Hallo Tobias,
Du stellst gute Fragen. Es ist mir sympathisch, wenn sich jemand selbst darum
kümmert, was und wie er lernen kann statt sich nur vom Lehrer zu erzählen
lassen, was als nächstes kommt.
Ich kann dir leider nicht mit konkreten Literaturtips weiterhelfen, weil ich trotz
einigen Jahren Klavierunterricht (der aber viele von diesen Fragen auch nicht
behandelt hat) überwiegend autodidaktisch gelernt habe.
Ich kann dir dazu nur soviel sagen, dass das alles Übungssache ist. Vor allem das
Finden der Tasten automatisiert sich irgendwann, je mehr man sich an die
Tastatur gewöhnt. Da würde ich dir den Tip geben, „Griffe“ zu lernen. Klar guckt
man auch auf die Tastatur, vor allem wenn man springen muss, aber
grundsätzlich funktioniert der Kontakt zur Tastatur (bei mir) über Griffmuster.
D.h., zB D-Dur (D-F#-A) bedeutet eine bestimmte Handhaltung und Position der
Finger. Mit der Zeit lernt man unzählige solcher Muster und die Unterschiede und
denkt irgendwann überhaupt nicht mehr darüber nach. Auch Melodien und
Tonleitern merkt sich die Hand aufgrund der Fingerstellungen. Manche
Klavierlehrer lassen ihre Schüler auch blind spielen, indem sie beim Schüler ein
Papier über die Hände halten. Das kann man machen (oder selber einfach strikt
woanders hingucken und versuchen, trotzdem durchzukommen), aber eigentlich
entwickelt sich das mit der Zeit von selbst.
Zweiter Tip wäre „Geduld“. Du bist seit ein paar Wochen dabei und stellst wie
gesagt schon sehr gute Fragen. Richtig spielen lernen dauert Jahre; das soll dich
nicht entmutigen, ganz im Gegenteil: Es soll dir den (möglichen) Frust nehmen,
wenn etwas nicht auf Anhieb oder in der Zeit klappt, die man sich vielleicht
vorgestellt hat. Und auch nach vielen Jahren spielen (ich habe nie so richtig
gezählt) ist es immer noch schön, eine leichtere, einfachere Lösung für Dinge zu
finden, die man vorher für „schwierig“ gehalten hat.
Dritter Tip: Leicht, einfach, entspannt. Es wird oft der Fehler gemacht, Lücken im
eigenen Können durch Anspannung zu schließen; das habe ich früher selbst ganz
viel gemacht. Ein bisschen weiter kommt man damit, aber dafür ist die
nachfolgende Wand, gegen die man dann rennt, umso dicker. Das Spielen muss
sich immer (!) leicht und entspannt anfühlen, auch wenn man natürlich ständig
Kraft auf die Tasten ausüben muss. Aber nach dem Drücken muss man sofort
wieder entspannt sein und bereit für die nächste Bewegung, die oft in
Sekundenbruchteilen danach kommt.
Stell dir vor, Du hast einen Hammer in der Hand und willst mit dem einen Nagel
einschlagen. Du kannst entweder den Hammer locker in der Hand halten und
quasi frei auf den Nagel fallen lassen oder ihn die ganze Zeit krampfhaft
umklammern. Klavierspielen ist optimalerweise eher wie ersteres. Letzteres
ermüdet die Hand fünfmal so schnell. Natürlich ist Klavier spielen viel komplexer
als einen Nagel irgendwo reinzuhauen, aber es gibt Parallelen.
Teil der Dispziplin, die man bei jedem Lernen braucht, ist beim Klavierspielen:
Sofort aufhören oder irgendetwas verändern, wenn es sich angestrengt, „schwer“
oder verkrampft anfühlt. Das ist sehr wichtig und kann nicht oft genug gesagt
werden. Man kann sich auch viel abgucken bei berühmten Pianisten: Such mal bei
YouTube nach (Vladimir) Horowitz oder ([J]ewgeni) Kissin. Oder im Jazz: Oscar
Peterson, Peter Nero. Die spielen natürlich auf höchstem Niveau, aber sie machen
in jedem Moment die einfachsten und entspanntesten möglichen Bewegungen.
Sonst könnten sie solche Sachen gar nicht spielen.
Soweit erst einmal für heute;
wenn Du weitere Fragen hast, schreib mir gerne wieder.
Viel Spaß
Dominik