Popper - Falsifikation

Hallo Zusammen!

Habe von der Behauptung gelesen, dass man auch der Auffassung sein kann, dass Popper kein Falsikationist ist.
Jetzt bin ich ganz verwundert, da ich immer davon ausgegangen bin, dass er für die Falsifikationsmethodik steht, das Aushängeschild und der Begründer ist.

Da mir momentan auch kein Grund einfällt, warum die Behauptung wahr sein könnte, frage ich euch. Was denkt ihr über die Behauptung?

Liebe Grüsse*Diana

Hallo Zusammen!

Habe von der Behauptung gelesen, dass man auch der Auffassung
sein kann, dass Popper kein Falsikationist ist.

Hallo Diana

Diese Behauptung ist sinnlos, da sie sich nicht falsifizieren laesst.
Denn um die Aussage „Popper war kein Falsikationist“ zu falsifizieren
muesste man beweisen, dass er einer war. Dafuer stehen uns aber nur
endlich viele verifizierende Beobachtungen zur Verfuegungen, die zum
Beweis nicht ausreichen.
Und bei sinnlosen Aussagen, kann man nicht sagen, ob sie falsch oder
richtig seien.

Ernsthaft: Ich sehe es so wie du und wundere mich auch ueber die
Behauptung.

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,

gibt der Teil Deines Postings vor dem Wort „Ernsthaft“ Dein Verständnis der Popperschen Erkenntnistheorie wieder?

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo Oliver

Ich schaetze, wenn ich „ja“ antworte, wirst du mir nachweisen, dass
mein Verstaendnis falsch sei. Antworte ich mit „nein“, bleibe ich
womoeglich auf einem Irrtum sitzen. Da ich mich lieber blossstellen
lasse, als dumm zu sterben, bitte ich dich darum, meinen Schriebs
spassenshalber ernstzunehmen und zu sagen, was damit nicht stimmt.

Viele Gruesse, Tychi

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Tychi,

bitte ich dich darum, meinen Schriebs spassenshalber ernstzunehmen
und zu sagen, was damit nicht stimmt.

ich denke, daß Du nicht richtig damit liegst, wenn Du das Poppersche Falsifizierbarkeitskriterium dafür heranziehst, um die Sinnhaftigkeit von Aussagen zu beurteilen. Im ersten Teil Deines Postings sagst Du:

„Diese Behauptung ist sinnlos, da sie sich nicht falsifizieren laesst.“

Du beurteilst hier die Behauptung „Popper war kein Falsifikationist“ als sinnlos und begründest Deine Beurteilung mit der Nichtfalsifizierbarkeit der Behauptung. Verstehst Du Poppers Falsifizierbarkeitskriterium als Sinnkriterium? Falls ja, so stimmt Popper mit Dir darin nicht überein, zumindest sagt er in der LdF, daß er die Falsifizierbarkeit nicht als Sinnkriterium auffaßt:

„Man beachte, daß ich die Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium und nicht als Sinnkriterium vorschlage. Ferner ist zu beachten, daß ich bereits oben (in 4) die Verwendung des Begriffs „Sinn“ als Abgrenzungskriterium scharf kritisiert habe und daß ich in Abschnitt 9 das Sinndogma wieder und noch schärfer angreife. Es ist daher einfach ein Märchen, daß ich je die Falsifizierbarkeit als Sinnkriterium propagiert hätte (obwohl erstaunlich viele Widerlegungen meiner Theorie sich auf dieses Märchen berufen). Die Falsifizierbarkeit unterscheidet zwei Arten von durchaus sinnvollen Sätzen voneinander: die falsifizierbaren und die nichtfalsifizierbaren. Die Falsifizierbarkeit zieht eine Trennungslinie innerhalb der sinnvollen Sprache, nicht um sie herum“ (LdF, 11. Auflage, S. 17, Anm. 31; Hervorhebung von Popper).

Wie man sieht, können Popper zufolge nichtfalsifizierbare Sätze durchaus sinnvoll sein. Einen Satz deswegen als sinnlos zu bezeichnen, weil er nichtfalsifizierbar ist, ist mit Poppers Auffassung, wie er sie a.a.O. formuliert, nicht vereinbar. Es ist möglich, daß ein nichtfalsifizierbarer Satz sinnlos ist (wenn man den Sinn-Begriff aufrechterhalten möchte), aber es ist nicht möglich aufgrund von fehlender Falsifizierbarkeit auf fehlenden Sinn zu schließen.

Damit im Zusammenhang steht dieser Deiner Sätze:

„Und bei sinnlosen Aussagen, kann man nicht sagen, ob sie falsch oder
richtig seien.“

Ich weiß nicht, wie Du auf diesen Satz kommst. Falls Du sinnlose Aussagen mit nichtfalsifizierbaren Aussagen gleichsetzt (wie man aufgrund der obigen Überlegungen annehmen könnte), so übersetzt sich dieser Satz zu:

Und bei nichtfalsifizierbaren Aussagen kann man nicht sagen, ob sie falsch oder richtig seien.

Ich interpretiere „falsch oder richtig“ im Sinne von „falsch oder wahr“. Nun meine ich, daß es trotz Deiner Behauptung nichtfalsifizierbare Sätze gibt, von denen man angeben kann, ob sie wahr oder falsch sind. Logische Tautologien z.B. sind nichtfalsifizierbar, aber wahr.

Das waren die Gründe für meine Frage.

Grüße,

Oliver Walter

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Hallo Oliver,

Zustimmung zu Deinem Artikel.

Aber die spasshafte(!) Bemerkung Tychis ist noch verwickelter als von Dir geschildert.

die Bemerkung:
Diese Behauptung ist sinnlos, da sie sich nicht falsifizieren laesst.
Denn um die Aussage „Popper war kein Falsikationist“ zu falsifizieren
muesste man beweisen, dass er einer war. Dafuer stehen uns aber nur
endlich viele verifizierende Beobachtungen zur Verfuegungen, die zum
Beweis nicht ausreichen.

Ab „denn um …“ wird die Falsifizierung eine Verifizierung, denn um eine Aussage „A ist non-X“ zu falsifizieren, genügt die Beobachtung eines X (zumindest prinzipiell); es muss aber keinesfalls X „bewiesen“ werden, das X sieht sich also nicht dem Induktionsproblem („endlich viele Beobachtungen“) ausgesetzt.

Wenn Tychis Spass-Argument aber von nun an „verifikationistisch“ vorgeht, dann ist die Gleichsetzung Verifizierbarkeit=Sinnhaftigkeit wiederum berechtigt :wink:

Aber auch dann wäre es falsch, die Aussage, Popper wäre kein Falsifikationist gewesen, als sinnlos zu begreifen, weil sie ja eben verifizierbar ist.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

Du behandeltst den Satz „Popper ist kein Falsifikationist“ als einen universellen Es-gibt-nicht-Satz. (Deine Verallgemeinerung in „A ist non-X“ ist Indikator dafür, denn wahrscheinlich faßt Du den Satz „A ist non-X“ als „Es gibt keine Elemente der Menge a, die Elemente der Menge X sind“ auf). Wenn „Popper ist kein Falsifikationist“ ein universeller Es-gibt-nicht-Satz wäre, dann wäre er falsifiziert, wenn man ein Element der Menge A fände, daß Element der Menge X wäre (in diesem Fall: wenn man einen unter vielen Poppern fände, der Falsifikationist wäre). (Strenggenommen stimmt es nicht, daß solche Sätze schon falsifiziert wären, wenn man einen Basissatz finden würde, der ihnen widerspricht, aber diese Details lassen wir hier mal fort).

Nun handelt es sich meiner Auffassung nach bei dem Satz „Popper war kein Falsifikationist“ nicht um einen universellen Es-gibt-nicht-Satz (oder äquivalent: Es handelt sich nicht um einen All-Satz der Form „Alle Popper sind keine Falsifikationisten“). Vielmehr haben wir es hier mit einem singulären Es-gibt-nicht-Satz zu tun: „Popper war kein Falsifikationist“ = „Dieser Mensch namens Popper war kein Falsifikationist“. (Und nicht: „Alle Menschen namens Popper waren keine Falsifikationisten“). Solche singulären Es-gibt-nicht-Sätze sind falsch, wenn ihre Negation - ein singulärer Es-gibt-Satz - wahr ist.

Ein Beispiel für einen ähnlichen Satz wie „Popper war kein Falsifikationist“ ist „Dieses Tier ist keine Kuh“. Dieser Satz ist nur dann falsch, wenn das Tier eine Kuh ist. Denn es sind alle Sätze mit diesem Satz vereinbar, die nicht den Satz „Dieses Tier ist eine Kuh“ einschließen. Die Falsifikation des Satzes „Dieses Tier ist keine Kuh“ ist daher gleich der Verifikation des Satzes „Dieses Tier ist eine Kuh“. Popper sagt dies selbst:

„[…] denn um den singulären Satz zu falsifizieren, müssen wir einen anderen, ebenso nichtverifizierbaren singulären Satz als wahr annehmen […]“ (LdF, 11. Auflage, S. 450, Anm. 3).

Allerdings sind - wie Popper in dem Zitat selbst schreibt - solche Sätze nicht verifizierbar. Daher hat Tychi in diesem Punkt des vermeintlich (!) spaßhaften Teils seines Postings durchaus Recht.

Grüße,

Oliver Walter

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Danke
Hallo Oliver

Danke fuer deine Richtigstellung und Erlaeuterung meiner Aussagen.
Beim Schreiben ahnte ich schon, dass es so einfach nicht sei, wie ich
es mir dachte.

Gruss, Tychi

Hallo Oliver,

Du behandeltst den Satz „Popper ist kein Falsifikationist“ als
einen universellen Es-gibt-nicht-Satz. (Deine
Verallgemeinerung in „A ist non-X“ ist Indikator dafür, denn
wahrscheinlich faßt Du den Satz „A ist non-X“ als „Es gibt
keine Elemente der Menge a, die Elemente der Menge X sind“
auf).

Da hast Du recht, das habe ich bewusst so getan.

Wenn „Popper ist kein Falsifikationist“ ein universeller
Es-gibt-nicht-Satz wäre, dann wäre er falsifiziert, wenn man
ein Element der Menge A fände, daß Element der Menge X wäre
(in diesem Fall: wenn man einen unter vielen Poppern fände,
der Falsifikationist wäre).

so denke ich es auch

(Strenggenommen stimmt es nicht,
daß solche Sätze schon falsifiziert wären, wenn man einen
Basissatz finden würde, der ihnen widerspricht, aber diese
Details lassen wir hier mal fort).

das weiß ich, und darum habe ich, glaube ich, „prinzipiell“ geschrieben

Nun handelt es sich meiner Auffassung nach bei dem Satz
„Popper war kein Falsifikationist“ nicht um einen universellen
Es-gibt-nicht-Satz (oder äquivalent: Es handelt sich nicht um
einen All-Satz der Form „Alle Popper sind keine
Falsifikationisten“).

so würde ich es aber auffassen, weil aus meiner Sicht in diesem Kontext „Popper“ nicht für den Mensch Karl Popper steht, sondern für „alle wissenschaftstheoretischen Schriften Poppers“ oder für „alle Schriften des Kritischen Rationalismus“, etc.

Kurz: ich halte „Popper“ im Satz "„Popper ist kein Falsifikationist“ für unterbestimmt, weshalb dieser Satz beide Auffassungen zulässt.

Vielmehr haben wir es hier mit einem
singulären Es-gibt-nicht-Satz zu tun: „Popper war kein
Falsifikationist“ = „Dieser Mensch namens Popper war kein
Falsifikationist“. (Und nicht: „Alle Menschen namens Popper
waren keine Falsifikationisten“).

so kann man es selbstverständlich auch sehen, wobei ich es so weniger interessant finde.

Solche singulären
Es-gibt-nicht-Sätze sind falsch, wenn ihre Negation - ein
singulärer Es-gibt-Satz - wahr ist.

Logisch

Ein Beispiel für einen ähnlichen Satz wie „Popper war kein
Falsifikationist“ ist „Dieses Tier ist keine Kuh“. Dieser Satz
ist nur dann falsch, wenn das Tier eine Kuh ist. Denn es sind
alle Sätze mit diesem Satz vereinbar, die nicht den Satz
„Dieses Tier ist eine Kuh“ einschließen. Die Falsifikation des
Satzes „Dieses Tier ist keine Kuh“ ist daher gleich der
Verifikation des Satzes „Dieses Tier ist eine Kuh“. Popper
sagt dies selbst:

„[…] denn um den singulären Satz zu falsifizieren, müssen
wir einen anderen, ebenso nichtverifizierbaren singulären Satz
als wahr annehmen […]“ (LdF, 11. Auflage, S. 450, Anm. 3).

Allerdings sind - wie Popper in dem Zitat selbst schreibt -
solche Sätze nicht verifizierbar.

Zustimmung, wenn ich Deiner Auffassung folge

Viele Grüße
franz

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