Politische Philosophie in Antike und Neuzeit?

Hallo,

ich hätte mal ein paar Fragen an die Gemeinschaft hier.

EInes vorab, bitte nur Antworten mit Bezug auf POLITISCHE Philosophie, ich schreibe bald Prüfung :wink:
Alles gerne mit Bezug auf Platon und Rousseau!

Worin liegt Eurer Meinung nach DER zentrale Bruch zwischen antiker und neuzeitlicher politischer Philosophie?

Danke und Grüße!

Hallo,

EInes vorab, bitte nur Antworten mit Bezug auf POLITISCHE
Philosophie,

in Ordnung!

ich schreibe bald Prüfung :wink:

du Armer!

Alles gerne mit Bezug auf Platon und Rousseau!

Worin liegt Eurer Meinung nach DER zentrale Bruch zwischen
antiker und neuzeitlicher politischer Philosophie?

Auch vorab: Außer dieser kann ich die anderen deiner paar Fragen nicht finden, und das ganze ist zu unspezifisch: Worin genau soll der Bezug auf Platon und Rousseau liegen? Willst du einen Vergleich zwischen den beiden anstellen? Was ist deine Vergleichs-Hinsicht?
Da müsstest du deine Frage schon genauer spezifizieren.

Trotzdem folgendes eben vorab:
Den zentralen Bruch zwischen Antike und Neuzeit gibt es so direkt nicht, denn dazwischen liegt das Mittelalter. Das neuzeitliche politische Denken bricht eher mit dem Mittelalter und knüpft in gewisser Weise wieder an die Antike an, unter ganz veränderten Bedingungen allerdings.

Eine, wenn nicht die, zentrale Thematik der neuzeitlichen politischen Philosophie ist die begriffliche Vorbereitung und Reflexion des modernen (Territorial-) Staates, der sich seit dem 16. Jhd. herausbildet (im Schoße der alten Feudalgesellschaft, wie Marx das ausdrückt) und den es so weder in der Antike noch im MA gibt.

Du verdeutlichst nicht den Stand deiner Vorkenntnisse. Falls so nicht bekannt, will ich auf Nachfrage gerne die Grundstrukturen der antiken Polis, des mittelalterlichen Feudalstaates und des modernen Nationalstaates skizzieren, was naturgemäß in der Allgemeinheit nur grob geschehen kann.

Ich weiß auch nicht, wieviel Zeit du für die Vorbereitung hast bzw. aufbringen willst.
Unter diesem Vorbehalt meine (vorläufigen) Lektüre-Empfehlungen:

  • Zur Einführung in das politische Denken der Aufklärung: Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit.

  • Zum Problem der Macht: Thukydides, Der Peloponnesische Krieg
    Die dort geschilderte Politik der Großmacht Athen z.B. gegen einen kleinen Inselstaat kann man schon vergleichen mit dem Umgang der USA mit ihren Verbündeten.
    Als Sekundärliteratur hierzu der Teil zu Thukydides in: Karl-Heinz Volkmann-Schluck, Politische Philosophie.
    Ergiebig wäre in dieser Hinsicht auch ein Vergleich mit neuzeitlichem Denken anhand von Nicolo Macchiavelli, De Principe (Vom Fürsten).

  • Das Beste, das ich zur Einsicht in das unterschiedliche (politische) Denken zwischen Antike und Neuzeit kenne und empfehlen kann:
    Hannah Arendt, Vita Activa oder vom tätigen Leben.

Wie gesagt, Näheres bzw. Spezifischeres gerne auf spezifischere Nachfragen!

Grüße oranier

Hallo Ornaier,

danke für die schnelle Antwort und die Bereitschaft zu helfen.

ALso ich bin ganz gut drin im Thema, es handelt sich um eine Magisterprüfung im Fach politische Theorie mit Schwerpunkt auf den Denkern Platon und Rousseau. (Essay/4h)
Es kann also sein, dass nur einer der beiden rankommt, ich denke aber nicht, es wird sich wohl um eine Frage drehen, bei der man sich mit beiden Denkern befassen muss.
Möglich und einschlägig zum Beispiel folgende Frage:
„Vergleichen Sie einen der klassischen antiken Ansätze in der politischen Philosophie (Platon) mit den Grundpositionen eines typisch neuzeitlichen Theoretikers (Rousseau)!“

Ich würde eigentlich so vorgehen:
Ausgangspunkt: Wichtigster Unterschied ist die Frage nach Qualität (Antike) im Gegensatz zu Legitimität (Neuzeit) von Herrschaft.
Dann: Wie geht also Platon bei der Suche nach der besten Herrschaft vor (Darstellung der Politeia)? Was macht Rousseau, um der Legitimität auf die Spur zu kommen (Darstellung der Rousseauschen Vertragstheorie)
ZUsammenfassung. ENDE

Aber: Das ist nun nicht wirklich ein Vergleich im engeren Sinne, wenn ich mir auch ziemlich sicher bin, dass dies ein legitimes Vorgehen wäre.
Besser (?): man sicht nach Brüchen zwischen Antike und Neuzeit (QUalität/Legitimität; „Freiheit“, Souveränität, Individualismus evtl mehr?) an und vergleicht die Denker anhand dieser Begriffe. Das Problem, das ich dann aber sehe: Platon sagt wenig bis gar nix zu Freiheit oder Individuum etc.

Was denkst Du?

Danke und Grüße,

samson

Hallo,
neben dem „zentralen Bruch“ gibt es doch sicher auch Weiterführungen und Übernahmen.
Vielleicht könnte man so ansetzen:

Die neuzeitliche Staatstheorie entstand in Auseinandersetzung mit der Monarchie und meist im Widerspruch zu ihr.
Zur Legitimierung von Herrschaft, die ja nicht mehr aus Gottes Gnaden stammen konnte wurde der „Naturzustand“ denknotwendig, um so zum Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag zu kommen. Um den Monarchen zu retten und um die aus dem Mittelalter stammenden Ansätze zum Parlamentarismus (in den Deutschen Staaten: das Budgetdrecht der Landtage mit der Steuerbewilligung ist der Kern davon) weiterzuführen, bot sich die Idee der Gewaltenteilung an (auch nach englischem Vorbild: system of checks and balances). Es ging also primär um die Abwehr der monarchischen Universalgewalt (bei Rousseau eben schon bis zur Demokratie). Gleichzeitig soll die persönliche Freiheit in Form der Individualrechte durchgesetzt werden, die der klassische Liberalismus des 19. Jahrhunderts auffächerte in Abwehrrechte, Mitwirkungsrechte und Freiheitsrechte.

In der antiken Theorie ist der Ausgangspunkt ein anderer:
Platon baut seinen Idealstaat in Ständen auf, die den drei Schichten der menschlichen Seele entsprechen: Regierende (das Vernünftige), Wächter (das Muthafte), [für ihren Lebensunterhalt] Arbeitende (das Begehrende).
Von Freiheit ist in diesem Staat keine Rede. Es ist ein Zwangsstaat, in dem

  • jedem von Klein auf sein Platz zugewiesen wird,
  • Zensur herrscht (Literatur: z. B. werden die Werke Homers verbannt; Musik: bestimmte Tonarten sind nicht zugelassen; auch Malerei und Religion werden kontrolliert)
  • z. T. Frauen- und Gütergemeinschaft herrscht.
    [Im Extremfall, z. B. bei Revolutionen und Umsturzversuchen, beseitigt auch Rousseau die Freiheit: Da ist die Übereinstimmung aller mit der volonté générale zu erzwingen.]

Warum gibt es Staaten? Hier trifft sich, im anthropologischen Ansatz, die antike Theorie mit der modernen. Wegen der Schwäche des Einzelnen und/oder einem eingeborenen Gemeinschaftstrieb. Das sieht auch Aristoteles so;
aber er sieht keine bestimmte Staatsform als die allein richtige an, sondern jede der drei „guten“ (Monarchie, Aristokratie, Demokratie [letztere bei Aristoteles: isonomía]) ist je nach den Umständen richtig. Diese Ansicht gilt nahezu in der ganzen antiken Staatstheorie, sieht man von der „mixta res publica“ (Mischverfassung) des Cicero ab, die er von Polybius übernommen hat.
Unabdingbar sind:
a) der Gehorsam aller gegenüber den Gesetzen
b) der Konsens zwischen Regierenden und Regierten.

Für jede antike Staatstheorie gilt: der oberste Zweck des Staates ist die Gerechtigkeit als Voraussetzung für das Gemeinwohl. Bei Platon wie bei Aristoteles nach der Devise „Jedem das Seine“ (nicht: das Gleiche; die Behandlung der Ungleichen als Gleiche ist ungerecht); Aristoteles setzt hinzu "gemäß seiner Würdigkeit (kat’ axían tiná), definiert diese aber nirgendwo. Zu Platons Gerechtigkeit: siehe oben.

Aristoteles geht davon aus (es sind auch die ersten Sätze seiner „politiká“), dass jeder Mensch nach Glück strebt, dass also auch der Staat dafür sorgen muss: Das bloße Leben im biologischen Sinn („zen“) reicht nicht aus; das ist im vorstaatlichen Zustand (also auch hier: der Urzustand) der Fall; zum Glück des Menschen gehört aber das „eu zen“ (das „gute Leben“, im Sinn von menschenwürdig); das ist nur in Staaten möglich; z. B. wegen der Arbeitsteilung, die zur Spezialisierung der Berufe und damit zu höherer Qualität der Produkte führt.

Ich sehe also Gemeinsamkeiten und Unterschiede, der „Bruch“ dürfte mit der modernen Auseinandersetzung mit den real existierenden Monarchien und mit der Behauptung der Individualrechte aufgetreten sein. Aber darüber habe ich noch nicht gründlich genug nachgedacht. Etwas unsystematische Gedanken also, vielleicht kann was davon weiterhelfen.

Gruß und gute Wünsche für die Weiterarbeit!
H.

Hallo Samson,

ALso ich bin ganz gut drin im Thema

umso besser!

Was denkst Du?

Hannes hat dir ja zwischenzeitlich gute Ansatzpunkte geliefert, auf denen du aufbauen kannst, auch wenn sie hie und da diskussions- und präzisionswürdig sind (vgl. meinen Kommentar!).

Ich halte, ehrlich gesagt, nicht viel von solcherart Vergleichen, weiß aber, dass sie in Prüfungen gefordert werden.

Das hermeneutische Prinzip, dem ich eher zuneige, zielt ja darauf ab, den jeweiligen Denker der Vergangenheit aus seinem historischen und kulturellen Kontext zu begreifen und umgekehrt. Platon und Rousseau zu behandeln, als wären sie Zeitgenossen, die unterschiedliche Vorstellungen von Begriffen haben, verfälscht die Gedanken beider.

Da du ohnehin über die genaue Themenstellung nur spekulieren kannst, empfiehlt sich m.E., sich mit den beiden Denkern, jeweils für sich genommen, zu beschäftigen und dann, je nach Fragestellung, mehr auf die - zeitbedingten - Unterschiede abzuheben denn auf die Gemeinsamkeiten. Allein ein Begriff wie „Herrschaft“ hat ja, jenseits von unterschiedlichen Etymologien, naturgemäß im Kontext eines Gemeinwesens, das aus zweitausend freien Bürgern besteht, eine andere Bedeutung als im Kontext eines modernen Staates mit Millionen von Staatsbürgern.

Grüße
oranier

samson

Hallo Hannes,
folgende Bemerkungen zu deinen Überlegungen, sozusagen aus der Tasche, da meine Beschäftigung damit einige Zeit her ist und ggf. der Auffrischung bedürfte, wofür mir leider im Moment die Zeit fehlt.

Die neuzeitliche Staatstheorie entstand in Auseinandersetzung
mit der Monarchie und meist im Widerspruch zu ihr.

Tatsächlich entsteht die moderne Staatstheorie im Zuge der Herausbildung des modernen Staates, und d.h. zunächst, etwa bei Bodin und Hobbes, keineswegs in Gegnerschaft zur (absolutistischen) Monarchie, die erscheint erst im 18. Jhd…
Der wesentliche „Bruch“, ich habe es schon angedeutet, ist nicht zwischen Antike, sondern zwischen MA und Neuzeit.
Die zentrale Thematik der modernen Staatstheorie ist die begriffliche Vorbereitung und Reflexion des modernen (Territorial-) Staates, der sich seit dem 16. Jhd. herausbildet und den es so weder in der Antike noch im MA gibt.
Das MA denkt, grob gesprochen, hierarchisch und personalistisch. Der „Staat“ besteht im Grunde aus dem Fürsten, der wiederum sozusagen eine Personifikation des „Staates“ ist.
Dieser Staat ist nicht ein Territorium, sondern eine nach unten gegliederte Pyramide von Menschen, die in persönlichen Abhängigkeitsbeziehungen vom jeweils höheren Amtsinhaber stehen. Der übt auch jeweils die richterliche Gewalt aus.

Zur Legitimierung von Herrschaft, die ja nicht mehr aus Gottes
Gnaden stammen konnte wurde der „Naturzustand“ denknotwendig,
um so zum Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag zu kommen.

Das kommt m.E. ein wenig flott daher, vielleicht meinst du aber auch dies:
Auf das „Gottesgnadentum“ berufen sich meines Wissens gerade erst absolutistische Fürsten, nicht die Herrscher von Feudalstaaten.
Der „Naturzustand“, als Krieg aller gegen alle, dient bei Hobbes der Legitimation von Staatsgewalt überhaupt. Erst der mächtige Staat ist in der Lage, die Menschen zu zivilisieren.
Rousseau kehrt das m.E. um: Bei Hobbes ist der Staat gesellschaftsbildend, für Rousseau ist die Gesellschaft staatsbildend. Der Staat ist sozusagen ein Ausschuss und Vollzugsorgan der Gesellschaft (vgl. die auf Rousseau gründende Jakobinerdiktatur!)

Um
den Monarchen zu retten (…)bot sich
die Idee der Gewaltenteilung an

Die Idee der Gewaltenteilung erscheint m.E. (bei Locke), als die Monarchie noch keineswegs rettungsbedürftig schien, um das Bürgertum an der Herrschaft zu beteiligen. Der Absolutismus beruht eigentlich auf einem Bündnis des Bürgertums mit der Monarchie gegen den Adel.

Es ging also primär um die
Abwehr der monarchischen Universalgewalt

die es aber eigentlich nur in der Fantasie der Monarchen gab. Tatsächlich ging es um die Frage: König und Adel gegen das Bürgertum oder König und Bürgertum gegen den Adel.

(bei Rousseau eben
schon bis zur Demokratie).

genauer gesagt: zur Republik. Die Konstitution (Montesquieu, Frz. Revolution) ist auch eine Form von Demokratie.

Gleichzeitig soll die persönliche
Freiheit in Form der Individualrechte durchgesetzt werden

vor allem durch die Abschaffung des Feudalismus.

Warum gibt es Staaten? Hier trifft sich, im anthropologischen
Ansatz, die antike Theorie mit der modernen.

Das 18. Jhd., zumal Rousseau, knüpft eben an die Antike an, findet zurecht zumal in der römischen Republik mehr „Staat“ als im Feudalsystem.

Für jede antike Staatstheorie gilt: der oberste Zweck des
Staates ist die Gerechtigkeit als Voraussetzung für das
Gemeinwohl. Bei Platon wie bei Aristoteles nach der Devise
„Jedem das Seine“ (nicht: das Gleiche; die Behandlung der
Ungleichen als Gleiche ist ungerecht);

Das hatte ich auch schon als Vergleichshinsicht Plato-Rousseau im Sinn.

der „Bruch“
dürfte mit der modernen Auseinandersetzung mit den real
existierenden Monarchien und mit der Behauptung der
Individualrechte aufgetreten sein. Aber darüber habe ich noch
nicht gründlich genug nachgedacht.

Geht mir im Prinzip auch so, vielleicht kommen wir ja gemeinsam weiter.

Grüße
oranier

Hallo Oranier,

nur kurz, weil ich gleich weg muss, ein paar Anmerkungen:

Die neuzeitliche Staatstheorie entstand in Auseinandersetzung
mit der Monarchie und meist im Widerspruch zu ihr.

Tatsächlich entsteht die moderne Staatstheorie im Zuge der
Herausbildung des modernen Staates, und d.h. zunächst, etwa
bei Bodin und Hobbes, keineswegs in Gegnerschaft zur
(absolutistischen) Monarchie, die erscheint erst im 18. Jhd…

Jein, erstens steht ein Hobbes in gewisser Weise schon in Gegnerschaft zur absoluten Monarchie, nämlich zwar nicht zu ihrer Staatsform, aber zu ihrer Legitimationsform, nämlich zur Gottgegebenheit, also auch zu ihrer Verquickung mit dem Papsttum.

Zweitens steht ein Spinoza, fast zeitgleich mit Hobbes, aber im fortgeschrittensten Land seiner Zeit, in Holland, lebend, bereits dezidiert in Gegnerschaft zur absoluten Monarchie; und zwar sowohl in den Traktaten, als auch in seiner politischen Parteinahme für Jan de Witt und gegen die Oranier, also für die Ratspensionäre, gegen das Statthaltertum.

Der wesentliche „Bruch“, ich habe es schon angedeutet, ist
nicht zwischen Antike, sondern zwischen MA und Neuzeit.

völlig richtig; der Rückgriff der Neuzeit auf die Antike ist durch die Gegnerschaft zum Mittelalter vermittelt.

Der „Naturzustand“, als Krieg aller gegen alle, dient bei
Hobbes der Legitimation von Staatsgewalt überhaupt. Erst der
mächtige Staat ist in der Lage, die Menschen zu zivilisieren.
Rousseau kehrt das m.E. um

Sinnigerweise hat bereits Spinoza das umgekehrt (und wird dennoch von Rousseau verachtet): er setzt Hobbes’ „homo homini lupus“ ein „homini igitur nihil homine utilior“ als Kennzeichnung des Naturzustandes gegenüber.

Um
den Monarchen zu retten (…)bot sich
die Idee der Gewaltenteilung an

die meines Erachtens bei Montesquieu entsteht

Die Idee der Gewaltenteilung erscheint m.E. (bei Locke), als
die Monarchie noch keineswegs rettungsbedürftig schien, um das
Bürgertum an der Herrschaft zu beteiligen.

wie Polin in seiner Montesquieu-Locke-Gegenüberstellung zeigt ist Locke gerade nicht der Vertreter der Gewaltenteilung, sondern er unterstellt im Gegenteil alle Gewalt der Legislative, gerade um das Bürgertum zu stärken.

Viele Grüße
franz

nochmal und noch kürzer :wink:

Ich halte, ehrlich gesagt, nicht viel von solcherart
Vergleichen, weiß aber, dass sie in Prüfungen gefordert
werden.

ich finde, das ist ein Vergleich von Granatäpfeln mit Granaten, das heisst, man vergleicht bloße Ähnlichkeiten von Zeichen; aber seis drum

Das hermeneutische Prinzip, dem ich eher zuneige, zielt ja
darauf ab, den jeweiligen Denker der Vergangenheit aus seinem
historischen und kulturellen Kontext zu begreifen und
umgekehrt. Platon und Rousseau zu behandeln, als wären sie
Zeitgenossen, die unterschiedliche Vorstellungen von Begriffen
haben, verfälscht die Gedanken beider.

Allein ein Begriff wie
„Herrschaft“ hat ja, jenseits von unterschiedlichen
Etymologien, naturgemäß im Kontext eines Gemeinwesens, das aus
zweitausend freien Bürgern besteht, eine andere Bedeutung als
im Kontext eines modernen Staates mit Millionen von
Staatsbürgern.

die Frage wäre, ob man überhaupt vom gleichen Gegenstand sprechen kann; ob man eine antike „Herrschaft“, die der Führung einer Herde durch einen Schäfer oder der Führung der Familie durch den Vater gleicht, mit einer modernen „Herrschaft“ vergleichen sollte, die eher der Kommandierung eines Massenheeres gleicht, ohne dabei klar herauszustellen, dass man dabei einfach unterstellt, dass es sich dabei um dieselben Bezugsprobleme handeln würde.

Mein „fundamentalontologischer“ Einwand radikalisiert also Deinen „hermeneutischen“ dahingehend, dass er nicht nur betont, dass durch diese unmittelbare Gegenüberstellung die Gedanken beider verfälscht würden, sondern dass verschleiert wird, dass sich die Gedanken beider gar nicht auf diesselbe Problematik, auf denselben Gegenstand richten.

Aber das wird ja Samson nicht viel nützen :wink:

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

Mein „fundamentalontologischer“ Einwand radikalisiert also
Deinen „hermeneutischen“ dahingehend, dass er nicht nur
betont, dass durch diese unmittelbare Gegenüberstellung die
Gedanken beider verfälscht würden, sondern dass verschleiert
wird, dass sich die Gedanken beider gar nicht auf diesselbe
Problematik, auf denselben Gegenstand richten.

Da herrscht zwischen uns absolut kein Dissens.
Viele Grüße
oranier

Hallo Franz,

In den Grundzügen sind wir uns sicherlich einig, wobei ich deinen Hinweis auf den seit jeher sträflich vernachlässigten Spinoza dankend entgegennehme.

Dass Hobbes vom Gottesgnadentum abrückt, kennzeichnet eben gerade die bahnbrechende Neuorientierung auf den Staat und die Souveränität statt auf die Fürsten.
Dass der mit absoluter Gewalt ausgestattete Monarch aber sein Favorit ist, ist doch wohl Konsens? Wobei er diesen eben zugegeben funktional zur Staatsmacht sieht und nicht mehr metaphysisch.
Auch Spinoza verwirft, soweit ich sehe, zumindest in seinem Traktat, nicht eindeutig die absolute Herrschaft, oder irre ich da?

wie Polin in seiner Montesquieu-Locke-Gegenüberstellung zeigt
ist Locke gerade nicht der Vertreter der Gewaltenteilung,
sondern er unterstellt im Gegenteil alle Gewalt der
Legislative, gerade um das Bürgertum zu stärken.

Sagen wir so: Locke differenziert klar die legislative Funktion von der exekutiven, die bislang in einer Hand vereinigt waren. Von dieser Differenzierung ist es nur ein Schritt zur Aufteilung.
Gewaltenteilung heißt aber nicht per se: Gleichgewicht der Kräfte. Die Legislative hat im ursprünglichen Konzept auch bei Montesquieu die vorrangstellung. Dies gilt theoretisch noch für z.B. für zeitgenössische Verfassungen, z.B. das Grundgesetz, obwohl sich das hier praktisch-politisch längst umgekehrt hat.

Grüße
oranier

Hallo Oranier,

In den Grundzügen sind wir uns sicherlich einig

ja, ich wollte auch weniger einen Dissens herstellen, als eher für Samsons Anliegen ein bißchen mitpräzisieren. (ich selbst bin im Gegensatz zu Dir nicht in der Lage, das Gebiet, um das es Samson geht, so ohne weiteres zu überblicken, bin aber ein akzeptabler Spinoza-Kenner bzw. einigermaßener Kenner der Verbindung Hobbes-Spinoza)

, wobei ich
deinen Hinweis auf den seit jeher sträflich vernachlässigten
Spinoza dankend entgegennehme.

seit jeher vernachlässigt ist er ja im Grunde nicht; aber als Naturrechtstheoretiker wurde und wird er unter Gebühr behandelt, gerade weil seine Konzeption so viel „moderner“ ist als etwa die Hobbes’ oder Lockes.

dies zu zeigen ist gerade das Verdienst der neueren französischen Philosophen um Balibar, Matheron, etc.

Dass Hobbes vom Gottesgnadentum abrückt, kennzeichnet eben
gerade die bahnbrechende Neuorientierung auf den Staat und die
Souveränität statt auf die Fürsten.
Dass der mit absoluter Gewalt ausgestattete Monarch aber sein
Favorit ist, ist doch wohl Konsens?

ja natürlich

Wobei er diesen eben
zugegeben funktional zur Staatsmacht sieht und nicht mehr
metaphysisch.

das habe ich mit meinem „Jein“ gemeint. Hobbes favorisiert meines Erachtens nicht die absolute Monarchie per se, sondern eine bestimmte Form absoluter Monarchie, nämlich absolute Monarchie als die Staatsform, welche am besten Frieden und Sicherheit bringen kann;

ich wollte mit meinem „Jein“ Dir gar nicht stark widersprechen, nur auf Nuancen hinweisen, nämlich auf die Tatsache, dass die absolute Monarchie bei Hobbes eine klar formulierte Funktion zu erfüllen hat, und deshalb unter bestimmten Umständen eben „dysfunktional“ sein kann und nach Hobbes durch ein „funktionales Äquivalent“ ersetzt werden muss (Hobbes’ Diskussion der Widerstandsrechte), welches eben in einer bestimmten Konstellation auch eine Aristokratie oder eine Demokratie sein kann.

Damit lehnt Hobbes also beispielsweise die Konzeption einer „absoluten Monarchie“ à la Filmer dezidiert ab, darum mein „Jein“.

Auch Spinoza verwirft, soweit ich sehe, zumindest in seinem
Traktat, nicht eindeutig die absolute Herrschaft, oder irre
ich da?

Nein, Du irrst nicht;
Spinoza verwirft genau wie Hobbes überhaupt keine Staatsform grundsätzlich, sondern stellt die Staatsform in einen Bezugsrahmen, nämlich in dem der Selbsterhaltung;

diese Selbsterhaltung der Menschen ist aber bei Hobbes rein auf das biologische Überleben beschränkt, bei Spinoza sehr viel unbestimmter gelassen und damit weiter gefasst.

Jedenfalls präferiert nun Hobbes die absolute Monarchie deshalb, weil der Souverän aus einer einzigen Person besteht, Spinoza die Demokratie, weil der Souverän eben gerade nicht aus einem Teil oder gar nur einer Person der Gesellschaft besteht, sondern alle Teile abdeckt.

Aus bestimmten Gründen, die in der Unterschiedlichkeit der Auffassung vom Naturzustand liegen, hält also Hobbes die absolute Monarchie für die stabilste Staatsform und Spinoza die Demokratie für die stabilste Staatsform; um Stabilität/Selbsterhaltung des Staates geht es beiden gleichermaßen.

Sagen wir so: Locke differenziert klar die legislative
Funktion von der exekutiven, die bislang in einer Hand
vereinigt waren. Von dieser Differenzierung ist es nur ein
Schritt zur Aufteilung.

ok

Gewaltenteilung heißt aber nicht per se: Gleichgewicht der
Kräfte. Die Legislative hat im ursprünglichen Konzept auch bei
Montesquieu die vorrangstellung.

Auch hier gehts ja nur um Nuancen:
Locke differenziert zwar Legislative und Exekutive, will aber diese Mächte gerade nicht unbedingt in verschiedene Hände legen, d.h. bei ihm gibt es eine Gewaltenteilung der Gewaltfunktionen, nicht aber der Gewalthaber.

Montesquieu dagegen geht es um die funktionale und personelle Gewaltenteilung, damit aber um eine gewisse Autonomie der Gewalten voneinander, während nach Locke die Gewalt der Exekutive auf deren Zuweisung durch die Legislative beruht (vgl. Two Treatises, II, 148, 150)

vgl. zu Montesquieu z.B. „Sobald in ein und derselben Person oder derselben Beamtenschaft die legislative Befugnis mit der exekutiven verbunden ist, gibt es keine Freiheit“

Aus meiner Sicht ist check&balances das Wesen dessen, was wir heute unter Gewaltenteilung verstehen; deshalb halte ich eben Montesquieu für deren Urvater, nicht Locke;
aber wie gesagt: Nuancen, wenn auch interessante.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

ja, ich wollte auch weniger einen Dissens herstellen, als eher
für Samsons Anliegen ein bißchen mitpräzisieren.

Das war ja auch der ursprüngliche Sinn des Unterfangens.

(ich selbst
bin im Gegensatz zu Dir nicht in der Lage, das Gebiet, um das
es Samson geht, so ohne weiteres zu überblicken,

Nein, das bin ich auch nicht. Ich versuche auch nur, mich in sein Thema hineinzudenken.

Im übrigen habe ich durch deine Ergänzungen dazugelernt, zumal über Spinoza, und so soll das ja hier sein.
Vielleicht hat ja auch Samson etwas davon, auch wenn wir ihm für seine leidigen Vergleiche nicht so recht etwas zu bieten haben.

Schöne Grüße
oranier

Vielen Dank an alle die mir geholfen haben!
Grüße, samson

Hallo,

ich hätte mal ein paar Fragen an die Gemeinschaft hier.

EInes vorab, bitte nur Antworten mit Bezug auf POLITISCHE
Philosophie, ich schreibe bald Prüfung :wink:
Alles gerne mit Bezug auf Platon und Rousseau!

Worin liegt Eurer Meinung nach DER zentrale Bruch zwischen
antiker und neuzeitlicher politischer Philosophie?

Danke und Grüße!