Pflichtpraktikum im Studium und Sozialversicherung

Hallo,

was gilt in folgendem Fall im Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge:

„Ein Student, bisher Halbwaisenrentenempfänger und somit selbst kranken- und pflegversichert, absolviert 2010 ein mit 800 EUR bezahltes 6-monatiges Pflichtpraktikum während seines Studiums und verliert seine Halbwaisenrente für die Praktikumszeit aufgrund des zu hohen Einkommens.“

Mein Fragen:

  1. Hat der Student Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen?

Wenn ja:

  1. Welche Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- oder Unfallversicherung) hat er zu zahlen?

  2. Welche Sozialversicherungsbeiträge werden „automatisch“ vom Bruttolohn abgezogen und welche muss der Student selbst in Eigenverantwortung zahlen?

  3. Ist es möglich sich die Sozialversicherungsbeiträge nach Praktikumsende wieder zurückzuholen ähnlich der gezahlten Lohnsteuer und wenn ja, welche Beiträge können zurückgeholt werden?

  4. Angenommen, nur 2 Monate des 6-monatigen Praktikums sind Pflichtpraktikum, die restlichen 4 Monate freiwillig. Wie verhält es sich in diesem Fall mit den Sozialversicherungsbeiträgen?

Hallo,

viele Fragen auf einmal. Ich versuche einmal etwas zusammen zu fassen:

  1. Krankenversicherung,Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung:

Das vorgeschriebene Praktikum während der Immatrikulation begründet keine Versicherungspflicht in der KV, PflV und AlV. Vielmehr besteht die KV und PflV als Waisenrenter weiter, auch wenn durch die Einkommensanrechnung keine Rente ausgezahlt wird. Ergo kein Abzug von KV,PflV oder Alv-Beiträgen aus dem Praktikumslohn.

  1. Rentenversicherung
    In der Rentenversicherung besteht für die in der Prüfungs- oder Studienordnung vorgeschriebenen Praktika während der Einschreibung ebenfalls keine RV-Pflicht. Also auch kein Abzug von Beiträgen.

  2. Unfallversicherung
    Die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen UV ist ausschließlich Sache des Arbeitgebers.

  3. Zeit des nicht vorgeschriebenen Praktikum
    In der KV, PflV und AlV besteht Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs. Das erfordert aber, dass die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden nicht übersteigt oder das Praktikum in die Semesterferien fällt. Ist das nicht der Fall, dann besteht Versicherungspflicht mit Einbehaltung der Arbeitnehmeranteile. Versicherungspflicht und Beitragsabzug besteht auf alle Fälle in der Rentenversicherung. Die vom Arbeitgeber einbehaltenen und abgeführten Beiträge werden nicht erstattet.

Gruß Woko

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, Woko! Das bringt endlich etwas Licht ins Dunkel.

Trotzdem noch eine Rückfrage zu deinem Punkt 1 (KV- u. PflV-Beitrag bei vorgeschriebenem Praktikum):

Bleibt der KV- u. PflV-Beitrag trotz Praktikumslohn dann so „niedrig“ wie zu dem Zeitraum, in dem nur Halbwaisenrente bezogen wurde? Anders gefragt: Wird zur Ermittlung des KV- und PflV-Beitrags nur das Einkommen der Halbwaisenrente herangezogen, wie es vor Praktikumsbeginn bestanden hat?

Ich dachte ja eher: Wenn sich ohne Praktikum der KV- u. PflV-Beitrag an der Höhe der Halbwaisenrente bemisst, diese aber während des Praktikums entfällt, verschwindet ja auch die Bemessungsgrundlage für den KV- u. PflV-Beitrag. Damit hatte ich aber wohl einen Denkfehler.

Letztendlich würde dies ja im günstigsten Fall bedeuten, dass der Halbwaise weniger KV- und PflV-Beitrag zahlen muss, als ein Student, der vor Praktikumsbeginn familienversichert war und nun durch den zu hohen Praktikumslohn (800 EUR!) eine eigene studentische Krankenversicherung abschließen muss, die dann ja den Praktikumslohn als Bemessungsgrundlage hat.

Hallo,

die Waisenrente wird auch bei 800 € mtl. Praktikumslohn nicht ganz wegfallen. Es gibt einen monatlichen Freibetrag von 478,72 € (West) bzw. 424,69 € (Ost). Das darüber liegende Einkommen wird nur zu 40% auf die Rente angerechnet. Der tatsächliche Auszahlungsbetrag der Rente ist für die KV bzw. PflV-Beiträge maßgebend und wird ja direkt einbehalten und mit dem Anteil der RV an die KV abgeführt.

Dadurch zahlt man während des Praktikums tatsächlich trotz zusätzlichen Einkommens weniger KV bzw. PflV-Beiträge. Das kann man unter dem Begriff Werkstudentenprivileg mit abhaken. Hierdurch soll es Studenten ja ermöglicht werden, einen Teil ihres Studiums selbst zu finanzieren.

Man kann das aber auch als Regelungslücke ansehen, da Rentner ansonsten auch KV-Beiträge aus der Rente, Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen zahlen müssen ( § 237 SGB V). Dabei ist Arbeitseinkommen nur das Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit. Man hat sich bei Schaffung des Gesetzes wohl gedacht, dass Rentner mit höheren Arbeitslohn aus einer Arbeitnehmerbeschäftigung wohl vorrangig aufgrund dieses Einkommens versichert sind. Dabei hat man die Studenten übersehen.

Wenn der Praktikumslohn unter 400 € mtl. liegt, dann handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung, von der der Arbeitgeber pauschale KV-Beiträge zu zahlen hätte.

Es ist richtig, dass der bisher beitragsfrei familienversicherte Student sich mit eigenem Beitrag versichern muss. Wenn das Praktkum aber nur 2 Monate dauert, ist das auch nicht der Fall, da dann kein regelmäßiges Einkommen vorliegt. Dann bleibt er weiter in der Familienhilfe. In diese kehrt er beitragsfrei auch wieder nach einem längeren Praktikum zurück. Im Gegensatz zum Waisenrentner, der dann selbst wieder den vollen KV-Beitrag zahlen muss.

Man kann diese Regelungen auch im Kontext einer sozialen Ausgleichregelung sehen. Als Waisenrenter ist man ja nur dann pflichtversichert, wenn der Elternteil selbst überwiegend gesetzlich versichert war und seinen vollen KV-Beitrag gezahlt hat.

Gruß Woko