehe.“ Aber das ist nur der Eindruck des Betrachters. Das Bild selbst verändert sich nicht.
Also, das Bild hat keine Ebenen, die ich vermischen könnte aber nicht vermischen dürfte, wie es der Großinquisitor Bieri behauptet.
Du wirst mir da kaum widersprechen, hoffe ich. Und brauchst dann auch nicht wegen Götzenglauben auf den Scheiterhaufen, lieber Tychi. Und wir brauchen das Bild auch nicht zu verbrennen oder zu verbieten; es ist ganz unschuldig.

Und nun vergleicht Bieri die verschiedenen Ebenen des Bildes analog mit den verschiedenen Ebenen des Menschen.
In der Tat scheint hier der Großinquisitor der einzige zu sein, der den Götzen fürchtet und an ihn glaubt und dies obendrein verbietet. Verständlich? Schließlich baut man diesen Bildern inzwischen Paläste, die den Kathedralen des Mittelalters nicht nachstehen. Und der Großinquisitor?

Die eigentliche Frage ist nun aber, ob der Mensch genauso wie das Bild aus „mehreren“ Ebenen besteht, wie es der Großinquisitor und der böse Volksmund glaubt, oder ob der Mensch genauso wie das Bild eben nicht aus mehreren Ebenen besteht, sondern nur aus Somatischem, wie es die modernen Neurophysiologen beweisen und sich damit zu neuen „aufgeklärten“ Großinquisitoren gegen Bieri und gegen den Volksmund erheben wollen.

  1. Teil der Bieri-Interpretation,

entschuldige meine penetrante Ausführlichkeit.
Was Bieri selbst vermengt, nämlich Bild und Betrachter, ergäbe einen mit Blut und Farbe vermengten Brei und wäre tatsächlich kriminell; - es sei denn, noch eine dritte Figur wäre gemeint, bzw. deren Gedanken, die verbotene und erlaubte Überlegungen über das Bild und den Betrachter anstellt . Aber auch das ergäbe keinen logischen Sinn, denn Bieri will ja die verschiedenen Ebenen des Bildes mit den verschiedenen Ebenen des Menschen vergleichen.

Beim Menschen, zumindest bei mir gibt es dagegen tatsächlich verschiedene Ebenen, behaupte ich, und stimme Bieri zu, nämlich Somatisches und Mentales, Körperliches und Gedankliches, wie ich von mir weiß – oder zumindest glaube.
Und auch darin stimme ich Bieri zu, dass ich relativ frei hingehen kann, wohin ich will, und mir denken kann und darf, was ich will.
Mit seinem Aufsatz tritt Bieri sogar als mein Anwalt auf. Aber gegen wen verteidigt er mich? Und gegen wen und was richtet sich nun sein merkwürdiges Verbot, diese verschiedenen Ebenen miteinander zu vermischen, wie es der gute Immanuel Kant ja auch tut?

Läßt sich Somatisches und Mentales in mir überhaupt derart voneinander trennen, so dass es verboten werden könnte, es wieder miteinander zu vermischen?

Sein Statement richtet sich eindeutig und explizit gegen Tendenzen in den modernen Wissenschaften, mir jene Freiheiten abzusprechen, weil man dort unkorrekter Weise Somatisches mit Mentalem vermische und nur deswegen zu jenem Fehlschluß komme, mir jene Freiheiten abzusprechen, und Bieri warnt offensichtlich mich davor und seine Leser, den gleichen Fehler zu begehen. Ich glaube, bis hier sind wir uns alle einig.

Diese Wissenschaften wissen nun tatsächlich mehr über den Menschen, als ich. Das ständig ansteigende Wissen über Körper, Psyche und den Glauben des Menschen in unzähligen Disziplinen der Physiologie, Psychologie und Theologie kann überhaupt kein einzelner Mensch mehr wissen.
Dennoch sind die einst unüberwindlich hohen akademischen Burgmauern um all das Wissen herum seit den Enzyklopädisten der Aufklärung und heute seit Internet und Wikipedia :wink: und ähnliches recht durchlöchert und jedem im Prinzip zugänglich. Also ein ungeschützter Giftschrank – falls dort Verderbliches und Verbotenes über den Menschen und seine Freiheit verkündet wird?
Vor allen Dingen kommt von dort, wie seit eh, ein Anspruch oder zumindest der Unterton eines Anspruchs, als gäbe es dort eine mir übergeordnete Kompetenz und Gültigkeit.
Mit anderen Worten: Obwohl auch dort kein Wissenschaftler mehr alles wissen kann, was man dort über den Menschen weiß, beansprucht die Wissenschaft und auch die Theologie, mehr über mich, über meinen Körper, meine Psyche und selbst mehr über meinen Glauben, nämlich den christlichen zu wissen, als ich, obwohl mich dort niemand kennt.
Ich war zwar oft in den Universitäten, aber gottlob niemals das Thema. Davor schützen mich die Menschenrechte der UNO und der EU und das deutsche Grundgesetz.
Thema als Individuum und Einzelfall – und zwar exemplarisch - war über Jahrhunderte oder Jahrtausende nur Jesus, ohne dass man dort in den Wissenschaften zurecht behaupten könnte, objektiv Eindeutiges und Übereinstimmendes und schon gar nicht, mehr über ihn zu wissen, als er selbst. Allerdings lebte der Mann zum Glück schon nicht mehr, wenigstens nicht im empirischen Sinne, als er für die Forschung interessant wurde.
Was man allerdings überhaupt mit „Mensch“ meint in der Forschung, wenn man vom „Menschen im allgemeinen“ spricht, ist keineswegs schon klar und ist wieder ein anderes Thema. Was ist Mensch an sich oder Freiheit an sich?
Bieri hat recht, dass darüber nur heilloses Durcheinander besteht
Sicher ist nur, all jenes Wissen der Wissenschaften, das Bieri zurecht oder zu Unrecht als „im gleichen Sinne wahr“ bezeichnet, bin ich nicht selbst. Es ist auch keine Ebene von mir. Und wenn man dort von Freiheit spricht, von der Freiheit der Forschung z.B., meint man etwas anderes, nicht aber meine Entscheidungsfreiheit. Und ob man dort meine Entscheidungsfreiheit bestreitet oder nicht, kann dies im wissenschaftlichen Sinne richtig sein oder falsch, mein Tun wird davon weder bestimmt noch gehindert, es sei denn, ich wollte es, so wie ich mich an die Anweisungen des Arztes, des Psychologen oder Theologen halten kann, wenn ich will, aber eben nicht halten muß.

Eines ist jedoch sicher, Bieri wird genau dies ebenso sehen, schon weil die Philosophie von Natur aus mein Anwalt ist, oder zumindest sein sollte. Eines ihrer Hauptthemen heute ist es jedenfalls, über das Treiben und die Wahrheiten oder Irrwege der Wissenschaften nachzudenken, ohne sich selbst in das Zaumzeug der jeweiligen Wissenschaften und ihrer Wahrheitskriterien einspannen zu lassen.
Hier muß man nun konsequent fragen, wem gilt eigentlich der Aufsatz von Bieri? Will er die Wissenschaften, genauer die Neurologen, auf Fehler hinweisen, oder will er mich auf deren Fehler hinweisen?

Wie ich schon sagte, obwohl Bieri im Prinzip oder zum Teil wenigstens meine Ansichten über meine Entscheidungsfreiheit teilt und zu begründen sucht, ist zudem noch keineswegs klar, worüber er überhaupt spricht, und wir müssen erst klären, ob er damit jenes diffuse nicht konkret existierende Menschenbild oder Menschobjekt der Wissenschaften meint und anspricht, das ich selbst aber nicht bin, das also aus verschiedenen Ebenen bestehen soll, was ich genau so bestreite, wie ich die Existenz dieser verschiedenen Ebenen an diesem Bild widerlegt habe, oder ob er mich meinen kann, obwohl er mich nicht kennt.

Bei mir jedenfalls gibt es diese verschiedenen Ebenen, behaupte ich, wie schon gesagt. Ob ich diese verschiedenen Ebenen derart dann überhaupt voneinander trennen kann und muß, so dass ich sie dann nicht mehr miteinander vermengen dürfte, ohne verhext zu werden, soll mein Thema im letzten Teil meiner Entgegnung sein. Ebenso, ob sich dies und meine Gedanken-, Meinungs- und Entscheidungsfreiheit beweisen oder widerlegen lässt, philosophisch, wissenschaftlich oder theologisch vor allen Dingen, dem soll der letzte Teil meiner langen Ausführung gelten.
Als Christ bedeutet dies, ob ich die Freiheit habe zum verantwortungsvollen guten und rechten Weg, oder ob ich von meinen Trieben gesteuert, von meiner Erziehung und Umwelt fremdbestimmt und von einer Ideologie oder Religion oder Theologie ferngesteuert nur eine Marionette, ein Zombi bin.

  1. Teil

Was heißt „wissenschaftlich“?

Meine Gegenüberstellung des wissenschaftlich, psychologisch und theologisch gemeinten und erfassbaren Menschen allgemein – Bieri nennt es treffend „das autonome Beschreibungssystem des Wollens, Überlegens und Handelns“, - mit mir als konkreten Einzelfall ist durchaus auch eine grundsätzliche Bewertung jeder Wissenschaft, - aber natürlich keine Ablehnung oder Entwertung.
Ein peinlicher Verstoß gegen das 2. Mosaische Gebot wäre jedoch eine Wissenschaftsgläubigkeit als Epistemanie, die die Erkenntnis mit dem Erkannten gleichsetzt.
Dies wäre eben nicht nur eine Entmündigung des Menschen durch den höheren Kompetenzanspruch der Wissenschaften, sondern eine regelrechte Blindheit für die Dimension des konkreten Menschen im Unterschied zu seiner Beschreibung.

Wenn Bieri nun Folgendes formuliert, besagt dies im Kern: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“
#“ Was nützt uns die begriffliche Tatsache, dass die Idee der Freiheit zum autonomen Beschreibungssystem des Wollens, Überlegens und Handelns gehört, wenn alles Wollen dann doch von einem neurobiologischen Uhrwerk abhängt, das seine Vergangenheit nach ehernen Gesetzen in die Zukunft hinein fortschreibt? Wird die Rede von der Freiheit dadurch nicht zu einem schlechten Scherz? #“

Also brauchen wir in diesem Beschreibungssystem ein Schlupfloch?? Sieht nun Bieri die Möglichkeit menschlicher Entscheidungsfreiheit nur als ein rhetorisches Problem? Leider nicht. Die Beschreibung, die wissenschaftliche Erkenntnis ist für Bieri offensichtlich zugleich das beweisbare der Realität „Mensch“, der sich jede Freiheitstheorie anpassen muß. Und genau das versucht er jetzt:

#“Alles hängt davon ab, was wir mit „Freiheit“ meinen. Ein Teil der Heftigkeit, mit der bei diesem Thema gestritten wird, erklärt sich aus dem falschen Eindruck, wir wüssten alle ganz gut, wofür das Wort steht. Davon kann keine Rede sein; hinter den Kulissen der rhetorischen Bühne herrscht heilloses Durcheinander. Man kann Ordnung in die Sache bringen, indem man sich die Frage vorlegt: Wie muss man sich die Freiheit gedacht haben, um von der Hirnforschung erschreckt werden zu können?

Es könnte einer erschrecken, weil er gedacht hatte, die Freiheit des Willens müsse darin bestehen, dass der Wille durch nichts bedingt sei. Dass er unter exakt denselben inneren und äußeren Bedingungen ganz unterschiedliche Wege nehmen könnte. Dass er in jedem Moment sein müsste wie ein unbewegter Beweger. Gesagt zu bekommen, dass es tausend Dinge im Gehirn gibt, von denen der Wille abhängt, ist dann ein Schock.

Doch einen in diesem Sinne freien Willen kann sich niemand wünschen, denn er wäre ein Wille, der niemandem gehörte: verknüpft weder mit dem Körper noch dem Charakter, noch dem Erleben, noch der Lebensgeschichte einer bestimmten Person. Er wäre vollkommen zufällig, unbegründet, unbelehrbar und unkontrollierbar. Einen solch launischen Willen zu haben wäre nicht die Erfahrung der Freiheit, sondern ein Alptraum. #“

Und dies ist denn auch schon ein bußfertiger Kniefall vor dem epistemologischen Götzen. Er entschuldigt sich quasi und nimmt den Freiheitsgedanken fast ganz zurück und reduziert ihn zu einem Kontrollmechanismus innerhalb des Beschreibungssystems.

#“Aber zeigen die Bilder nicht, dass in Wirklichkeit gar nicht wir entscheiden, sondern das Gehirn? Das klingt, als wären wir unfreie Marionetten. Doch so kann es nicht sein. #“
Und was nicht sein darf, kann also auch nicht sein.
#“Das Gehirn nämlich kann gar nichts entscheiden, die Idee des Entscheidens hat keinen logischen Ort in der Rede übers Gehirn. Entscheidungen im eigentlichen Sinne gibt es nur, wo von Gründen und Überlegen die Rede sein kann. Es ist ein Fehler, in die Rede über das Hirn einen Begriff wie „entscheiden“ aus der Sprache des Geistes einzuschmuggeln. Es ist so, als spräche man in der physikalischen Geschichte über ein Gemälde plötzlich von seinem Thema.

Die neurobiologische Herausforderung trifft uns, weil sie die Idee der Verantwortung und den Sinn moralischer Empfindungen in Frage stellt. Hätte die Hirnforschung die Willensfreiheit widerlegt, so müssten wir umdenken: Therapie statt Schuld und Sühne, Mitleid statt Groll und Empörung. Es wäre eine Revolution in unserem Menschenbild. Ist sie nötig?

Nein, denn diejenige Freiheit, die durch keine Hirnforschung widerlegt werden kann, reicht für Verantwortung. #“

Eine zweite Ebene also, sei es des Gehirns oder der Beschreibung oder des Beschreibungssystems, die mit einer ersten nicht vermischt werden darf, wäre also die Lücke für eine Freiheitsmöglichkeit des Menschen, die allerdings von der ersten anderen Ebene nicht widerlegbar sein darf, sagt Bieri, und verfängt sich damit in Widersprüche, wenn er dies mit den verschiedenen Ebenen des Gemäldes vergleicht.

Hat das Bild nun tatsächlich ein Thema? Ist es Träger eines Gedankens? Und könnte auch die physische Struktur unseres Hirns so etwas wie Träger oder gar sinnvolle Funktion oder Träger bzw. Medium eines Gedankens sein? So wie wir von einem Buch sagen könnten, es beinhalte Weisheitssprüche und Wahrheitsaussagen? Die Neurologen behaupten, die Funktion unseres Gedächtnisses verstanden zu haben.
Wie schon gesagt: dies ist mir selbst nicht ganz klar. Die sog. Kreationisten vermuten oder behaupten eine Entelechie auch in der Materie, eine Art Intelligenz und Zielgerichtetheit bei der Evolution. Einen anderen aber nur scheinbar mysteriösen Aspekt kennt Bieri entweder nicht, oder er überspringt ihn der Einfachheit halber, denn dort steht erkenntnistheoretisch bereits das Prinzip der Beobachtbarkeit im Widerspruch zur Annahme einer bewußtseinsunabhängigen Realität. So sagt man zurecht in der Elementarteilchenphysik. Gibt es festgeschriebene feststehende oder gar gemalte Erkenntnis? Der gute Heidegger sagt tiefsinnig: „Kunst ist das Geschehen der Wahrheit im Bild.“ Aber geschieht dort tatsächlich etwas? Kommen von dort Signale?
Beides bekäme aber Sinn, wenn wir davon ausgehen, dass wir auch das Bild nur als Erkenntnis haben, was letztlich logisch notwendig macht, auch unsere Außenwelt der Objekte als Teil unserer Innenwelt zu verstehen.
Feststehen dürfte jedoch, dass mit der Abbildung von etwas, nicht der Geist des Dargestellten eingefangen wird, wie es der Volksmund sagt und der Götzenglaube glaubt, der dort geistert und uns befällt. Wie eine regelrechte Pest bringt die esoterische Gläubigkeit der Postmoderne eine Menge meist gut vermarkteter Behauptungen von entsprechenden „Erfahrungen“ auf den Büchermarkt. Und beinhaltet nicht z.B. die Segnung eines Steingebäudes wie eine Kirche durch den Priester derartiges? Gibt uns die Materie Signale von etwas? „Ich schau nach jenem Berge gern, von dem mir Hilfe kommt.“ Sagt ein biblischer Psalm. Den magischen Glücksstein gibt es auf jedem Markt zu kaufen. Die Sterne bedeuten uns Sternstunden.
Dies alles meint Bieri jedenfalls nicht mit einer höheren Ebene, sollte man annehmen.
Du selbst sagtest klar dagegen:
#“Nicht der Satz teilt sich mit, sondern die Interpretation des gelesenen Satzes durch den Leser. Und sie teilt sich nicht mit, sondern ist Ergebnis eines hermeneutischen Prozesses. #“
Das heißt: der Schreiber benutzt Zeichen, Formen und Symbole in Form von Tinte oder Farbe, die der Leser kennen oder entschlüsseln muß. Die Gedanken hüpfen nicht wie Flöhe von den Buchseiten in das Bewusstsein des Lesers und auch nicht die Bedeutung eines Bildes. Das Buch wie auch das Gemälde selbst ist gedankenlos.
Lassen wir also alles Spirituelle oder Spiritistische aus dem Spiel.
Nicht das Dargestellte teilt sich mit, sondern ich muß die Darstellung erkennen.
So ist also die Beschreibung selbst wieder zu unterscheiden von der schriftlichen oder bildnerischen Aufzeichnung, die ich erst deuten muß. Hier wird es kompliziert.
Ist das Gehirn nun vergleichbar mit einem Stück Papier oder einer Leinwand oder mit dem Programm und Speicher einer Festplatte? Dann muß ich auch fragen, wer programmiert und beschreibt sie und wer liest sie?
Hier tritt nun ohne solche Antwort Wissen und Erkenntnis wie auch die Disposition der Wissenschaften über den Menschen in Form vieler Disziplinen der Anthropologie auf (http://www.gfanet.de/index.php), und zwar mit dem Anspruch höchster Kompetenz.

#“ Bieri: Was nützt uns die begriffliche Tatsache, dass die Idee der Freiheit zum autonomen Beschreibungssystem des Wollens, Überlegens und Handelns gehört, wenn alles Wollen dann doch von einem neurobiologischen Uhrwerk abhängt, das seine Vergangenheit nach ehernen Gesetzen in die Zukunft hinein fortschreibt? Wird die Rede von der Freiheit dadurch nicht zu einem schlechten Scherz? #“
Neben den „ehernen“ Gesetzen gibt es ja auch noch den Zufall.

Wir müssen hier noch einen Schritt zurückgehen zum Dargestellten, um die Diffusion bei dem Wissenschaftsbild nach Bieri etwas zumindest aufzuklären.
Ich halte in meiner linken Hand Nr. 1 einen Stein und in der rechten Hand Nr. 2 alle aufgezeichneten und abrufbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über dieser Stein in Film, Ton, Sprache und Schrift, - nehmen wir an, ich hätte all dies gelesen, gedeutet, verstanden und in meiner Erinnerung gespeichert, wie man sagt.
Aberglaube, wenn nicht sogar Götzenglaube wäre es jedenfalls, wenn ich annähme, dass ich in einer Hand, es sei die rechte oder linke, etwas anderes hätte als Erkenntnis. Dennoch wird man fälschlich und dennoch dogmatisch sagen, dass in der Hand Nr. 1 die Wahrheit als wahre Wirklichkeit, die es nur herauszufinden gälte und stünde bereits vor jeder Erkenntnis fest und dass alle Erkenntnis in der rechten Hand Nr. 2. nur eine Annäherung an diese Wahrheit sei.
Richtig ist jedenfalls, dass sich jede Erkenntnis in der rechten Hand Nr. 2 auf den zu erkennenden Gegenstand in der linken Hand Nr. 1 beziehen muß, damit es einen Sinn ergibt. Ich muß sagen oder andeuten, was ich erkennen will oder erkannt haben will. Sonst gerate ich in heillose Verwirrung.
Dies sollten wir auch festhalten.
Erkenntnis Nr. 1 und Erkenntnis Nr. 2 muß in meinem Bewusstsein am Ende in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen, bzw. als ein solches Verhältnis bewusst werden, ohne Verwirrung anzustellen oder Verwirrtes zu ergeben.

Wenn ich recht verstanden habe, versuchte der gute Heidegger – am Anfang wenigstens - Ersteres mehr als Verhalten oder als Besorgen zu sehen. Man muß sich den Stein erstmal besorgen oder erfahren, bzw. der Stein fällt, er gerät einem mehr in die Hand, mit der ich ihn greife, begreife oder erlebe, erfahre. Und die Wissenschaften seien dann das im Verhalten als Einhalten oder Stillhalten wissenschaftliche, epistemisch systematische Erkennen.
Natürlich ist jedoch beides Erkennen ein Verhalten, als solches aber handelt es sich um unterschiedliches Verhalten mit unterschiedlichen Absichten.
Vor lauter Schreck über Letzteres und dessen Ausmaß und Verwertbarkeit verlor er bezeichnender Weise (im wörtlichen Sinne) diesen Ansatz aber aus den Augen, - wenn ich nicht irre.
Ich stelle hier jedenfalls fest, dass sich Letzteres auf Ersteres beziehen muß, nach dem Ersteren richten muß, und nicht umgekehrt. Der Stein muß und kann sich auch nicht nach den Wissenschaften richten, sondern nur umgekehrt.
Soweit das Modell.
Offen lassen muß ich hier, ob es Erkenntnisse als statische Entitäten geben kann, in meinem Gedächtnis, im DNS-Code z.B. oder als ein Wissen der Menschheit, wie es Frege behauptet, im Unterschied zum Erkennen als Verhalten.

Was hält nun aber die Anthropologie in der linken Hand Nr. 1, über das die Erkenntnisse in der rechten Hand etwas aussagen? Jedenfalls nicht einen konkreten Menschen, und mich selbst schon gar nicht; was aber: „Mensch“ im Sinne von „Mensch allgemein“ oder im Sinne von „irgend ein Mensch“ oder von Mensch als was auch immer?

Es wird nun wohl unvermeidlich, den leidigen, unerledigten Universalienstreit des Mittelalters wieder aufzurollen oder zumindest zu thematisieren: Ist „ein Mensch allgemein“ in der linken Hand Nr. 1, über das die Wissenschaften Erkenntnisse sammeln nur ein Nomen, ein flatus vocis, d.h. eine Bezeichnung oder nach Frege ein Begriff, oder nach Plato eine Idee, nach Anselm aber die gegebene Realität, von der ich als Credo – im guten Glauben ausgehen kann, um zu einem „Intellegam“ zu gelangen, von der man jedenfalls ausgehen müsste, statt umgekehrt jener Empirismus, nach moderner Version halte ich in der linken Hand Nr. 1 ein Substrat, - es ist nicht klar; und ich glaube auch nicht, dass irgend eine analytische Philosophie dies klären könnte - jedenfalls ist es nicht einfach eine singularisierte Pluralform, d.h. ein beliebiger Mensch oder der Durchschnittsmensch oder jeder Einzelne aus einer Vielheit von Gleichen, das gemeint sein könnte?
Damit muß die Begrenztheit wissenschaftlicher Möglichkeit reflektiert werden. Man kann eben nicht sagen, worüber man Aussagen macht, wo immer es um Leben geht.

Besteht also zwischen einem Stein in meiner linken Hand Nr. 1 und einem Menschen in der linken Hand Nr. 1, auf den sich alle anthropologische Forschung beziehen müßte, um überhaupt sinnvoll zu sein, nicht ein grundsätzlicher Unterschied, d.h. er wäre dann nur grammatisch vergleichbar? Taugt mein Model überhaupt, weil hier jene Trennung von Objekt und Prädikat durch den, dem beide Hände ja gehören, beliebig unterlaufen werden kann oder sogar unterlaufen werden muß? Weil es unvermeidlich der Mensch selbst ist, der über den Menschen etwas aussagt. Oder wird dabei nicht die objektive Wissenschaft entweder unvermeidlich jedenfalls aber unberechtigt zu einem neutralen Übermenschen, zu einer höheren, eben wissenschaftlichen Kompetenz, zur Wahrheitsinstanz über ein Objekt „Mensch“ hypostasiert, ohne klären zu können, über was?

Jedenfalls wäre bereits der Vergleich „eines Menschen allgemein“ mit einem „Stein allgemein“ in der linken Hand Nr. 1, und der Erkenntnis über einen Stein, d.h. alles Wissen über die chemische oder physische Zusammensetzung und Struktur des Objekts Stein oder Mensch z.B. auf einer CD in der rechten Hand Nr. 2 denkbar problematisch, weil ich selbst mit beidem nicht gemeint sein kann, und auch sonst kein bestimmter Mensch, schon weil es eben von dem jeweiligen Individuum keine Allgemeinheit geben kann.
Dies gilt natürlich auch für den Stein. Aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass es nicht lebt und damit nicht ein einmaliges Ganzes ist: Im Falle eines Steines, z.B. eines Marmorstückes halte ich Erkenntnis in beiden Händen. In der linken Hand ist dies Erkenntnis, wie sie mir unmittelbar, aber immerhin tatsächlich gegeben ist und gegeben bleibt als ein wirkliches Objekt der Außenwelt. Daß dort auch die Wahrheit über dies Objekt gegeben ist, das ist allerdings Projektion, z.B. dass das Gegebene nur subjektiv oder virtuell wahr, nur der Anschein sei, hinter dem sich die wahren Eigenschaften quasi verbergen, die sich durch objektive Analysen und Messungen erkennen lassen, was dann Erkenntnisse ergibt, die ich in der rechten Hand Nr.2 halte. Und hierbei weiß ich, auf was sich die Erkenntnis bezieht; auf Marmor. Der Bezug zwischen den Inhalten beider Hände bleibt beim Stein im Unterschied zur Erkenntnis über den Menschen unverfälscht bestehen. Der eigentliche Unterschied besteht in dem Verhältnis eines individuellen Steines, z.B. eines Stücks Marmors, das zwar ebenfalls wie ein Mensch einmalig ist, zu seiner Art, nämlich Marmor, d.h. zu anderen Marmorstücken. Und es ist als Teil von größeren Marmorstücken selbst teilbar, ich kann zur Untersuchung etwas abkratzen; es ist immer Marmor. Beim Menschen ist dies eben nicht so. Der Mensch, wie jedes andere Leben, besteht nur als Ganzes.
Vielleicht ein schwaches Argument, wie es scheint, denn ich hätte für mein Model nicht einen Stein, sondern z.B. ein Tier wie eine Taube, oder einen Apfel nehmen können. Aber bei allem was lebt treffen wir auf die gleiche oder ähnliche Definitionsschwierigkeit des Bezugs wie beim Menschen: Wir müssen für die wissenschaftliche Untersuchung das Individuum zerstören, töten, wonach anschließend das Bezugsobjekt der Erkenntnis ebenfalls nicht mehr existiert und wir zu einer ebenfalls fragwürdigen Projektion eines allgemeinen Objekts kommen, wenn vielleicht auch nicht derart problematisch und fundamental, wie bei der Frage nach der Willensfreiheit eines menschlichen Individuums.
Es ginge im Unterschied zu dem Marmorstück eben um Leben. Und Leben ist immer ein Prozess, und zwar ein Geschehen der Entropie, d.h. den physikalischen Gesetzen entgegengesetzt, auf die alle Wissenschaft basiert.

Der von Bieri und von den Wissenschaften insgesamt gewählte Ausweg ist offensichtlich, nämlich diese Problematik angesichts der offenbar brauchbaren und wertvollen wie verwertbaren Erkenntnisse über den Menschen einfach zu ignorieren. So geschieht es seit dem derart scheinbaren und fragwürdigen „Sieg“ der Nominalisten und führte zu dem verbreiteten humanistischen Menschenbild der Gegenwart: Der Mensch, ein intelligenter, triebgesteuerter Affe.

Darf man das aber, was man ohne Zweifel tut? (http://www.spiegel.de/dossiers/wissenschaft/0,1518,2…)
Kann man das, ohne daß dies zu voraussehbaren Fehlergebnissen führen muß? Wenn man den eigentlichen Bezug einfach umkehrt und von derlei Erkenntnis das Objekt ableiten, über das diese Erkenntnisse etwas aussagen sollen? Wenn man von wissenschaftlichen Erkenntnissen auf den Menschen schließt.

Dann könnte ich z.B. den wissenschaftlich definierten Menschen auf Folgendes reduzieren:
Der Mensch, das ist zu 99,9% leerer Raum, in dem jede Menge Elementarteilchen herumgeistern.
Der Mensch, das sind ein paar Eimer Wasser und ein paar Kilogramm Mineralien.
Der Mensch ist ein intelligenteres Tier, eng verwandt mit den Affen.
Der Mensch ist ein Tier, bei dem der Handlungsautomatismus teilweise unterbrochen ist, was wir nun als Freiheit bezeichnen wollen.

Das alles ist Empirismus, Epistemomanie und Epistemophatie und Götzenglaube, wenn man das Menschenbild der Wissenschaft für den Menschen selbst nimmt: Ich halte die Darstellung für das Dargestellte, - sei es in Öl oder in Worten, wie wenn ich den Namen des Teufels bereits für den Teufel selbst halte, die Abbildung Gottes für Gott, ich gleiche damit das Erkannte der Erkenntnis an.
All das wertvolle Wissen über den Menschen, für das es zurecht jährlich Nobelpreise gibt, ist eben nicht der Mensch selbst.

Ups, schicke ich damit alle Wissenschaft zum Teufel und mache deren Erkenntnisse zur bösen Frucht der Erkenntnis? Jedenfalls bekam der gute Heidegger Angst, zum 2. Mal in diesen Apfel zu beißen. :smile: Und das ist vielleicht noch schlimmer!
Aber keine Angst! Kein normaler Mensch nimmt die Wissenschaften derart ernst, - höchstens das, was man mit solchen Erkenntnissen alles anstellen kann.
Genau dagegen wehrt sich Bieri zurecht, aber mit Argumenten gleicher Verirrung und Verwirrung, und er spannt damit selbst den Menschen auf ein Prokrustes Bett, wo alles, was vom Menschen irgendwo übersteht und nicht hineinpasst, einfach abgehackt wird oder wo der Mensch dem Menschenbild angepasst wird.

So weit jedenfalls der schwache Versuch und Denkansatz von Bieri.

Den natürlichen Ausweg aus dem Dilemma will ich im Folgenden nur kurz andeuten, wobei auch mein Glaube nicht außen vor bleiben kann.
Es geht ja auch nicht um Bieri, sondern um die Frage: Hat der Mensch einen freien Willen?
Was ich dabei also richtig stellen muß, ist mein genuin richtiges Verhältnis zu mir und meiner Erkenntnis, das eben nicht von den Wissenschaften her entstehen oder bestimmt werden kann, wie wir gesehen haben, und grundsätzlich nicht von dem, was von außen her als Gültigkeit, Tradition, Religion, Kultur, Sprache usw. – wie auch immer „natürlich“ gewachsen ist, und meine eigene Gültigkeit und Kompetenz als Einzelfall, als Subjekt, als sterbliches und auswechselbares Sandkorn wie ein Nichts ignorieren muß, - statt eben das Objekt zu sein, über das die Wissenschaft als Prädikat etwas aussagt. „Wer bin ich schon?“ fagte der vorchristliche David.
Und dies kann richtiggestellt nur als ein Verhältnis von mir zu den Wissenschaften normal sein, oder eben auch nicht normal, wie wir sehen konnten, wenn ich die Kompetenz zu einem eigenen Urteil und einer eigenen Entscheidung an die Wissenschaften, oder an allgemeine Gültigkeiten abgebe.
Diese Kompetenz sollte ich mir nicht nehmen lassen. Jede große Philosophie und Religion fordert dies.
In der christlichen Überzeugung einer Nachfolge Jesu dreht sich das oben beschriebene konfuse Verhältnis auch sozial als Gemeinschaftsstruktur um, nämlich zu jeder Erkenntnis von außen, zu jeder Religion, Tradition, zu jedem Gesetz, Mythos und Ethos, zu jeder Allgemeingültigkeit wieder in ein richtiges Verhältnis, weil ich davon ausgehen kann, dass ich die Wahrheit bin und das Leben in der linken Hand Nr.1, - wenn auch nicht für andere, wie im Fall des Erlösers, durch den – wie an dem Strickfaden der Strumpf, - das hochkomplex gewachsene Konstrukt menschlicher Gemeinschaft, praktisch von Links nach Rechts umgestülpt wird, Das Wort ward Fleisch, sagt Johannes - Jesus mal nur soziologisch und erkenntnistheoretisch betrachtet.
Das höchste Kriterium für Richtigkeit und Wahrheit ist dabei eben nicht mehr die Übereinstimmung, z.B. mit bestehenden Erkenntnissen und Gültigkeiten, die als bereits Bestehendes, Gewordenes, Gültiges notwendig statisch das genuine Bewusstsein als Entstehen, Erkennen und Leben immer verfehlen muß und bestenfalls einen Roboter kreiert oder ein Werkzeug, eine Medizin, oder aber die Stampede einer Hammelherde, die dann den bleibenden Trampelpfad zurück lässt. Das heißt, Wahrheit eben nicht Übereinstimmung, sondern „Wahrheit als der Urstreit“, wie es der gute Heidegger formuliert, als Prozess, als Verhalten des Bewusstseins, des Erkennens und damit des Lebens.
Damit sind die Wissenschaften ja nicht vom Tisch und aus der Welt. Sie sind das wertvollste Handwerk, und ihre Produkte sind Werkzeug, die ich frei zum Leben und zum Tod, zum Guten wie zum Bösen verwenden kann. Aber ich kann mich natürlich auch wie jene Selbstmordattentäter selbst zum Werkzeug degradieren lassen, was eben Tod bedeutet; ich kann jeder Zeit wieder zum Hammel in der Hammelherde werden. Als reine Funktion wähle ich den Tod, wie alle Materie, als genuines Bewusstsein und Erkennen wähle ich das Leben, das über das Körperliche und Zeitliche hinausreicht, wie ein Christ glaubt.

Es gibt also ganz natürlich keine Möglichkeit, im Einzelfall eines Verhaltens eine solche freie Entscheidung auch als solche zu beweisen oder zu widerlegen, schon weil sich dagegen in jedem Einzelfall tausend Gründe und für jeden Grund einer Entscheidung tausend weitere anführen lassen, warum ich etwas getan oder unterlassen hätte, was jedoch meinen freien Entschluß dazu weder ausschließt noch beweist.

Hume hat wohl als erster auf die Unhaltbarkeit aller Beweise hingewiesen, die die Realität einer solche Kausalität behaupten: Die chinesische Nachtigal singt neben der chinesischen Mauer. Der Tourist, Herr X, dreht sich zu ihr um, und erblickt dabei die Touristin Y, eine ehemalige Schulfreundin. Beide entsprechend stimuliert verabreden sich und veranstalten dann einige Monate später eine großartige Hochzeit in Chicago, die sich als Vorbild in ganz Amerika herumspricht. Welch eine mächtige Nachtigal. Derart rasen Milliarden endloser Kausalketten endlos um den Erdball, denen wohl auch der Laplace’sche Dämon vergeblich hinterher jagt.
Und dennoch geschah die Hochzeit auf Grund des freien Entschlusses zweier Menschen, denn eine Wirkung kann durchaus zwei oder auch 20 und mehr Ursachen haben. Eine Ursache kann desgleichen zwei und eigentlich beliebig viele Auswirkungen haben mit weiterführenden Kausalketten.
Durch eine willentliche Handbewegung scheuche ich einen Schmetterling hoch, der dadurch nach vielen Generationen ausgerechnet den berühmten Schmetterling hervorbringt, der den schrecklichen Taifun Katharina in die Welt setzt. Wer will mich jetzt verantwortlich machen? Meine willkürliche Handbewegung als Ursache und tausende zerstörter Häuser, Bäume, Straßenschilder, Menschenschicksale usw. als Wirkung, was wiederum Ursache von jeweils Tausenden von weiteren Auswirkungen nach sich zieht, bis zum Ende der Welt. So wird letztlich die ganze Welt rund um den Globus durch meinen freien Entschluß mitbestimmt, und dies mit jeder willentlichen Handlung Tag für Tag, Minute für Minute.
Und wer will zufällig entstandene Kausalketten, die es nachweislich dabei dann ja auch noch gibt, von den willentlich verursachten unterscheiden? Und wie oft lasse ich selbst ganz willentlich den Zufall entscheiden.
Wie jede Manifestation bin ich Relais oder Überträger als Auswirkung und Ursache von Milliarden Auswirkungen und Ursachen, was meine Entscheidung, mich davon treiben zu lassen, mich vom Bock des limbischen Triebes reiten zu lassen, natürlich bestimmen kann, - oder ob ich den Bock reite, dies aber nicht bestimmen muß. Dies ist die Freiheit eines Christenmenschen.

Die sich daraus ergebenden logischen Aspekte können durch die beiden weiteren Beispiele angedeutet werden, woraus sich im Unterschied zu der oben karikierten empiristisch-epistemischen Horrorvisionen eine ganz neue Bewertung eröffnen, und zwar eine positive und vernünftige auch der limbischen und kortikalen Einflüsse auf meine jeweilige Entscheidung, die ich ja eigentlich begrüße. Esse ich nicht viel lieber, wenn ich auch Hunger habe? Liegt nicht die Entscheidungsfreiheit und Verantwortung dennoch bei mir, auch wenn ich z.B. erotische Lust verspüre? Muß sich dann vor mir jede Frau mit Tüchern verhüllen? Muß das Gesetz mich erst mit hohen Strafen bedrohen und hindern, um die Frau vor der Vergewaltigung zu schützen?

Unvermeidlich wird und kann man dieses Denkmodell als völlig weltfremd und auch als theologisch unhaltbar widerlegen. Was nicht bewiesen und nicht widerlegt werden könne, sei deswegen noch nicht wahr und damit auch kein Gewinn. Und mit dem subjektiven Glauben, dass z.B. ein lauter Donner die Stimme Gottes sei, oder dass Gott im Himmel wohne und mich ständig beobachte, ob ich auch das rechte tue, wäre ich nicht frei, sondern erst recht ferngesteuert von den Funktionären meines Glaubens und entsprechend als Christ, Moslem oder Hindu von jede Statistik genauso zu berechnen wie jeder andere Mensch auch. Das Christentum habe im Gegenteil Europa bis zur Aufklärung in einen dumpfen Dämmerschlaf versetzt, aus dem es erst durch ein wissenschaftliches Bewusstsein wieder erweckt wurde.
Dergleichen Argumente widerlegen sich eigentlich selbst.

Beispiel 1.: Eine Stadt ist durch einen Fluß geteilt. Nun lässt der Bürgermeister eine Brücke bauen und errechnet, dass spätestens nach 6 Monaten jeder Einwohner, also auch ich, einmal die Brücke überquert haben wird.
Bin ich nun eine Funktion dieser Brücke, wenn ich mich entschließe, in diesem Zeitraum die praktische Verkürzung zur gegenüberliegenden Stadt auch zu benutzen, warum sollte das nicht dennoch ein freier Entschluß sein können?

Beispiel 2.: Ich habe gemessen und errechnet, dass mit einem idealen Würfel und einem idealen Würfelbecher nach einigen Millionen Würfen jede Zahl im Durchschnitt alle sechs Mal erscheint und jede Zahlenfolge von 2 Zahlen, also zweimal die 5 z.B. oder die 3 und 4, die 6 und 1 usw. im Durchschnitt alle 36 Mal erscheint, jede Dreierfolge im Durchschnitt alle 216 Mal, und ich kann errechnen, wie oft im Durchschnitt 200 Mal hintereinander die gleiche Zahl erscheinen wird, z.B. die 1. Der Zufall des Würfels hält sich also an genaue und zwar im Prinzip endlos viele Regeln, wie sie kein Komputer so präzise berechnen könnte.
Bitte ich jetzt einen Menschen, aufzuschreiben, wenn ich mich ebenso oft zwischen den Zahlen 1 bis 6 jeweils frei für eine Zahl entscheide. Werden nach der gleichen Anzahl von freien Entscheidungen im Durchschnitt gleiche berechenbare Ergebnisse erscheinen? Und wenn ich mich – einfach so – , d.h. eben frei entscheide, niemals mehr als 100 Mal die gleiche Zahl zu wählen, wäre dies nicht ein starkes Argument, dass sich meine Entscheidung vom Zufall unterscheidet und ich für mich die strengen Regeln des Zufalls und der Statistik jederzeit einfach so brechen kann?

Epilog: Wo dies mich hinführt:
Im Hinduismus, Buddhismus und im christlichen Glauben kennen wir die jeweilige Entscheidung in Richtung Leben entgegen der Möglichkeit einer Entscheidung in Form der Todsünde zum Tode, was dann wissenschaftlich formuliert eigentlich das Aufgehen oder Vergehen in die bewusstlose entropische Auflösung bedeutet.
Natürlich sind auch das Erkenntnisse, Thesen, denen ich gegenüber stehe, so wie ich ein Bild ansehe und bewerte, und es kaufen kann aber nicht kaufen muß.

ganz herzlich
Friedhelm

Das Beispiel mit dem Gemälde bringt Bieri auch in der verlinkten Folge von „Das philosophische Quartett“.

Den Link findet ihr in meinem früheren Post zu diesem Thema.

Nathan

Hallo!

Als Anhänger Kants bin ich davon überzeugt, dass der Mensch
einen freien („guten“) Willen hat, da er nicht dem
Kausalitätsprinzip unterworfen ist, sondern neben der
empirischen Welt auch Bewohner der noumenalen Welt ist.

Auch wenn die Frage nach dem freien Willen nicht beantwortet
wird, so denke ich doch, dass sich das Gespräch mit Rüdiger
Safranski, Peter Sloderik und Durs Grünbein für jeden
Philosopieinteressierten anzuschauen lohnen würde.

Die Sendung findest du unter folgendem Link:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/8/0,4070,31524…

Tipp: Einfach auf „Vollbild“ rechts neben dem Fenster klicken
und dann bequem ansehen.

Nathan

Hallo Nathan,
Danke für den Hinweis!
es sind in der Tat oft recht interessante Diskussionen, die ich mir auch gelegentlich ansehe.
Die spontane Talksituation begrenzt natürlich auch die Möglichkeiten.
Davon sollte es aber mehr geben! SAT3 bietet ebenfalls recht gute Interviews.

Über das Noumena als „der Lebensraum an sich“ sollten wir uns mal gesondert „streiten“! :smile:

ganz herzlich
Friedhelm

Hallo Friedhelm

Ich werde deinen Text lesen und dir eine Antwort schreiben. Habe nur
ein wenig Geduld.

Gruss, Tychi

Hallo Friedhelm

Du hast dich ja maechtig ins Zeug gelegt. Da waere es nicht gut, dich
ohne Rueckmeldung zu lassen.
Leider war mir dein Beitrag zu kompliziert und ich habe das Gefuehl
nur wenig von dem verstanden zu haben, was du mitteilen wolltest.
Ich brauch kurze, klare Aussagen - mit Abschweifungen und
mehrdeutigen Anspielungen kann ich nicht viel anfangen.
Vielleicht machst du dir die Muehe, deine Aussagen und Argumente
uebersichtlich und praegnant darzulegen.
Etwas Kompliziertes so treffend wie moeglich auszudruecken, ohne
dabei Wesentliches wegzulassen, ist eine grosse Kunst, die viel
Talent und Anstrengung erfordert und die leider nur wenige
Philosophen beherrschen.
Ich gehe aber trotzdem auf einige Punkte ein:

Und weil er dies tut, - vielleicht in der Annahme,
dass ein halbwegs gebildeter Mensch, wie ein Spiegelleser, von
diesen Gegenbeweisen von Kant weiß, was wohl in jeder 12
Klasse mal Thema ist, muß seine Behauptung deswegen noch lange
nicht falsch oder richtig sein, wirst du argumentieren.

Ich hatte leider nicht das Glueck, eine gute Schule besuchen zu
koennen und deshalb habe ich dort von Kant nie etwas gehoert.

Also prüfen wir den Text von Bieri unvoreingenommen im
Original, wobei Du ja bereits behauptest, dass dort etwas in
einer verbindlichen Bedeutung steht, die ich aus Bosheit,
Voreingenommenheit oder Blödheit nicht verstehen will. Wärst
Du mein Deutschlehrer, Du würdest mir vorwerfen, den Text
nicht verstanden zu haben, wie er beweisbar Schwarz auf Weiß
dort stehe. (Ich hätte bei Dir schlechte Karten! :frowning:)

Was meinst du? Ich weiss nicht, worauf du anspielst.

Die Sache ist tatsächlich aber sehr viel komplizierter,
lieber Tychi, als es Bieri hier vortäuscht, - oder vielleicht
tatsächlich selbst glaubt, was ich nicht unterstelle, wenn er
die beiden Betrachtungsmöglichkeiten oder „Ebenen“ bei einem
Gemälde so unterscheidet, als hätten sie nichts miteinander zu
tun - worauf ich übrigens bereits in meiner ersten Antwort und
dann jedes Mal wieder hinwies. (Aber da hast Du Dir jedes Mal
die Ohren bzw. Augen zugehalten.)

Nicht absichtlich habe ich das getan, ja ich wuerde sogar sagen, dass
ich dies gar nicht getan habe.

Du selbst, (falls ich es recht sehe) sagtest bereits ganz
richtig: „„Nicht der Satz teilt sich mit, sondern die
Interpretation des gelesenen Satzes durch den Leser. Und sie
teilt sich nicht mit, sondern ist Ergebnis eines
hermeneutischen Prozesses.“

So etwas Kompliziertes soll ich geschrieben haben?

Die eigentliche Frage ist nun aber, ob der Mensch genauso wie
das Bild aus „mehreren“ Ebenen besteht, wie es der
Großinquisitor und der böse Volksmund glaubt, oder ob der
Mensch genauso wie das Bild eben nicht aus mehreren Ebenen
besteht, sondern nur aus Somatischem, wie es die modernen
Neurophysiologen beweisen und sich damit zu neuen
„aufgeklärten“ Großinquisitoren gegen Bieri und gegen den
Volksmund erheben wollen.

Alles, was wir beim Anblick des Bildes empfinden oder denken, ist
nicht Bestandteil des Bildes, also keine Ebene des Bildes, sondern es
ist ein Prozess in uns, also im Betrachter.
Analog waere also das Psychische (=nicht-physische), das ich beim
Betrachten eines anderen Menschen wahrnehme, ein Prozess und keine
Eigenschaft des Menschen. Das greift aber zu kurz, denn ein Bild ist
nicht lebendig.
Ausserdem: Waere das Psychische, das ich an mir selbst wahrnehme, mir
zugehoerig oder nicht?

Und wenn man dort von Freiheit spricht, von der Freiheit
der Forschung z.B., meint man etwas anderes, nicht aber meine
Entscheidungsfreiheit. Und ob man dort meine
Entscheidungsfreiheit bestreitet oder nicht, kann dies im
wissenschaftlichen Sinne richtig sein oder falsch, mein Tun
wird davon weder bestimmt noch gehindert, es sei denn, ich
wollte es, so wie ich mich an die Anweisungen des Arztes, des
Psychologen oder Theologen halten kann, wenn ich will, aber
eben nicht halten muß.

Wie frueher gesagt: Du kannst tun, was du willst, aber nicht wollen,
was du willst.

Als Christ bedeutet dies, ob ich die Freiheit habe zum
verantwortungsvollen guten und rechten Weg, oder ob ich von
meinen Trieben gesteuert, von meiner Erziehung und Umwelt
fremdbestimmt und von einer Ideologie oder Religion oder
Theologie ferngesteuert nur eine Marionette, ein Zombi bin.

Da faellt mir Anthony Burgess ein (A Clockwork Orange): What does God
want? Does God want goodness or the choice of goodness? Is a man who
chooses the bad perhaps in some way better than a man who has the
good imposed upon him?
Dies ist uebrigens auch ein schoenes Beispiel fuer Praegnanz und
Klarheit in der Formulierung. Wie viele Seiten so mancher Philosoph
wohl gebraucht haette, um denselben Inhalt zu transportieren?

Ein peinlicher Verstoß gegen das 2. Mosaische Gebot wäre
jedoch eine Wissenschaftsgläubigkeit als Epistemanie, die die
Erkenntnis mit dem Erkannten gleichsetzt.

Stimmt: Es ist ueblich, wissenschaftliche Lehrsaetze mit der
Wirklichkeit gleichzusetzen.

Beides bekäme aber Sinn, wenn wir davon ausgehen, dass wir
auch das Bild nur als Erkenntnis haben, was letztlich logisch
notwendig macht, auch unsere Außenwelt der Objekte als Teil
unserer Innenwelt zu verstehen.

…Es ginge im Unterschied zu dem Marmorstück eben um Leben. Und
Leben ist immer ein Prozess, und zwar ein Geschehen der
Entropie, d.h. den physikalischen Gesetzen entgegengesetzt,
auf die alle Wissenschaft basiert.

Zu deiner Wissenschaftskritik: Abstraktion ist doch in Ordnung. Ich
kann deine konzeptuellen Schwierigkeiten nicht nachvollziehen.

Dann könnte ich z.B. den wissenschaftlich definierten Menschen
auf Folgendes reduzieren:
Der Mensch, das ist zu 99,9% leerer Raum, in dem jede Menge
Elementarteilchen herumgeistern.
Der Mensch, das sind ein paar Eimer Wasser und ein paar
Kilogramm Mineralien.
Der Mensch ist ein intelligenteres Tier, eng verwandt mit den
Affen.
Der Mensch ist ein Tier, bei dem der Handlungsautomatismus
teilweise unterbrochen ist, was wir nun als Freiheit
bezeichnen wollen.

Das alles ist Empirismus, Epistemomanie und Epistemophatie und
Götzenglaube, wenn man das Menschenbild der Wissenschaft für
den Menschen selbst nimmt: Ich halte die Darstellung für das
Dargestellte, - sei es in Öl oder in Worten, wie wenn ich den
Namen des Teufels bereits für den Teufel selbst halte, die
Abbildung Gottes für Gott, ich gleiche damit das Erkannte der
Erkenntnis an.
All das wertvolle Wissen über den Menschen, für das es zurecht
jährlich Nobelpreise gibt, ist eben nicht der Mensch selbst.

Doch es ist „der Mensch“. Aber du und ich und jeder andere sind nicht
„der Mensch“.

Beispiel1: Eine Stadt ist durch einen Fluß geteilt. Nun
lässt der Bürgermeister eine Brücke bauen und errechnet, dass
spätestens nach 6 Monaten jeder Einwohner, also auch ich,
einmal die Brücke überquert haben wird.
Bin ich nun eine Funktion dieser Brücke, wenn ich mich
entschließe, in diesem Zeitraum die praktische Verkürzung zur
gegenüberliegenden Stadt auch zu benutzen, warum sollte das
nicht dennoch ein freier Entschluß sein können?

Interessante Sichtweise. Ja, die Existenz der Bruecke gehoert zum
Ursachenkomplex fuer dein Ueberqueren der Bruecke.

Beispiel 2.: Ich habe gemessen und errechnet, dass mit einem
idealen Würfel und einem idealen Würfelbecher nach einigen
Millionen Würfen jede Zahl im Durchschnitt alle sechs Mal
erscheint und jede Zahlenfolge von 2 Zahlen, also zweimal die
5 z.B. oder die 3 und 4, die 6 und 1 usw. im Durchschnitt alle
36 Mal erscheint, jede Dreierfolge im Durchschnitt alle 216
Mal, und ich kann errechnen, wie oft im Durchschnitt 200 Mal
hintereinander die gleiche Zahl erscheinen wird, z.B. die 1.
Der Zufall des Würfels hält sich also an genaue und zwar im
Prinzip endlos viele Regeln, wie sie kein Komputer so präzise
berechnen könnte.
Bitte ich jetzt einen Menschen, aufzuschreiben, wenn ich mich
ebenso oft zwischen den Zahlen 1 bis 6 jeweils frei für eine
Zahl entscheide. Werden nach der gleichen Anzahl von freien
Entscheidungen im Durchschnitt gleiche berechenbare Ergebnisse
erscheinen? Und wenn ich mich – einfach so – , d.h. eben frei
entscheide, niemals mehr als 100 Mal die gleiche Zahl zu
wählen, wäre dies nicht ein starkes Argument, dass sich meine
Entscheidung vom Zufall unterscheidet und ich für mich die
strengen Regeln des Zufalls und der Statistik jederzeit
einfach so brechen kann?

Die Zahl, die ein Mensch aufschreibt, ist eben nicht immer zufaellig,
sondern oft auch von Ursachen bestimmt. Wenn ich den Willen habe, 100
Mal die 1 hinzuschreiben, dann kann ich dies tun. Doch dieser Wille
entsteht nicht im Nichts, sondern hat Ursachen.
Entweder ich verstehe dein Beispiel mit dem Wuerfel nicht, oder es
kann den Bestreitern des freien Willens nichts anhaben.

Gruss, Tychi

Hallo Friedhelm

Du hast dich ja maechtig ins Zeug gelegt. Da waere es nicht
gut, dich
ohne Rueckmeldung zu lassen.
Leider war mir dein Beitrag zu kompliziert und ich habe das
Gefuehl
nur wenig von dem verstanden zu haben, was du mitteilen
wolltest.
Ich brauch kurze, klare Aussagen - mit Abschweifungen und
mehrdeutigen Anspielungen kann ich nicht viel anfangen.
Vielleicht machst du dir die Muehe, deine Aussagen und
Argumente
uebersichtlich und praegnant darzulegen.

Hallo Tychi,
entschuldige, entschuldige; ich hatte nicht bloß Dich und Deine Argumente im Nacken - - :smile: - - die ganz einfache Antwort auf deine zentrale Frage hatte ich natürlich dennoch nicht ausgelassen „Wie kann ich das freie Wollen wollen?“ Sie liegt in der Gegenfrage: Wie könnte ich es nicht wollen? Wie könnte ich mir und meiner Freiheit entgehen? Ist dies nicht eines der ganz großen Wünsche des Menschen?

Etwas Kompliziertes so treffend wie moeglich auszudruecken,
ohne
dabei Wesentliches wegzulassen, ist eine grosse Kunst, die
viel
Talent und Anstrengung erfordert und die leider nur wenige
Philosophen beherrschen.
Ich gehe aber trotzdem auf einige Punkte ein:

Und weil er dies tut, - vielleicht in der Annahme,
dass ein halbwegs gebildeter Mensch, wie ein Spiegelleser, von
diesen Gegenbeweisen von Kant weiß, was wohl in jeder 12
Klasse mal Thema ist, muß seine Behauptung deswegen noch lange
nicht falsch oder richtig sein, wirst du argumentieren.

Ich hatte leider nicht das Glueck, eine gute Schule besuchen
zu
koennen und deshalb habe ich dort von Kant nie etwas gehoert.

Also prüfen wir den Text von Bieri unvoreingenommen im
Original, wobei Du ja bereits behauptest, dass dort etwas in
einer verbindlichen Bedeutung steht, die ich aus Bosheit,
Voreingenommenheit oder Blödheit nicht verstehen will. Wärst
Du mein Deutschlehrer, Du würdest mir vorwerfen, den Text
nicht verstanden zu haben, wie er beweisbar Schwarz auf Weiß
dort stehe. (Ich hätte bei Dir schlechte Karten! :frowning:)

Was meinst du? Ich weiss nicht, worauf du anspielst.

Die Sache ist tatsächlich aber sehr viel komplizierter,
lieber Tychi, als es Bieri hier vortäuscht, - oder vielleicht
tatsächlich selbst glaubt, was ich nicht unterstelle, wenn er
die beiden Betrachtungsmöglichkeiten oder „Ebenen“ bei einem
Gemälde so unterscheidet, als hätten sie nichts miteinander zu
tun - worauf ich übrigens bereits in meiner ersten Antwort und
dann jedes Mal wieder hinwies. (Aber da hast Du Dir jedes Mal
die Ohren bzw. Augen zugehalten.)

Nicht absichtlich habe ich das getan, ja ich wuerde sogar
sagen, dass
ich dies gar nicht getan habe.

Du selbst, (falls ich es recht sehe) sagtest bereits ganz
richtig: „„Nicht der Satz teilt sich mit, sondern die
Interpretation des gelesenen Satzes durch den Leser. Und sie
teilt sich nicht mit, sondern ist Ergebnis eines
hermeneutischen Prozesses.“

So etwas Kompliziertes soll ich geschrieben haben?

Die eigentliche Frage ist nun aber, ob der Mensch genauso wie
das Bild aus „mehreren“ Ebenen besteht, wie es der
Großinquisitor und der böse Volksmund glaubt, oder ob der
Mensch genauso wie das Bild eben nicht aus mehreren Ebenen
besteht, sondern nur aus Somatischem, wie es die modernen
Neurophysiologen beweisen und sich damit zu neuen
„aufgeklärten“ Großinquisitoren gegen Bieri und gegen den
Volksmund erheben wollen.

Alles, was wir beim Anblick des Bildes empfinden oder denken,
ist
nicht Bestandteil des Bildes, also keine Ebene des Bildes,
sondern es
ist ein Prozess in uns, also im Betrachter.
Analog waere also das Psychische (=nicht-physische), das ich
beim
Betrachten eines anderen Menschen wahrnehme, ein Prozess und
keine
Eigenschaft des Menschen. Das greift aber zu kurz, denn ein
Bild ist
nicht lebendig.
Ausserdem: Waere das Psychische, das ich an mir selbst
wahrnehme, mir
zugehoerig oder nicht?

Und wenn man dort von Freiheit spricht, von der Freiheit
der Forschung z.B., meint man etwas anderes, nicht aber meine
Entscheidungsfreiheit. Und ob man dort meine
Entscheidungsfreiheit bestreitet oder nicht, kann dies im
wissenschaftlichen Sinne richtig sein oder falsch, mein Tun
wird davon weder bestimmt noch gehindert, es sei denn, ich
wollte es, so wie ich mich an die Anweisungen des Arztes, des
Psychologen oder Theologen halten kann, wenn ich will, aber
eben nicht halten muß.

Wie frueher gesagt: Du kannst tun, was du willst, aber nicht
wollen,
was du willst.

Als Christ bedeutet dies, ob ich die Freiheit habe zum
verantwortungsvollen guten und rechten Weg, oder ob ich von
meinen Trieben gesteuert, von meiner Erziehung und Umwelt
fremdbestimmt und von einer Ideologie oder Religion oder
Theologie ferngesteuert nur eine Marionette, ein Zombi bin.

Da faellt mir Anthony Burgess ein (A Clockwork Orange): What
does God want? Does God want goodness or the choice of goodness? Is a
man who chooses the bad perhaps in some way better than a man who has
the good imposed upon him?

eine schöne Frage, die aber unmittelbar mit dem Thema nichts zu tun hat. Meine Antwort wird Dir ebenfalls nicht gefallen. Der einzig mögliche Punkt, mit Abstand von mir selbst die Welt zu sehen, ist die Nähe zu/mit Gott, die jeder Mensch aufsucht, wenn er sonntags zur Kirche geht. (Ich meine damit nicht das Gebet in Form der Selbstsuggestion) Die Freiheit auch vor meiner eigenen Freiheit ist letztlich die Geborgenheit in Gott.

Dies ist uebrigens auch ein schoenes Beispiel fuer Praegnanz
und
Klarheit in der Formulierung. Wie viele Seiten so mancher
Philosoph
wohl gebraucht haette, um denselben Inhalt zu transportieren?

Ein peinlicher Verstoß gegen das 2. Mosaische Gebot wäre
jedoch eine Wissenschaftsgläubigkeit als Epistemanie, die die
Erkenntnis mit dem Erkannten gleichsetzt.

Stimmt: Es ist ueblich, wissenschaftliche Lehrsaetze mit der
Wirklichkeit gleichzusetzen.

Beides bekäme aber Sinn, wenn wir davon ausgehen, dass wir
auch das Bild nur als Erkenntnis haben, was letztlich logisch
notwendig macht, auch unsere Außenwelt der Objekte als Teil
unserer Innenwelt zu verstehen.

…Es ginge im Unterschied zu dem Marmorstück eben um Leben. Und
Leben ist immer ein Prozess, und zwar ein Geschehen der
Entropie, d.h. den physikalischen Gesetzen entgegengesetzt,
auf die alle Wissenschaft basiert.

Zu deiner Wissenschaftskritik: Abstraktion ist doch in
Ordnung. Ich
kann deine konzeptuellen Schwierigkeiten nicht nachvollziehen.

Dann könnte ich z.B. den wissenschaftlich definierten Menschen
auf Folgendes reduzieren:
Der Mensch, das ist zu 99,9% leerer Raum, in dem jede Menge
Elementarteilchen herumgeistern.
Der Mensch, das sind ein paar Eimer Wasser und ein paar
Kilogramm Mineralien.
Der Mensch ist ein intelligenteres Tier, eng verwandt mit den
Affen.
Der Mensch ist ein Tier, bei dem der Handlungsautomatismus
teilweise unterbrochen ist, was wir nun als Freiheit
bezeichnen wollen.

Das alles ist Empirismus, Epistemomanie und Epistemophatie und
Götzenglaube, wenn man das Menschenbild der Wissenschaft für
den Menschen selbst nimmt: Ich halte die Darstellung für das
Dargestellte, - sei es in Öl oder in Worten, wie wenn ich den
Namen des Teufels bereits für den Teufel selbst halte, die
Abbildung Gottes für Gott, ich gleiche damit das Erkannte der
Erkenntnis an.
All das wertvolle Wissen über den Menschen, für das es zurecht
jährlich Nobelpreise gibt, ist eben nicht der Mensch selbst.

Doch es ist „der Mensch“. Aber du und ich und jeder andere
sind nicht „der Mensch“.

„der Mensch“, wo ist er denn? Im Reich der Ideen? In der Phantasie? Oder ist er eine Gebrauchsanweisung? - Du weißt gut, daß ich von wirklichen Menschen spreche. Es ging mir bei meinem großen (relativ kurzen) Anlauf doch darum, die verführerischen und peinlichen Holzwege zu markieren.

Beispiel1: Eine Stadt ist durch einen Fluß geteilt. Nun
lässt der Bürgermeister eine Brücke bauen und errechnet, dass
spätestens nach 6 Monaten jeder Einwohner, also auch ich,
einmal die Brücke überquert haben wird.
Bin ich nun eine Funktion dieser Brücke, wenn ich mich
entschließe, in diesem Zeitraum die praktische Verkürzung zur
gegenüberliegenden Stadt auch zu benutzen, warum sollte das
nicht dennoch ein freier Entschluß sein können?

Interessante Sichtweise. Ja, die Existenz der Bruecke gehoert
zum
Ursachenkomplex fuer dein Ueberqueren der Bruecke.

Beispiel 2.: Ich habe gemessen und errechnet, dass mit einem
idealen Würfel und einem idealen Würfelbecher nach einigen
Millionen Würfen jede Zahl im Durchschnitt alle sechs Mal
erscheint und jede Zahlenfolge von 2 Zahlen, also zweimal die
5 z.B. oder die 3 und 4, die 6 und 1 usw. im Durchschnitt alle
36 Mal erscheint, jede Dreierfolge im Durchschnitt alle 216
Mal, und ich kann errechnen, wie oft im Durchschnitt 200 Mal
hintereinander die gleiche Zahl erscheinen wird, z.B. die 1.
Der Zufall des Würfels hält sich also an genaue und zwar im
Prinzip endlos viele Regeln, wie sie kein Komputer so präzise
berechnen könnte.
Bitte ich jetzt einen Menschen, aufzuschreiben, wenn ich mich
ebenso oft zwischen den Zahlen 1 bis 6 jeweils frei für eine
Zahl entscheide. Werden nach der gleichen Anzahl von freien
Entscheidungen im Durchschnitt gleiche berechenbare Ergebnisse
erscheinen? Und wenn ich mich – einfach so – , d.h. eben frei
entscheide, niemals mehr als 100 Mal die gleiche Zahl zu
wählen, wäre dies nicht ein starkes Argument, dass sich meine
Entscheidung vom Zufall unterscheidet und ich für mich die
strengen Regeln des Zufalls und der Statistik jederzeit
einfach so brechen kann?

Die Zahl, die ein Mensch aufschreibt, ist eben nicht immer
zufaellig, sondern oft auch von Ursachen bestimmt.

die des Würfels nicht minder.

Wenn ich den Willen habe, 100 Mal die 1 hinzuschreiben, dann kann ich dies tun. Doch dieser Wille

entsteht nicht im Nichts, sondern hat Ursachen.

klar, in mir.

Entweder ich verstehe dein Beispiel mit dem Wuerfel nicht,
oder es
kann den Bestreitern des freien Willens nichts anhaben.

Gruss, Tychi