Planetenentstehung / Planetesimals

Guten Tag zusammen,

ich habe ein paar Frage zur Planetesimal-Theorie. Da ich kein Geologie bin, kenne ich die Details nicht genau, da ich aber Physiker bin, darf die Antwort ruhig anspruchsvoll sein:

1.) Wie erklärt man die extreme Ungleichverteilung der Elemente im Sonnensystem? --> Sonne viel H/He, innere Planeten viele schwere Elemente, äußere Planeten viel Gase

2.) Wie erklärt man sich „Aggregation“ der Planetesimals innerhalb der solaren Scheibe, angesichts der Tatsache, daß ja hohe Temperaturen und hoher Teilchen-/Strahlungsdruck in radialer Richtung durch den Zentralstern existieren? Ein Gravitationskollaps erscheint mir sehr unwahrscheinlich, da ja schon bei stellaren Dimensionen ein Kollaps etwas ist, wo viele Bedingungen zusammenkommen müssen.

3.) Warum ist ein Planeteninneres überhaupt heiß?

Viele Grüße

Oliver T.

Guten Tag zusammen,

ich habe ein paar Frage zur Planetesimal-Theorie. Da ich kein
Geologie bin, kenne ich die Details nicht genau, da ich aber
Physiker bin, darf die Antwort ruhig anspruchsvoll sein:

1.) Wie erklärt man die extreme Ungleichverteilung der
Elemente im Sonnensystem? --> Sonne viel H/He, innere
Planeten viele schwere Elemente, äußere Planeten viel Gase

wasserstoff und helium sind recht leichte Elemente, die bei der Temperatur, die in der Nähe der Sonne herrschen, Teilchengeschwindigkeiten erreichen, die ausreichend sind, um das Schwerefeld eines Planeten zu verlassen. Sprich: Die Gravitation der inneren Planeten ist zu gering, um diese leichten Gase in der Atmosphäre zu halten.

2.) Wie erklärt man sich „Aggregation“ der Planetesimals
innerhalb der solaren Scheibe, angesichts der Tatsache, daß ja
hohe Temperaturen und hoher Teilchen-/Strahlungsdruck in
radialer Richtung durch den Zentralstern existieren? Ein
Gravitationskollaps erscheint mir sehr unwahrscheinlich, da ja
schon bei stellaren Dimensionen ein Kollaps etwas ist, wo
viele Bedingungen zusammenkommen müssen.

Diese Frage der Aggregation von Staub zu grösseren Körpern ist eine Frage die derzeit noch Erforscht wird. Es scheint sich aber weniger um Gravitationsprozesse zu handeln, sondern zum im Anfangsstadium um „Anhaftungsprozesse“ http://physicsweb.org/articles/news/6/1/18
Die Uni Braunschweig arbeitet auch in diesem Gebiet

3.) Warum ist ein Planeteninneres überhaupt heiß?

Primäre Akkretionswärme: Als die Planeten aus Planetesimalen zusammengesetzt wurden, entstand natürlich einiges an Kollosionswärme.
Gravitationelle Differentitation: Der ursprüngliche Körper war relativ Homogen. Die viel schwereren metallischen Komponenten sanken nach unten, hin zum Erdkern. Das setzt Energie in Form von Reibungswärme frei. Es wird vermutet, dass dieser Prozess immer noch stattfindet, Berechnungen zufolge kann sich an der Kern-mantel-Grenze immer noch eine Wüstit/metallische Komponenten aus dem Silikatischen mantel heraus entmischen.
Radioaktivität: Es ird davon ausgegangen, dass noch eine ganze Reihe kurzlebiger Isotope damals vorhanden war, die heute einfach nicht mehr da sind, (Entstanden in einer „kurz“ zufor ereigneten Supernova, von der wir eine ganze Menge schwerer Elemente herhaben)

Mars, Mond und Merkur sind aufgrund ihrer geringen Grösse weitgehend ausgekühlt, während Venus und Erde immer noch tektonisch aktiv sind. Diese beiden Planeten konnten ihre Wärme wegen des Mantels halten. dieser besteht weitgehend aus magnesiumsilikaten, die verflucht schlechte Wärmeleiter sind, und somit den Kern Wärmetechnisch isolieren. (Prinzip Wintermantel)
Die heutige hauptwärmequelle der Erde ist die Kristallisation des inneren kerns auf Kosten des äusseren, dabei wird Kristallisationswärme frei.

Gruß
Mike

Moin,

ich habe ein paar Frage zur Planetesimal-Theorie. Da ich kein
Geologie bin, kenne ich die Details nicht genau, da ich aber

Ich hab’ gehört, Astrophysiker beschäftigen sich auch damit :smile:.

1.) Wie erklärt man die extreme Ungleichverteilung der
Elemente im Sonnensystem? --> Sonne viel H/He, innere
Planeten viele schwere Elemente, äußere Planeten viel Gase

Im protoplanetaren Nebel herrscht ein Temperaturgefälle von innen nach außen. Bspw. konnte ab einer Grenze irgendwo zwischen Mars und Jupiter auch Wassereis ausfrieren. Dieses ermöglichte, daß außerhalb sich wesentlich größere Festkörper formen konnten als innerhalb. Dieser Theorie folgend ergibt sich, daß bei Jupiter sich ein hinreichend großer Kern bilden konnte, der so groß wurde, daß er ab einer gewissen Gesamtmasse auch Gas gravitativ zu halten vermochte.

chemische Zusammensetzung:
die Sonne hat ziemlich genau die Durchschnittszusammensetzung des gesamten SoSy, die unterscheidet sich auch nicht zu viel von derjenigen der Planeten, bis evtl. H, He auf den terrestrischen Planeten. Die Ursache hierfür liegt einfach darin, daß sie zu klein sind, um gravitativ größere Mengen H und He zu halten, so daß sie es bei Ihrer Entstehung nicht in Form von Gas halten konnten. Und die Region der terrestrischen Planeten war im solaren Nebel auch zu warm als daß es viele Moleküle gegeben hätte, die H oder He enthielten und dort schon als Festkörper ausfallen konnten. Ich finde gerade keinen besseren Vergleich: http://www.uwgb.edu/dutchs/PLANETS/Geochem.htm

2.) Wie erklärt man sich „Aggregation“ der Planetesimals
innerhalb der solaren Scheibe, angesichts der Tatsache, daß ja
hohe Temperaturen und hoher Teilchen-/Strahlungsdruck in
radialer Richtung durch den Zentralstern existieren? Ein

Hohe Temperaturen und Strahlungsdruck exitieren de fakto innerhalb der Staubscheibe gar nicht. Zum einen entsteht der Stern zeitgleich mit den Planeten bzw. Planetesimalen, so daß in der Frühphase noch kein zu starker Strahlungsstrom vorhanden ist. Zum anderen ist die protoplanetare Scheibe optisch dick (=undurchsichtig), d.h. die Sternstrahlung schafft es gar nicht weiter als bis in die äußersten Schichten der Scheibe einzudringen. Siehe bspw. die berühmten Fotos solcher Scheiben im Orionnebel, wo sie vor dem hellen Hintergrund des Orionnebels wunderbar zu erkennen sind. In den Bildern gucken wir genau auf die Kante und der entstehende Stern ist hinter der Staubscheibe verborgen und gibt sich nur durch eine zentrale Aufhellung ober- bzw. unterhalb bezüglich der Mitte der Scheibe zu erkennen:
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collectio…

Zur Zeitskala:
Und um Körper der Größe ~1m entstehen zu lassen braucht es nur 1000 … 10000 Jahre. Das Wachstum hin zu Planetesimalen (~>10km) findet dann in ca. 10 Mio Jahren statt, zu Planeten sollte sich das ganze in ca. 100 Mio Jahren geformt haben. Diese Grenze ergibt sich daraus, daß nach diesem Zeitraum es der dann entstandene Stern mit seinem Strahlungsdruck eben doch geschafft hat, alles, was zu klein ist, von sich wegzupusten, so daß für weitere Aggregations- und Akkretionsprozesse aus Körpern

Hallo Oliver !

2.) Wie erklärt man sich „Aggregation“ der Planetesimals
innerhalb der solaren Scheibe, angesichts der Tatsache, daß ja
hohe Temperaturen und hoher Teilchen-/Strahlungsdruck in
radialer Richtung durch den Zentralstern existieren?

Das ist in der Tat ein Problem für die Wisenschaft, noch dazu wo sich die Hinweise verdichten, dass die Gas- und Staubscheibe um einen neuen Stern überhaupt nur ein paar Millionen Jahre existiert. Daher wird daran noch sehr intensiv geforscht und die gängigen Theorien ständig überarbeitet, siehe zum Beispiel folgende Nachricht:

http://idw-online.de/pages/de/news141687

Rätsel der Planetenentstehung möglicherweise gelöst
Veröffentlicht am: 27.12.2005
Veröffentlicht von: Frank Luerweg
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Kategorie: überregional
Forschungsergebnisse, Publikationen
Geowissenschaften, Mathematik und Physik
Druckansicht

Astronomen an der Sternwarte der Universität Bonn haben zusammen mit Wiener Kollegen eine Alternative zu bisherigen Modellen der Sternentstehung gefunden. Diese erklärt zum ersten Mal die Entstehung der äußeren Planeten des Sonnensystems in realistischen Zeitskalen. Die Ergebnisse sind in der Dezember-Ausgabe der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (Band 364, Seite 961) erschienen.
Nach bisheriger Auffassung entstand unser Sonnensystem vor etwa 4,6 Milliarden Jahren zusammen mit Hunderten weiterer Sterne aus einer riesigen Gas- und Staubwolke, ähnlich dem heutigen Orionnebel, dem „Schwert“ des Himmelsjägers. Die Wolke zerfiel in zahlreiche „Knoten“, die wiederum unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenfielen, bis der steigende Druck in ihrem Inneren das nukleare Feuer der Sterne entfachte.

Um viele dieser Sterne, darunter auch unsere Sonne, bildete sich eine Scheibe aus Gas und Staub. Staubteilchen blieben aneinander kleben und formten größere Körner, bis ihre Schwerkraft groß genug wurde, um das umgebende Material wie ein Staubsauger aufzusammeln. Doch ein solcher Prozess dauert für die äußeren Planeten Uranus, Neptun und Pluto zu lange. Nach den derzeitigen Modellen würden etwa hundert Millionen Jahre vergehen, bis sich solche Planeten bilden. Noch mehr Zeit wäre nötig, damit sich „Transplutos“, planetenähnliche Objekte am Rande unseres Sonnensystems wie Sedna und 2003 UB313 (Xena), bilden könnten.

„Soviel Zeit hatten die äußeren Planeten aber gar nicht“, meinen Diplom-Physiker Ingo Thies und Professor Dr. Pavel Kroupa vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA, Abteilung Sternwarte) der Universität Bonn sowie Dr. Christian Theis von der Universität Wien. Denn Beobachtungen junger Sterne zeigen, dass sich die so genannte „protoplanetare“ Staubscheibe schon nach wenigen Millionen Jahren komplett auflöst - astronomisch gesehen ein Wimpernschlag. Das Material wird entweder von der starken Ionenstrahlung der jungen Sonne hinaus getragen, von der Ultraviolettstrahlung heißer junger Riesensterne verdampft oder von den Schockwellen explodierender Sterne fortgerissen. „Uranus und Pluto dürften nach solchen Modellen gar nicht existieren“, so die Forscher.

Geburtshelfer im Kreißsaal der Planeten

Mit einem neuen Ansatz glauben die Bonner Wissenschaftler nun der Lösung dieses Rätsels einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Die Planeten hatten möglicherweise einen Geburtshelfer: Ein Nachbarstern kam der jungen Sonne mit ihrer Staubscheibe so nahe, dass seine Anziehungskraft den Staubgürtel regelrecht durcheinander wirbelte. Verklumpungen entstanden, die unter ihrer eigenen Schwere zusammenfielen und dabei riesige Wirbel bildeten. In diesen Wirbeln sammelte sich der Staub, etwa wie sich Teekrümel in der Mitte der Tasse sammeln, wenn man den Tee umrührt. Dadurch konnten sich die Staubkrümel viel schneller zu Protoplaneten zusammenballen als in einer ungestörten Scheibe.

Die Entstehungszeit wäre damit kurz genug gewesen, dass sich selbst die äußersten Planeten vor der Zerstörung ihres solaren Kreißsaals hätten bilden können. Computersimulationen, die jetzt in Bonn an einem Hochleistungsrechner durchgeführt wurden, zeigen, dass solche Gravitationsinstabilitäten nicht nur möglich sind, sondern dass die aus ihnen entstehenden Klumpen sogar die richtigen Umlaufbahnen haben. „Ein Neptun oder ein Pluto ist ebenso möglich wie eine Sedna oder ein 2003 UB313“, sagt Thies, wobei er auf zwei der größten bisher gefundenen Objekte jenseits des Neptun verweist.

In den nächsten Jahren wollen die Bonner Astronomen diesen neuen Weg der Planetenbildung mit verfeinerten Methoden und verbesserten Rechnern noch genauer unter die Lupe nehmen.

Bilder zu dieser Pressemitteilung gibt’s im Internet unter http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collectio…
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collectio…

Das Material kann kostenfrei abgedruckt werden; die genauen Copyright-Bedingungen finden sich hier:
http://hubblesite.org/copyright/

Den Originalartikel als PDF-Datei gibt es unter
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0510007

Kontakt:
Ingo Thies
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn (AIfA)
Telefon: 0228/73-3659 oder 04671/930278 bzw. 0174/3970342
E-Mail: [email protected]

oder Professor Dr. Pavel Kroupa
Telefon: 0228/73-6140
E-Mail: [email protected]

Weitere Informationen:
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collectio… - Bilder der NASA zur Pressemitteilung
http://hubblesite.org/gallery/album/entire_collectio… - weitere Bilder
http://hubblesite.org/copyright/ - Copyright-Bedingungen
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0510007 - Originalartikel als PDF-Datei

mfg
Christof

Vielen Dank für die Aufklärung und viele Grüße

O.T.

Alles sehr interessant.
Stimmt es eigentlich, dass auch mit den größten Computern die Planetenbahnen nur ein paar Millionen Jahre (geologisch ein Wimpernschlag) voraus und zurück berechnet werden können, weil die Anzahl der Einflussgrößen einfach zu groß ist?
Gruß
Ernesto

Moin,

Stimmt es eigentlich, dass auch mit den größten Computern die
Planetenbahnen nur ein paar Millionen Jahre (geologisch ein
Wimpernschlag) voraus und zurück berechnet werden können, weil
die Anzahl der Einflussgrößen einfach zu groß ist?

Ja. Die Fehler werden mit zunehmendem Abstand zu heute größer, da sich die Fehler aufschaukeln (können). Stichwort hierzu: chaotisches Verhalten
Analytisch läßt sich nur die Bewegung zweier Körper vorausberechnen und in bestimmten Konstellationen diejenigen dreier. Mehrkörperprobleme sind nicht analytisch bestimmbar und zeigen just jenes Verhalten.

Gruß,
Ingo

1 Like

Hallo,

in weniger kompetenten Publikationen wurde das schon so dargestellt, als ob die Planetenbahnen in einigen Millionen Jahren chaotisch würden, aber so ist das natürlich nicht - es sind die Berechnungen, die chaotisch werden, nicht die Bahnen, und das bedeutet eben nur, dass die Rechnungen spätestetens da ihre Gültigkeit verlieren, weil sich zu viele Fehler aufaddiert haben.

Das Sonnensystem macht einen ziemlich geordneten Eindruck, die Erde besteht seit fast 6 Milliarden Jahren und Leben entwickelt sich seit mehr als 3 Millarden, der Augenschein spricht also für grosse Stabilität. Wir können es bloss nicht berechenen und wissen daher eigentlich nichts Genaues.

Gruss Reinhard

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Moin,

Das Sonnensystem macht einen ziemlich geordneten Eindruck, die
Erde besteht seit fast 6 Milliarden Jahren und Leben
entwickelt sich seit mehr als 3 Millarden, der Augenschein
spricht also für grosse Stabilität. Wir können es bloss nicht
berechenen und wissen daher eigentlich nichts Genaues.

Ganz richtig. Und Du hast vollkommen recht, man sollte es vorsichtshalber immer noch 'mal betonen, sonst kommt da schnell 'mal was in den falschen Hals :smile:.

Gruß,
Ingo

die Erde besteht seit fast 6 Milliarden Jahren

Hallo Reinhard,
meines Wissens ist die Erde 4,5 Milliarden Jahre alt. Oder gibt es da neue Erkenntnisse?
Grüße
Ulf

Hallo,

habe ich das richtig verstanden, dass das alles kein mathematisches Problem ist. Will sagen: auch mit einem zukünftigen Supercomputer wird es nicht besser werden, oder?
Gruß
Ernesto

Es ist schon ein mathematisches Problem, und zwar dieses, daß schon ein 3-Körper-Problem im allgemeinen chaotisches Verhalten zeigt. (Ein noch einfacheres chaotisches System ist beispielsweise der Doppelpendel.)

Bei dieser Klasse von dynamischen Systemen sorgen minimale Abweichungen in den Anfangsbedingungen zu einer sehr starken Variation in der Zeitentwicklung.

Da es nun eine Grenze in der Genauigkeit der Bestimmung dieser Anfangsbedingungen gibt, gibt es auch eine Grenze in der Vorhersagbarkeit der Trajektorie, selbst im qualitativen Sinne. Da helfen auch die Supercomputer in 100 Jahren nicht weiter, sondern nur die Bestimmung astronomischer Meßgrößen mit mikroskopischer Genauigkeit:smile:

Viele Grüße

Oliver T.

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