Philosophen: Aufklärer oder Erfinder?

Es kommt mir so vor, als würden in der Philosophie zwei selten vereinte Übungen den Meister machen: das Erfinden und das Aufklären.

Das Erfinden ist eine Ingenieurskunst, eine schöpferische Tätigkeit. Der Erfinder will (auf dem einen oder anderen Gebiet) hoch hinaus. Archetypisch dafür ist Daidalos, dessen Kreativität durch kein noch so schlüssiges Labyrinth eingeengt wurde. Freilich musste er mitansehen, wie sein allzu bedenkenloser Zögling Ikaros beim Höhenflug sich zu Tode stürzte.

Das Aufklären ist sozusagen ein Tauschgeschäft, wo man sich Lektionen einhandelt, sei es als lehrreiche Beantwortungen von Fragen, sei es als kritische Auseinandersetzungen mit Gedanken. Aufklärer denken scharf und wissen viel, aber es pflegen von ihnen keine geistigen Initiativen auszugehen. Solche scheinen sie mit ihren schlüssigen Argumenten lieber totreden zu wollen.

Das Philosophieren bleibt aus meiner Sicht nur dort lebendig, wo Erfindungsmut und Aufklärungswut sich füreinander öffnen. Es ist wie gesagt höchst selten, dass dies in einer einzigen Person geschieht. Aber zum Glück gibt es ja ein Forum wie dieses, wo sich immer wieder reichlich Gelegenheit bietet, dass „Erfinder“ und „Aufklärer“ gemeinsam einen goldenen Mittelweg beschreiten.