Popper / Bühler / Sprachphilosphie

Hallo,

Heute haben wir im Philo-Unterricht einen Text von Karl Popper zum Thema „Sprache“ besprochen. Er beruft sich dabei auf Karl Bühler, der ein Sprachmodell mit verschiedenen „Ebenen“ aufgestellt hat: Die niedrigste ist die Ausdrucksfunktion, dann kommt die Kommunikationsfunktion und schließlich die Darstellungsfunktion der Sprache. Letztere ist nur den Menschen eigen. Popper hat jetzt diesen drei Ebenen eine vierte hinzu gesetzt: Die der argumentativen Funktion.

Soweit ist noch alles klar.

Jetzt kam der Lieblingsschüler mit der These: „Eigentlich bräuchten wir eine fünfte Ebene - eine Meta-Ebene“. Der Lehrer sprang sofort drauf an und fand den Vorschlag ganz toll. Begründet wurde die Richtigkeit folgendermaßen:

Man müsse die argumentative Ebene auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, dazu reichen aber die darstellende Funktion und die argumentative Funktion nicht aus.
Meiner Meinung nach (und der einiger anderer) ist das aber völlig hinfällig - denn es geht hier doch wortwörtlich um „Funktionen“ und nicht um Themen wie „Was ist eigentlich grün?“. Zur Reflektion der Wahrheit dürften die dritte und vierte Ebene doch ausreichen.

Meine Frage nach diesem langen Palaver ist nun: Was meinten Popper und Bühler da eigentlich? Ist es in ihrem Sinne, ein fünfte Ebene zu installieren? Sind das überhaupt „Ebenen“ oder „Funktionen“ von Sprache?

Vielleicht bin ich mit meiner Fragestellung auch besser im Sprachbrett aufgehoben, dann mal kurz Bescheid sagen.

Lena

(Ich habe versucht, den verwendeten Text online zu finden, ist aber gescheitert…)

Hallo Lena,

Was meinten
Popper und Bühler da eigentlich? Ist es in ihrem Sinne, ein
fünfte Ebene zu installieren? Sind das überhaupt „Ebenen“ oder
„Funktionen“ von Sprache?

Bühler sagt ausdrücklich, dass es sich um Funktionen handelt.
Die vier (!) Ebenen bei Bühler (kurz): 1. Ausdruck, 2. Zeichen, 3. Unterscheidung von Formalisierungsstufen, 4. Darstellung. Bühlers Ziel ist die objektive Beschreibung von Sprache im Sinne einer Lehre vom Zeichen im Kommunikationsprozess.

Popper scheint in dem von dir genannten Text, den ich auf die Schnelle nicht eruieren konnte, einen Argumentationsgedanken entsprechend seiner „Welt 3“ hinzufügen zu wollen. Kannst du den Text kurz zitieren? Diese Konzeption Poppers geht über Bühler hinaus, weil es - wie du schreibst - um Wahrheit geht, die Bühler nicht interessiert. Die Wahrheit des Sprachinhaltes ist ja gerade keine Funktion im Bühlerschen Sinne mehr. Daher kann man sich beschreibend schon damit zufriedengeben, wenn man Wahrheit subjektbezogen bleiben lässt.

Das aber möchte Popper wohl nicht, sondern er versteht Wahrheit als Adaequatio rei et intellectus im Sinne Thomas von Aquins. Und wenn das so ist, dann benötigt man schon eine Reflexionsstufe mehr, nämlich die, die den subjektiven Wahrheitsgehalt mit dem objektiven vergleicht.

Gruß

Bona

Hallo,

Popper scheint in dem von dir genannten Text, den ich auf die
Schnelle nicht eruieren konnte,

Popper behandelt Bühlers Theorie in einigen Werken, z.B. Conjectures and Refutations von 1963, Objective Knowledge von 1972 und The Self und its Brain von 1977. Im zuletzt genannten Werk verwendet Popper die von ihm erweiterte Sprachtheorie als Argument gegen den Physikalismus. Übrigens nennt Popper das, worum es bei der argumentativen Funktion der Sprache geht, Gültigkeit bzw. Ungültigkeit. Wahrheit bzw. Falschheit sind dagegen seiner Meinung nach auf der Ebene der Darstellung angesiedelt.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Bona,

Die vier (!) Ebenen bei Bühler (kurz): 1. Ausdruck, 2.
Zeichen, 3. Unterscheidung von Formalisierungsstufen, 4.
Darstellung.

sie meint wohl das Organon Modell:
Ausdrucks-, Appell- und Darstellungsfunktion:

http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%2…

Gruß
HC

Hallo Lena!

Jetzt kam der Lieblingsschüler mit der These: „Eigentlich
bräuchten wir eine fünfte Ebene - eine Meta-Ebene“.

Roman Jakobson hat deren gleich 6:

http://www.tu-dresden.de/sulifg/ndl/downloads/Jakobs…

Meiner Meinung nach (und der einiger anderer) ist das aber
völlig hinfällig - denn es geht hier doch wortwörtlich um
„Funktionen“ und nicht um Themen wie „Was ist eigentlich
grün?“. Zur Reflektion der Wahrheit dürften die dritte und
vierte Ebene doch ausreichen.

Du hast imho völlig Recht! Man könnte die Differenzierung sogar
noch weiter als Jakobson steigern, aber letztlich ist doch die Funktionalität der Zeichen thematisiert, also die Frage nach den Möglichkeiten und Mitteln, wie das sprachliche Zeichen seine
jeweilige Funktion innerhalb eines Bezugs- oder Regelsystems
erfüllt. Wobei dann die ästhetische Funktion des Zeichens als mehrdeutiges Changieren oder Fluktuieren zwischen
den Codes aufgefasst werden kann.

Aber mit den Strebern muss man halt leben! :wink:

Gruß
HC

Hallo Oliver,

Popper behandelt Bühlers Theorie in einigen Werken, z.B.
Conjectures and Refutations von 1963, Objective Knowledge von
1972 und The Self und its Brain von 1977.

ja, danke für die Hinweise, ich habe leider diese drei Werke nicht greifbar, so dass ich nicht nachsehen kann, worauf sich die Frage genau bezog.

Übrigens nennt Popper das,
worum es bei der argumentativen Funktion der Sprache geht,
Gültigkeit bzw. Ungültigkeit. Wahrheit bzw. Falschheit sind
dagegen seiner Meinung nach auf der Ebene der Darstellung
angesiedelt.

Wenn du es sagst, wird es schon stimmen. Allerdings erscheint mir diese Aufteilung etwas seltsam missverständlich, weil Popper meines Wissens wie gesagt Adaequationstheoretiker ist und so die Argumentation von zwei Seiten sozusagen „einkesseln“ würde, statt die Ebenen aufeinander aufzubauen. Um die Gültigkeit einer Aussage zu prüfen, muss ich ja gar nicht in die Realwelt zum Vergleichen, sondern z. B. sind ja auch tautologische Argumente im logischen Sinn gültig. Vielleicht aber verwendet er diese Terminologie ja auch mit Absicht (was ja zu vermuten wäre).

Gruß

Bona

Hallo HC,

http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%2…

das scheint mir vereinfacht zu sein, aber durchaus nicht verfälschend, also zulässig.

Zu Jakobson möchte ich noch zu bedenken geben, dass er meiner Vermutung nach selbstverständlich mehr Ebenen unterscheiden muss, weil es ihm ja um Kunst geht, womit der Ansatz von Bühler (bei Popper weiß ich das im Moment nicht, vermute es aber auch) gesprengt ist.

Gruß

Bona

Hallo Bona,

das scheint mir vereinfacht zu sein, aber durchaus nicht
verfälschend, also zulässig.

Durch das Organon-Modell wurde er berühmt.

Zu Jakobson möchte ich noch zu bedenken geben, dass er meiner
Vermutung nach selbstverständlich mehr Ebenen unterscheiden
muss, weil es ihm ja um Kunst geht,

Deshalb erwähnte ich, dass die ästehtische Funktion
(schön, gut, wahr etc.), also die Sinne betreffend,
als ein changieren oder fluktuieren, also wechseln oder
hin- und herspringenzwischen den Codes aufgefasst werden
kann. Man kann es natürlich differenzieren, aber es wäre
nicht notwendig. Manchmal wäre weniger mehr und damit weniger
verwirrend, als es ohnehin schon ist. Darin stimme ich Lena
zu!

womit der Ansatz von
Bühler (bei Popper weiß ich das im Moment nicht, vermute es
aber auch) gesprengt ist.

Das kann man so sehen, wie gesagt, aber wozu? Eine vernünftige
Grenze ist immer die Vernunft! *ggg*
Ich möchte aber selbstverständlich nichts diktieren, es stört
mich ja auch nicht weiter!
Welchen Text sie meint, weiss ich auch nicht, deshalb kann ich dazu nichts sagen. Die Intention Poppers wird ausschlaggebend sein,
aber das hast du ja bereits erwähnt.

Gruß
HC

Hallo Lena,

Was meinten
Popper und Bühler da eigentlich? Ist es in ihrem Sinne, ein
fünfte Ebene zu installieren? Sind das überhaupt „Ebenen“ oder
„Funktionen“ von Sprache?

Bühler sagt ausdrücklich, dass es sich um Funktionen
handelt.

Danke! :smile:

Die vier (!) Ebenen bei Bühler (kurz): 1. Ausdruck, 2.
Zeichen, 3. Unterscheidung von Formalisierungsstufen, 4.
Darstellung. Bühlers Ziel ist die objektive Beschreibung von
Sprache im Sinne einer Lehre vom Zeichen im
Kommunikationsprozess.

Ich meine, es wären nur drei gewesen…

Popper scheint in dem von dir genannten Text, den ich auf die
Schnelle nicht eruieren konnte, einen Argumentationsgedanken
entsprechend seiner „Welt 3“ hinzufügen zu wollen. Kannst du
den Text kurz zitieren?

„kurz“ geht nicht… von „Welt 3“ steht da nichts; da ich den ganzen Text schwerlich zitieren kann, wäre ein kleiner, präziserer Hinweis hilfreich.

…Daher kann man sich beschreibend schon damit zufriedengeben,
wenn man Wahrheit subjektbezogen bleiben lässt.

Das aber möchte Popper wohl nicht, sondern er versteht
Wahrheit als Adaequatio rei et intellectus im Sinne Thomas von
Aquins.

Von Thomas von Aquin habe ich „schonmal gehört“, aber mir ist schleierhaft (trotz Latinum) was ich darunter zu verstehen habe.

Und wenn das so ist, dann benötigt man schon eine
Reflexionsstufe mehr, nämlich die, die den subjektiven
Wahrheitsgehalt mit dem objektiven vergleicht.

Ist das jetzt Poppers Meinung oder ist das ein Argument für die fünfte Ebene?
Ich denke, damit ist die neue, fünfte Ebene gemeint, oder? Denn in der vierten (gezählt nach Popper) geht es ja um Argumentation usw. - oder habe ich da was falsch verstanden? Mir leuchtet durchaus ein, dass man subjektive und objektive Wahrheit trennen möchte. Aaaaber: Auch hier stellt sich die Frage: Ist die Frage nach der subjektiven und objektiven Wahrheit nicht ebenso ein Thema wie die Frage „Was hast du im Urlaub erlebt?“ (Denn es geht ja darum, um es mal platt zu sagen: Hatter nu gelogen oder denken wir nur, er hat gelogen? Das Werkzeug dazu unterscheidet sich ja nicht, auch wenn man das here Thema der Wahrheit hat, egal, ob sie nun subjektiv oder objektiv ist). Ich hoffe, ich dreh das Ding jetzt nicht einfach im Kreis weiter…

Lena

sie meint wohl das Organon Modell:
Ausdrucks-, Appell- und Darstellungsfunktion:

Jawoll.

Hallo,

Deshalb erwähnte ich, dass die ästehtische Funktion
(schön, gut, wahr etc.), also die Sinne betreffend,
als ein changieren oder fluktuieren, also wechseln oder
hin- und herspringenzwischen den Codes aufgefasst werden
kann.

Du hast es ja bereits weiter oben so genannt, dieses Fluktuieren und changieren. Das heißt doch einfach nur, dass das „Darstellungswerkszeug“ auf unterschiedliches Material angewendet wird, oder?

Lena

Hallo,

Du hast es ja bereits weiter oben so genannt, dieses
Fluktuieren und changieren. Das heißt doch einfach nur, dass
das „Darstellungswerkszeug“ auf unterschiedliches Material
angewendet wird, oder?

Nein, nur dass es so aufgefasst werden kann:
Die ästhetische Funktion des Zeichens kann als ein mehrdeutiges
Wechseln zwischen Regelsystemen wie eben Codes aufgefasst werden.
Das Ganze ist ein hermeneutisches Problem, es gibt Ansätze die
Hermeneutik als Unterdisziplin der Semiotik anzusehen und ihr
die Linguistik als Nachbardisziplin zuzuordnen.
In semiotischen Kategorien ist zunächst einmal die pragmatische
Dimension, nämlich das Verhältnis von Zeichen und Zeichenbenutzer angesprochen. Zugleich ist damit aber auch die Verstehenslehre
also Hermeneutik betroffen. Es besteht jetzt die Gefahr, dass bei
einer solchen Zuordnung ein wesentlicher Aspekt der Hermeneutik
zugunsten eines funktionalistischen Verstehensmodells
verlorengeht. Die Kommunikationstheorie arbeitet aber
vorzugsweise mit Funktionsmodellen. Und hier hast du mit deiner
Einschätzung völlig Recht! Es geht um die Funktionalität des
Zeichens! Die hermeneutische Frage nach der Bedeutsamkeit einer Äußerung fragt aber prinzipiell über die Funktion eines
Wortzeichens hinaus (innerhalb eines festgelegten Codes), ohne
allerdings daß sie auf die semiotisch-kommunikationstheoretische
Klärung des funktionalen Zusammenhangs verzichten kann!
Es muß noch geklärt werden, ob die darüber hinausgehenden
Leistungen mit semiotischen Kategorien erfaßbar sind!
Du siehst ihr seid ganz aktuell in eurer Diskussion!

Gruß
HC

1 Like

Hallo Lena,

Wahrheit als Adaequatio rei et intellectus im Sinne Thomas von
Aquins.

Von Thomas von Aquin habe ich „schonmal gehört“, aber mir ist
schleierhaft (trotz Latinum) was ich darunter zu verstehen habe.

die Übereinstimmung von Sache und Denken.

Und wenn das so ist, dann benötigt man schon eine
Reflexionsstufe mehr, nämlich die, die den subjektiven
Wahrheitsgehalt mit dem objektiven vergleicht.

Ist das jetzt Poppers Meinung

Nein.

oder ist das ein Argument für die fünfte Ebene?

Ja.

Gruß

Bona

THX
Ich denke, ich kann mich einigermaßen gewappnet in den nächsten Philounterricht begeben. Auch, wenn ich zugeben muss, dass ich so manches Fremdwort nicht verstanden habe… aber wenn ich da noch weiter nachfragen würde, ginge das zu weit. Ist ja „bloß“ Philounterricht… :smile:

Danke!!

Lena