Pflegeeltern werden

Hallo,

wir haben uns ja nicht leicht getan, zwei Kinder zu bekommen. Aber wir haben jetzt 2 kleine Kinder. Medizinisch war es leider nicht so einfach, obwohl wir noch jung sind. Der liebe Gott hat es halt nicht so gewollt.

Naja, jedenfalls haben wir schon nach der 1. Fehlgeburt darüber nachgedacht ein Pflegekind aufzunehmen.

Zwar ist das jetzt kein aktuelles Thema, weil wir ja noch ein Baby haben. Aber wir haben den Gedanken „Pflegekind“ nicht abgeschrieben.

Wir sind auf der Suche nach einem Eigenheim und hätten dann natürlich auch mehr Platz.
Momentan wohnen wir in einem Haus zur Miete und mein Mann verdient gut. Wir können uns also auch ein 3. Kind leisten.

Wir haben uns schon Gedanken gemacht. Vielleicht mag da jemand was ergänzen oder mir seine Erfahrunge mitteilen? Vielleicht gehe ich auch zu blauäugig an die Sache und sollte es lieber lassen?

  • Kinder sind oft entwicklungsverzöger
  • Kinder könnten uns ablehnen weil sie nicht mehr bei den Eltern sein können
  • Wie gehen meine Kinder damit um?
  • Kann ich dem förderbedürftigen Kind gerecht werden?
  • Unterstützt mich das Jugendamt
  • Wie wird das Kind von meinen Angehörigen auf und angenommen?
  • Wie gehe ich mit aggressiven/ sehr anhänglichen oder ablehnenden Kindern um?
  • Würde ich auch eine Bereitschaftspflege machen?
  • Komm ich mit dem Abschied zurecht?
  • Wie sehe ich mich mit den leiblichen Eltern?
  • Kommen meine Kinder zu kurz?
  • Wie gehen wir als Paar damit um?
  • Warum will ich das eigentlich machen?
  • Möchte ich nicht irgendwann wieder arbeiten gehen oder „nur“ Hausfrau sein?

Und wie ist das, wenn man sich als Pflegeeltern bewirbt?
Nach der Prüfung des Jugendamtes und Kursen die man besuchen muss, wartet mann dann „einfach“ auf ein Kind?

Total blöde Frage, aber wenn ich z.B. ein Kind bekommen habe, aber in 3 Monaten meinen Urlaub gebucht habe, was mache ich dann? Klar, dann Kind mitnehmen, gehört ja zur Familie.
Ich meine eher, dass es vielleicht zu viel für das Kind sein könnte. Es muss sich ja umstellen und uns kennen lernen, sich eingewöhnen. Oder soll ich es einfach mit nach Südafrika nehmen?

Sorry, blöde Frage, aber wir wollen schon wissen was auf uns zukommen wird.
Und kann man den auch nur kleine Kinder nehmen? Nicht weil die süßer etc sind, sondern weil ich denke es ist für meinen Großen leichter, wenn er der Große bleibt…nur so ein Gedanke…

Vielen Dank, bin auch für Buchempfehlungen oder Links dankbar.

Gruß Jenny

Hallo,

ich kenne mich damit selbst nicht aus, kenne aber Familien, die Pflegekinder haben. Die sagen immer eine Sache: Das eigene Kind muss immer das älteste sein. Sind die Pflegekinder älter als die eigenen, nehmen diese die Pflegegeschwister nicht so leicht auf.

LG IA

Hallo Jenny,

ganz grundsätzlich gibt es Hilfestellungen vom betreffenden Jugendamt. Diese sind bei manchen Ämtern ganz hervorragend und informieren die Pflegeeltern umfassend über alle relevanten Dinge im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Pflegekindes. Bei anderen - und wie ich aus Berichten weiß, leider nicht wenigen - wird viel geworben und wenig informiert.

Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt Jugendämter, die es nicht für angemessen halten, Pflegeeltern über ansteckende Krankheiten des Pflegekindes zu informieren. Und es gibt Jugendämter, die nicht mal wissen, dass Pflegekinder eine ansteckende Krankheit haben.

Allen gemeinsam ist der hohe Bedarf an Pflegestellen.

Mein Tipp wäre: Informiert euch gezielt in Pflegeelternforen. Lest die Erfahrungsberichte von Pflegeeltern, aber auch die von leiblichen Kindern, die mit Pflegekindern aufgewachsen sind.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass Pflegeeltern dazu neigen, sich die Auswirkungen auf ihre leiblichen Kinder schönzureden. Sie (die Eltern) bringen hohen Einsatz, um Kindern in Not eine Hilfe zu sein und sie wollen häufig nicht wahrhaben, was sie ihren eigenen Kindern zumuten.

Manche spüren das zwar, aber dann lesen sie die Berichte von anderen, die von sich behaupten, die Probleme wären alle lösbar gewesen, weil sie eine „starke Familie“ seien. Und natürlich will kaum jemand vor sich selbst zugeben, dass die eigene Familie nicht „stark“ genug ist, um mit den Anforderungen, die Pflegekinder mit sich bringen können, zurechtzukommen.

Auch wenn Erwachsene in der Lage sein mögen, mit traumatisierten, verstörten, verhaltensauffälligen, behinderten oder aggressiven Kindern umzugehen: Von Kindern kann man das nicht erwarten. Nicht wenige Pflegeeltern geraten aber in seelische Not, wenn sie vor der Entscheidung stehen, ein ohnehin verstörtes Pflegekind wieder abzugeben (und damit zu weiterer Verstörung beizutragen), weil die eigenen Kinder darunter leiden. Und nicht selten fällt ihre Entscheidung für das Pflegekind.

Bei Kurzzeitpflegen (die aber durchaus auch mal ein paar Jahre dauern können, weil sich plötzlich bestimmte Umstände ändern) sind die leiblichen Kinder permanent mit neuen Kindern konfrontiert. Ihre eigene emotionale Sicherheit kann dadurch ganz schön ins Ungleichgewicht geraten, denn nicht selten stehen die Pflegekinder (scheinbar) an erster Stelle und fordern mehr Raum, als den leiblichen Kindern zugestanden wird.

Ich persönlich sehe deshalb die Aufnahme eines Pflegekinds kritisch, wenn leibliche Kinder da sind. Deshalb: Informiert euch gut, damit der Wunsch, Gutes zu tun, nicht zum Übel gerät.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo,

ich kenne einige Familien, die fremde Kinder aufgenommen haben, und das ging manchmal gut, manchmal nicht wirklich.

Die Kinder tragen alle ihr Päckchen, und nehmen sehr viel Raum und Zeit ein. Die fehlt dann nicht nur den eigenen Kindern, sondern uU auch Euch als Paar! Oft ist es so, das die Kinder in der Pubertät sehr schwierig werden, Ecuh ablehnen, in ihr Heimatumfeld drängen , etc. Und Ihr die auch wieder abgeben müßt, obwohl ihr wißt, wohin diese Kinder dann wieder kommen!

Ich will Euch nicht davon abraten, aber sucht Kontakt zu anderen Pflegeeltern. Und unterhaltet Euch mal über die Folgen. Und das Leben dann.

Ich kenne eine Familie, die neben den eigenen 2 noch zwei Pflegekinder hat, und da klappt das gut. Beide sind gelernte Pädagogen und wußten ganz genau worauf sie sich einlassen. Und das ist glaub ich das wichtige. Was man vorher weiß, kann man besser mit umgehen.

Lg

Brenna

Hallo,

Auch wenn Erwachsene in der Lage sein mögen, mit traumatisierten, verstörten, verhaltensauffälligen, behinderten oder aggressiven Kindern umzugehen: Von Kindern kann man das nicht erwarten

Ich frage mich gerade was mit Familien ist, in denen ein eigenes Kind krank/behindert/… geboren wird, durch Krankheit/Unfall/ … entsprechend auffällig wird, und warum man Kinder in Kindergarten, Schule, organisierten Freizeitaktivitäten versucht ganz bewusst erleben zu lassen, dass es auch andere Kinder mit Behinderungen/… gibt, die auch ihre Stärken haben, und deshalb nicht weniger wertvolle Menschen sind.

Ich sehe das Thema durchaus nicht mit rosaroter Brille, sondern auch als durchaus nicht unproblematisch an, kann aber deinen Absolutheitsanspruch hier nicht teilen. Kinder erleben - ob geplant und mit Absicht oder rein zufällig - viele Dinge, die auf den ersten Blick nicht positiv sein mögen, aber durchaus auch dazu beitragen können, dass sich eine Persönlichkeit positiv entwickelt. Das Wegsperren von Behinderten, das Sterben im Krankenhaus, … hatte ich eigentlich - glücklicherweise - auf dem eher absteigenden Ast gesehen.

Gruß vom Wiz

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Hallo Wiz,

Ich frage mich gerade was mit Familien ist, in denen ein eigenes Kind krank/behindert/… geboren wird, durch Krankheit/Unfall/ … entsprechend auffällig wird

Die haben nicht selten ein ähnliches Problem: Die nicht behinderten Kinder müssen oft komplett zurückstecken, weil die Aufmerksamkeit der Eltern beim behinderten/ kranken Kind ist. Und genau aus dem Anspruchsdenken heraus, das du hier vertrittst, geht es den gesunden Kindern oftmals doppelt schlecht:

Zum einen, weil ihre eigenen Bedürfnisse ständig hintenan gestellt werden. Das mag man noch als „gesunde“ Schulung in Sachen Sozialverhalten werten (was ich persönlich allerdings in Frage stelle). Zum anderen, weil die moralische Verpflichtung, das behinderte Kind unter allen Umständen zu akzeptieren, ihnen unmöglich macht, ihre Trauer, ihre Wut und ihre Gefühle von Alleingelassenwerden zu formulieren.

Aussagen wie die deine stellen sie an die Wand, wenn sie wagen, Unmut zu äußern und gegen die eigene Vernachlässigung zu protestieren. In vielen Familien ist das behinderte Kind der Mittelpunkt des Universums, um den alle anderen wie Satelliten kreisen und dessen Bedürfnissen sich alle unterzuordnen haben. Das bedeutet, dass es selbst in einer gewachsenen Familie schwierig sein kann, mit solchen Situationen umzugehen.

Bei einem Pflegekind multiplizieren sich die Probleme. Zunächst besteht keine emotionale Bindung zueinander, das fremde Kind ist genau das: Ein fremdes Kind. Wenn dieses Kind auch noch viel Aufmerksamkeit kriegt, ist das für leibliche Kinder nicht immer leicht auszuhalten. Gefühle von Eifersucht und Neid sind völlig normal.

Wenn es den Eltern nicht gelingt, sicherzustellen, dass auch die emotionalen Bedürfnisse der eigenen Kinder ausreichend erfüllt werden, werden die Eifersuchtsgefühle nicht verschwinden. Bei Kurzzeitpflegen kommt hinzu, dass sich möglicherweise in kurzen Abständen verschiedene fremde Kinder abwechseln. Das kann dazu führen, dass die leiblichen Kinder in den Gefühl leben, dass jedes x-beliebige andere Kind den Eltern mehr wert ist als sie selbst.

Bleibt das Kind länger, entsteht in den meisten Fällen früher oder später eine emotionale Bindung. Im Gegensatz zu Erwachsenen können Kinder keine „professionelle Distanz“ wahren, auch wenn sie wissen, dass das Bleiben des Pflegekindes nicht von Dauer sein wird. Das fällt selbst manchen Erwachsenen schwer. Wenn das Pflegekind dann die Familie verlässt, hinterlässt das Wunden, die es gilt, gut zu versorgen. Auch das versäumen nicht wenige Eltern.

Und was die rosarote Brille betrifft: Ich habe über die Kontakte mit der Jugendhilfe auch viel Kontakt zu (ehemaligen) Pflegekindern. Die wenigsten bewerten die Zeit in der Pflegefamilie als positiv. Viele fühlten sich immer als fünftes Rad am Wagen und beschreiben das Gefühl, dass sie sie immer die Erwartung spürten, „dankbar“ sein zu müssen. Natürlich sind manche Pflegekinder - vor allem die in Dauerpflege - tatsächlich glücklich und dankbar, weil sie ein Stück zuhause gefunden haben. Die Regel sind sie nicht.

und warum man Kinder in Kindergarten, Schule, organisierten Freizeitaktivitäten versucht ganz bewusst erleben zu lassen, dass es auch andere Kinder mit Behinderungen/… gibt, die auch ihre Stärken haben, und deshalb nicht weniger wertvolle Menschen sind.

Darum geht es doch gar nicht, auch wenn sich das wunderbar eignet, um jeden in die Ecke zu stellen, der es wagt, einen kritischen Blick auf bestimmte Dinge zu werfen. Ich würde gerne deine eigene Bereitschaft sehen, deine Wohnung, dein Leben, vielleicht sogar dein Schlafzimmer mit einem Menschen zu teilen, der ständig ausflippt, deine Sachen zerstört, dich beschimpft und schlägt, während von anderer Seite an deine moralische Verpflichtung appelliert wird, dein gutes Leben gefälligst mit ihm zu teilen und hinzunehmen, was er tut.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,

was Du als „Anspruchsdenken“ bezeichnest, ist für viele Familien schlicht und ergreifend tägliche Realität. Und behinderte/kranke/auffällige Kinder lassen sich nicht einfach in Luft auflösen, nur weil es dann den gesunden und unauffälligen Kindern besser geht. Insoweit stellt sich mir jetzt doch ganz massiv die Frage, was Du mit entsprechend problematischen Kindern zu tun gedenkst? Alle raus aus den Familien und in Heime stecken, nur damit kein gesundes Kind drunter „leiden“ muss?

Natürlich ist es schwer die richtige Balance zu finden, wenn ein Kind aufgrund Krankheit, … besondere Aufmerksamkeit und Zeit braucht. Natürlich „leiden“ Kinder auch, wenn die Eltern Angehörige pflegen, … Nur bleibe ich dabei: Das ist das ganz normale Leben, und insoweit spricht auch nichts dagegen, gesunde Kinder mit Pflegekindern „zu konfrontieren“. Viele von uns haben sich angewöhnt Kinder überzubehüten und die reale Welt möglichst lang und möglichst weit von ihnen fernzuhalten, weil das angeblich ach so schlimm für ihre Entwicklung wäre. Sorry, aber schauen wir mal nicht so all zu weit zurück. Meine Eltern haben noch Krieg und Hunger erlebt. In meiner Großelterngeneration war es noch vollkommen üblich, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Geschwister und Freunde im Kindesalter starb, Mütter im Kindbett starben, Väter in noch erheblich größerer Zahl als heute Arbeitsunfällen (meine Großväter waren beide Bergleute, ich weiß, wovon ich rede) zum Opfer fielen, und Mütter ohne Ausbildung dann alleine mit einem Stall voll Kinder standen. Alles nicht schön. Gut, dass wir heute in besseren Zeiten leben, aber wir wollen doch bitte nicht so tun, als ob wir die erste Generation überhaupt wären, die es schafft glückliche Kinder zu haben, weil wir unter recht idealen Grundbedingungen leben. Auch unsere Vorfahren haben Spaß am Leben gehabt, und haben es geschafft/schaffen müssen, dafür das ein oder andere Trauma zu verarbeiten.

Und wir haben auch unser Fett zu Kinderzeiten wegbekommen. Ein Partner wurde früh Halbwaise, einer hatte einen massiven Pflegefall über Jahre in der Familie. Vor dem Fernseher geparkte Kinder, weil Mama mal wieder mit Oma ins Krankenhaus musste, kenne ich nicht nur aus Erzählungen. Und trotzdem, oder gerade mit diesem Hintergrund haben wir auch schon wieder den ersten bis zum Tod im Haushalt gepflegten Demenzfall hinter uns, und ja, wir könnten uns durchaus auch ein Pflegekind vorstellen. Nur rein praktisch wird es nichts werden, da wir zu alt sind, wenn unsere Kinder einen entsprechenden Altersvorsprung hätten, und wir momentan nicht mal eigene Zimmer für unsere beiden eigenen Kinder haben (allerdings auch noch nicht nötig).

Aber wir haben gerade das Experiment mit dem sehr auffälligen Sohn eines Babysitters hinter uns. Ist leider negativ verlaufen, weil der Altersunterschied noch nicht ausreichte, aber wir würden es wieder versuchen. Und nach 21 Monaten mit 35 geistig behinderten und psychisch auffälligen jungen Erwachsenen, die mir gerne auch mal von der Kaffeetasse bis zur kompletten Stereoanlage alles mögliche hinterher geworfen haben, weiß ich durchaus mit solchen Situationen umzugehen.

Ich stelle insoweit hier niemand in eine Ecke, der einfach nur kritische Anmerkungen macht. Ich sehe das Thema selbst durchaus kritisch. Aber ich wende mich nach wie vor ganz massiv dagegen, Menschen mit Problemen möglichst von unserer ach so heilen Familienwelt fern zu halten.

BTW: Unsere Kinder wissen/erfahren frühzeitig auch wo das Fleisch auf dem Tisch herkommt, wissen, dass meine Frau u.a. auch einem Hospiz vorsteht, und was das für eine Einrichtung ist, und was da passiert, sind regelmäßig auch in den anderen Einrichtungen für die meine Frau zuständig ist, und erleben Menschen mit Demenz, bekommen mit, dass die nette Dame vom letzten Mal inzwischen verstorben ist, … Und es sind fröhliche und aufgeweckte Kinder (der Große bekam heute großes Lob bei der Schuluntersuchung für seine außerordentlichen kognitiven Fähigkeiten, seine Formulierungskünste und seinen Wortschatz, …)

Gruß vom Wiz

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