Phänotyp vs. Genotyp

Hi.

Laienhafte Frage: ist der menschliche Phänotyp im Genotyp soweit angelegt, dass z.B. die Zahl und die Position der Arme bestimmt ist, dass es also zwei Arme sind, die an der Schulter stecken? Ich las irgendwo, nur die Struktur des Arms sei bestimmt, nicht aber seine Zahl und die Position.

Gruß

Hallo!

Laienhafte Frage: ist der menschliche Phänotyp im Genotyp
soweit angelegt, dass z.B. die Zahl und die Position der Arme
bestimmt ist, dass es also zwei Arme sind, die an der Schulter
stecken? Ich las irgendwo, nur die Struktur des Arms sei
bestimmt, nicht aber seine Zahl und die Position.

Wie es bei den Armen ist, weiß ich nicht. Das könnte aber korrekt sein, denn eine ähnliche Geschichte kenne ich bei der Fruchtfliege Drosophila. Der Brustabschnitt der Fliegen besteht aus drei Segmenten. Bei allen Insekten bilden das mittlere und das hintere Segment Flügel aus. Da Drosophila zu den Dipteren („Zweiflügler“) gehört, ist das hintere Flügelpaar zu Schwingkölpchen reduziert. Es gibt nun eine Mutation (bithorax), die dazu führt, dass im dritten Brustsegment dieselben Gene aktiviert werden wie im zweiten. Fliegen mit dieser Mutation haben vier Flügel. Man hat entdeckt, dass Mäuse ein homologes Gen besitzen. Wenn man bei ihnen dieselbe Mutation auslöst, führt das dazu, dass die oberen Lendenwirbel Rippen ausbilden (was eigentlich den Brustwirbeln vorbehalten ist).

Was ich damit sagen möchte: Im Genom steht nicht: „Zwei Augen, Zwei Ohren, zwei Arme, zwei Beine, …“ sondern eher sowas: „Wenn diese Zelle auf der Höhe eines Brustwirbels liegt, dann darf sie beginnen, Proteine herzustellen, die ihre Differenzierung zu einer Rippenknochenzelle einleiten.“

Michael

Hallo Fragewurm,

Laienhafte Frage: ist der menschliche Phänotyp im Genotyp
soweit angelegt, dass z.B. die Zahl und die Position der Arme
bestimmt ist, dass es also zwei Arme sind, die an der Schulter
stecken? Ich las irgendwo, nur die Struktur des Arms sei
bestimmt, nicht aber seine Zahl und die Position.

Im Ei gibt es ein Koordinatensystem.

Also in der Eihülle befindet sich ein Punkt mit einer Substanz, welche bestimmt wo der Oben (Kopf) ist. Die Konzentration nimmt nun, ausgehend von diesem Punkt quer durchs Ei ab. Weitere Punkte gibt es für Unten, Hinten und Vorne.
Je nach Konzentration dieser Substanzen werden dann in den Zellen des Zellhaufens gewisse Gen-Schalter geschaltet. Die Zellen bekommen also eine unterschiedliche Programmierung, je nachdem an welchem Ort sie sich befinden.
Diese Zellen sind also durch diese Programmierung in der Weiterentwicklung „eingeschränkt“.
Aus einer bestimmten kann sich also nur noch eine Hand und aus einer anderen nur noch ein Fuss entwickeln.
Die weitere Programmierung erfolgt dann durch den Weg den eine Zelle geht. Bei jeder Zellteilung haben die zwei neuen Zellen, ja unterschiedliche Nachbarn, welche bereits eine bestimmte Programmierung haben. Diese Wechselwirkungen setzen dann weitere Gen-Schalter in der Zelle.

Desweiteren gibt es gar nicht so viele Grundbaupläne.

z.B. eine Schweissdrüse und das entsprechende Gegenstück in der Niere, sind identisch aufgebaut. Nur die Zellen, welche für das Ausfiltern aus dem Blutkreislauf verantwortlich sind, haben eine etwas unterschiedliche Programmierung.

Auch Arme und Beine verwenden die selbe Grundkonstruktion. Schulter und Hüfte sind je als Kugelgelenk ausgeführt. Knie und Ellenbogen sind Scharniere. Das Zweite Segment besteht je aus zwei Knochen und ist deshalb um seine Längsachse drehbar. Hände und Füsse sind von der Konstruktion her, auch nicht grundsätzlich unterschiedlich. Die Spiegelung ergibt sich durch die oben beschriebene Programmierung durch die Nachbarn „automatisch“.

Auch der Unterschied zwischen Männlein und Weiblein ist gar nicht so gross. Bei der Entwicklung des Embryos wird lange nach identischen Plänen „gebaut“.
Das auffallendste Merkmal sind die Brustwarzen, diese „Baustelle“ wird ja erst mit der Pubertät fertig gestellt.
Eine andere „Baugruppe“ bleibt entweder in der Bauchhöhle oder wandert durch die Bauchdecke in den Hodensack. Das ist auch der Grund, wieso Leistenbrüche hauptsächlich bei den Männlein auftreten. Entsprechend werden es dann Eierstöcke oder Hoden.

MfG Peter(TOO)

Hallo,

ich denke, die Frage ist von meinen beiden Vorrednern ja schon exzellent beantwortet, dennoch möchte ich eine zusätzliches Beispiel zur Verdeutlichung des Prinzips (s. bes. den Beitrag von Michael) anführen:

Die Entwicklung des Phänotyps ist ein dynamischer Prozess. Die Form ist nicht vorgegeben, so dass der Prozess so ablaufen muss, um diese Form zu generieren (zB. wie beim Autobau oder Hausbau), sondern es ist andersrum: Der Prozess selbst *entwickelt* die Form aus sich heraus (das gibt es Analogien zB. in marktwirtschaftlichen Strukturen, die sich aus Prozessen ergeben, die eine Geschichte haben, und die nicht etwas so sind, wie sie sind, weil von vorneherein bestimmt wäre, wie sie zu sein haben).

Ein sehr einfaches Beispiel für die Entstehung recht komplexer Muster in dynamischen Prozessen ist die Bildung von Wirbeln (http://www.tuwien.ac.at/fileadmin/t/tuwien/fotos/pa/…, www.muk.uni-hannover.de/forschung/etling/, http://www.startblatt.net/blogs/at.wien-4-wieden/flu…, aber auch http://www.aktionaersdatenbank.homepage.t-online.de/… oder http://www.astronomie.de/bibliothek/artikel/extrasol…).

Hier gibt es kein Erbgut, aber es gibt auch Rahmenbedingungen wie Viskosität, Temperatur, Strömungsgeschwindigkeiten, Gravitationskonstante, usw. Ähnlich Rahmenbedingungen erzeugen immer wieder ähnliche Strukturen. Das Aussehen dieser Strukturen ist natürlich nicht a priori festgelegt, aber es ergibt sich doch recht zwingend aus den Rahmenbedingungen durch den ablaufenden Prozess.

Sehr ähnlich ist es auch bei der Ausbildung von Phänotypen, nur dass hier die genetische Information selbst ein TEIL der Rahmenbedingungen ist.

Eine weitere Ähnlichkeit dieser Analogie ist interessant: Stört man den Musterbildungsprozess eines dynamischen Systems, so entsteht i.d.R. ein etwas anderes Muster, ein abgewandelter Phänotyp, je nach Art und Intensität der Störung mehr oder weniger Ähnlich dem Ausgangsmuster. Das Ergebnis ist meist sogar noch funktional, oder Aspekte der Gesamtform ändern sich, ohne die Gesamtstruktur zu „vernichten“. Recht abscheuliches Beispiele aus der Biologie dazu finden sich bei Contergan-Kindern, Turner-Frauen oder auch bei siamesischen Zwillingen. Ähnlich massive Störungen bei fixen Bauplänen, wie sie beim Autobauen verwendet werden, führen hingegen meist dazu, dass das ganze Auto nicht mehr funktionsfähig ist: Wird die angetriebene Hinterachse fälschlicherweise vorne eingebaut, hat man hier eben *kein* Auto mit Vorderrad-Antrieb, sondern einen Haufen Schrott.

Ich finde das interessant und wollte das man loswerden. Entschuldigt den langen Beitrag.

LG Jochen

‚Esoterische‘ Zusatzfrage
Hi zusammen.

Danke für die interessanten Antworten. Ich möchte die Frage hinterschicken, ob hinter den von euch geschilderten Prozessen theoretisch so etwas wie eine unbewusste und unsichtbare „Intelligenz“ stecken könnte, die den Prozess der Ausbildung des Phänotyps steuert. Hat nicht Rupert Sheldrake irgendwo so etwas angedeutet (morpogenetische Felder)? Auch in der Esoterik gibt es Stimmen, die behaupten, dass - hier im Falle des Menschen - ein humanoid geformter Energiekörper (Astralleib) als zielbildendes Modell für die Herausformung des biologischen Leibes dient. Dies könnte auch das Phänomen der Phantomschmerzen erklären: die Schmerzen finden im nach wie vor vollständigen „Energiekörper“ statt und sind genauso real, wie der Betreffende sie empfindet. Meines Wissens gibt es für Phantomschmerzen, abgesehen von dieser These, keine wirklich plausiblen konventionellen Erklärungen.

Gruß Horst

Naturwissenschaftliche Antworten

theoretisch so etwas wie eine unbewusste und unsichtbare
„Intelligenz“ stecken könnte, die den Prozess der Ausbildung
des Phänotyps steuert.

Ja, die chemischen, thermischen und physikalischen Einflüsse der Umwelt. Beispiel: http://www.crocodilians.de/html_fachbeitraege/krokod…

Die meisten Menschen denken, dass die Materie (Atome, Moleküle) irgendwelche Kräfte von außen bräuchten um bestimmte Formen (Zucker, Aminosäuren, …) anzunehmen. Im Gegenteil, das tun sie von selbst. Ein bisschen Energie (Wärme) und Zeit reicht völlig aus.

http://www.teach12.com/ttcx/CourseDescLong2.aspx?cid…

Hat nicht Rupert Sheldrake irgendwo so
etwas angedeutet (morpogenetische Felder)?

Diese „Felder“ sind schon lange in der Mülltonne gelandet: http://de.wikipedia.org/wiki/Morphisches_Feld

Dies könnte auch das Phänomen der Phantomschmerzen erklären

Tut es nicht, die neurologische Erklärung nebst Behandlung vom derzeitigen Fachmann für Phantomschmerzen Vilayanur Ramachandran: http://www.amazon.de/gp/product/3499613816/ref=s9sdp…

Meines Wissens gibt es für Phantomschmerzen, abgesehen von dieser These, keine wirklich plausiblen konventionellen Erklärungen.

Wie war das, wer heilt hat recht?

Ja, mein Schulwissen über Biologie ist auch schon lange veraltet. Deswegen lese ich aktuelle Bücher: http://www.amazon.de/Evo-Devo-neue-Bild-Evolution/dp…

Gruß

Stefan