Polizeiliches Kurzzeit-Fahrverbot

Liebe Experten,

mein Freund Bodo (der nie lügt), hatte ein Erlebnis mit der Streifenpolizei, über das ich um qualifizierte Kommentare bitte.

Also, Bodo hat frühmorgens seine Freundin zu ihrer Arbeitsstelle gefahren. Dabei hat er ein Verkehrsschild übersehen, nämlich ein kleines Schild mit einem Winkelpfeil unter einem großen Schild „Tempo 30 - Zone“, daher glaubte Bodo, ab diesem Schild gelte nicht 50, sondern 30 Höchstgeschwindigkeit. Bodo durchfuhr die vermeintliche 30er-Zone mit gut 35 auf dem Tacho, nach paarhundert Metern kam „wieder“ eine 30er-Zone, wegen einer Schule; und nach dem folgenden Schild „50“ beschleunigte er nicht, weil ein Ampelhalt mit Linksabbiegen bevorstand, auch danach blieb er langsam, weil er nach 100 Metern seine Freundin aussteigen ließ, nach weiteren 50 Metern wendete und nach dem Zurückfahren dieser 150 Meter wieder vor selbiger Ampel halten mußte.

Hier nun zog ihn die Besatzung des Streifenwagens, den er erstmalig bei der Schule bemerkt hatte, aus dem Verkehr, „Verkehrskontrolle“, er sei zu langsam gefahren und darum fahruntüchtig, ob er wohl getrunken habe. Bodo gab an, er sei gewohnheitsmäßiger Biertrinker, das könne man ihm ansehen, er hätte sicherlich Restalkohol von gestern, jedoch nicht mehr, als erlaubt sei, und in diesem Zustande sei er nicht fahruntüchtig.
Mehrmalige Tests mit dem mitgeführten Alkoholmeßgerät ergaben mal mehr und mal weniger als 0,5 Promille. Die Beamten entschieden sich, Bodo zu verhaften, da ihre Testinstrumente nicht genau genug arbeiten würden. Auf der Polizeiwache ergaben erneute Messungen einen deutlich geringeren Wert auf einem als „optimistisch“ bekannten Meßgerät, so daß man auf eine weitere Messung mit einem „gerichtsverwertbaren“ Gerät verzichtete, weil diese ohne Erfolgsaussicht gewesen wäre.
Bodo hatte inzwischen mit den beiden Polizisten aus dem Streifenwagen einige Zeit verbracht, sich dabei völlig normal verhalten und keine Anzeichen alkoholbedingter Beeinträchtigung gezeigt.
Die beiden Beamten nahmen Bodo nun wieder mit ihrem Auto mit, fuhren ihn aber nicht zu seinem Auto, sondern zum Bahnhof, damit er mit der Bahn nach Hause fahre und dort seinen Rausch ausschlafe, dann könne er in die Polizeiwache kommen und seine Autoschlüssel abholen. Es entstand eine Diskussion über die Autoschlüssel, ob Bodo sie nicht behalten dürfe, wenn er tatsächlich mit der Bahn nachhause fahre. Das wurde strikt abgelehnt, der Ermessensspielraum gebe so etwas nicht her, denn Bodo sei als fahruntüchtig eingestuft, hätte darum bis zum Erreichen von 0,0 Promille keinen Versicherungsschutz, und ohne diesen dürfe er nicht autofahren. Sprachs, und setzte Bodo Sekunden später am Bahnhof ab, ohne ihm seine Autoschlüssel abzuverlangen.

Gruß,

Taro

Hi!

Schwein gehabt, würde ich sagen…

Grüße,

Mathias

Hi,
dein Freund sollte sich schon etwas Gedanken um seinen Alkoholkonsum machen, wenn er öfter so viel trinkt, dass er morgens noch 0,5 Promille hat. An Deiner Stelle würde ich es eher so sehn, dass es ein „Wink mit dem Zaunspfahl“ war, dass er sich um dieses Problem kümmert. Sonst fährt er nächstes mal ggf. nicht zu langsam, sondern gegen einen Baum.

A.

Wenn die Polizei der Auffassung ist, daß ein Fahrzeugführer zur Zeit fahruntauglich ist, dann darf sie ihm keinesfalls die Schlüssel wiedergeben. Das war hier anscheinend aufgrund des Fahrstils iVm. den wenn auch geringen Blutalkoholwerten der Fall. Dies unabhängig davon, ob die jetzt Recht hatten oder nicht. Das hat auch nichts mit der relativen Fahruntauglickeit zu tun, die gilt nur für ein Strafverfahren. Hier hat die Polizei zur Abwehr ihrer Ansicht nach bestehenden Gefahren gehandelt und das darf sie jederzeit.
Das Handeln der Beamten wäre nur dann rechtswidrig gewesen, wenn sie sich völlig klar darüber gewesen wären, daß der Fahrer völlig fahrtauglich ist. M.E. war das aber hier nicht der Fall.

Hallo,
die „Falschinterpretation“ des Verkehrschildes hätte auch als „alkoholbedingte Ausfallerscheinung“ gewertet werden können, so dass die Pol. ein Strafverfahren durchaus hätte einleiten können.
Ich finde, Bodo hat mehr Glück als Verstand gehabt und sollte sich mal um sein Problem (man sieht im regelmäßigen Bierkonsum an) kümmern.

Gruß
HaWeThie

Polizeiliches
Liebe Antworter,

diese Geschichte habe ich in diesem Brett erzählt, weil es mir weniger um Rechtliches (Bodo glaubt auch, daß keiner der Beteiligten, einschließlich er selbst, gegen ein einziges Gesetz verstoßen hätten), oder um Suchtberatung ging, sondern um das merkwürdige Verhalten der Polizisten.

  1. Wenn der Anfangsverdacht auf Alkohol bedingte Fahruntüchtigkeit mit einem tatsächlichen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,0 zusammen trifft, dann wird die Fahrerlaubnis wegen Mangel an Versicherungsschutz ausgesetzt. In diesem Verfahren ist offenbar keine Revision, durch welche Gegenevidenz auch immer, vorgesehen.
  2. Tatsächlich aber haben die Polizisten eine solche Revision vorgenommen, nach dem sie über einen längeren Zeitpunkt hin weg an Hand von Bodos Gestus, Eloquenz, Alertheit usw. den Eindruck gewannen, dass er seine Autoschlüssel behalten dürfe. Ich habe den Verdacht, dass die Polizisten ihm die Schlüssel eigentlich nicht hätten belassen dürfen.
  3. Die Polizisten haben Bodo seine Autoschlüssel belassen, und dabei im Streifenwagen bis zum Schluß hin lauthals darauf bestanden, dass er diese Schlüssel ab geben müsse und diese später in der Polizeiwache nach erneuter Alkoholkontrolle wieder bekommen könne.
    Das hat schon was Konspiratives; offenbar wird die Konversation in den Streifenwagen der Polizei ab gehört/mit geschnitten?

Gruß,

Taro

Hi,
soweit ich weiss, sind auch bei unsicherem Fahrverhalten mindestens 0,3 Promille erforderlich, damit es als Fahren unter Allloholeinfluss zählt.

zu den anderen Dingen würde ich sagen, Polizisten sind auch Menschen, und ggf. haben sie eingeschätzt, dass es dem Bodo Warnung genug ist, und er bis zum Wiedereintreffen an seinem Wagen nach der ganzen Aktion sowieso keine 0,3 (uns schon gar keine 0,5 Promile) mehr hatte (0,5 Promille wäre ja innerhalb von ca. 1,5 Stunden auf 0,3 abgebaut.)

„ab 0,3 ‰ Alkohol im Blut
Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 StGB) ist möglich, wenn die (relative) Fahruntüchtigkeit die Ursache für einen Unfall oder einer gefährlichen Verkehrssituation war.“ hab ich dazu gefunden.

Die eingesetzten Messverfahren haben immer eine Messungenauigkeit. Wenn die Messung zu den Ergebniss „exakt 0,5 Promille“ kommt, ist da noch nicht gesagt, ob die Messungenauigkeit da schon abgezogen ist oder nicht. Wenn die Messungenauigkeit noch nicht abgezogen war, hätte er ja de jure weniger als 0,5 Promille gehabt.

A.