Hallo,
ich denke, die Frage ist von meinen beiden Vorrednern ja schon exzellent beantwortet, dennoch möchte ich eine zusätzliches Beispiel zur Verdeutlichung des Prinzips (s. bes. den Beitrag von Michael) anführen:
Die Entwicklung des Phänotyps ist ein dynamischer Prozess. Die Form ist nicht vorgegeben, so dass der Prozess so ablaufen muss, um diese Form zu generieren (zB. wie beim Autobau oder Hausbau), sondern es ist andersrum: Der Prozess selbst *entwickelt* die Form aus sich heraus (das gibt es Analogien zB. in marktwirtschaftlichen Strukturen, die sich aus Prozessen ergeben, die eine Geschichte haben, und die nicht etwas so sind, wie sie sind, weil von vorneherein bestimmt wäre, wie sie zu sein haben).
Ein sehr einfaches Beispiel für die Entstehung recht komplexer Muster in dynamischen Prozessen ist die Bildung von Wirbeln (http://www.tuwien.ac.at/fileadmin/t/tuwien/fotos/pa/…, www.muk.uni-hannover.de/forschung/etling/, http://www.startblatt.net/blogs/at.wien-4-wieden/flu…, aber auch http://www.aktionaersdatenbank.homepage.t-online.de/… oder http://www.astronomie.de/bibliothek/artikel/extrasol…).
Hier gibt es kein Erbgut, aber es gibt auch Rahmenbedingungen wie Viskosität, Temperatur, Strömungsgeschwindigkeiten, Gravitationskonstante, usw. Ähnlich Rahmenbedingungen erzeugen immer wieder ähnliche Strukturen. Das Aussehen dieser Strukturen ist natürlich nicht a priori festgelegt, aber es ergibt sich doch recht zwingend aus den Rahmenbedingungen durch den ablaufenden Prozess.
Sehr ähnlich ist es auch bei der Ausbildung von Phänotypen, nur dass hier die genetische Information selbst ein TEIL der Rahmenbedingungen ist.
Eine weitere Ähnlichkeit dieser Analogie ist interessant: Stört man den Musterbildungsprozess eines dynamischen Systems, so entsteht i.d.R. ein etwas anderes Muster, ein abgewandelter Phänotyp, je nach Art und Intensität der Störung mehr oder weniger Ähnlich dem Ausgangsmuster. Das Ergebnis ist meist sogar noch funktional, oder Aspekte der Gesamtform ändern sich, ohne die Gesamtstruktur zu „vernichten“. Recht abscheuliches Beispiele aus der Biologie dazu finden sich bei Contergan-Kindern, Turner-Frauen oder auch bei siamesischen Zwillingen. Ähnlich massive Störungen bei fixen Bauplänen, wie sie beim Autobauen verwendet werden, führen hingegen meist dazu, dass das ganze Auto nicht mehr funktionsfähig ist: Wird die angetriebene Hinterachse fälschlicherweise vorne eingebaut, hat man hier eben *kein* Auto mit Vorderrad-Antrieb, sondern einen Haufen Schrott.
Ich finde das interessant und wollte das man loswerden. Entschuldigt den langen Beitrag.
LG Jochen