Hallo ALtertumswissenschaftler und/oder Mediävisten,
wenn ich mittelalterliche Buchillustrtionen sehe und mit antiken Bildern, speziell römische anschaue, fällt mir auf, daß mittelalterliche Darstellungen naiv oder gar primitiv sind.
Gab es im MA auch naturalistische Werke, oder waren die Kenntnisse zu deren Herstellung vergessen worden?
Oder waren die Bilder mit Absicht in dieser primitiven Form angefertigt?
Gandalf
Von der Totenmaske zum realistischen Portrait
Guten Tag, Gandalf
In der Antike kann ein ‚Portrait‘ (zwei- oder dreidimensional) sehr
naturalistisch wirken; es ist jedoch in der Regel nicht ein Individuum
dargestellt. Wir können uns heute kein Bild davon machen, wie die Person
aussah, sondern allenfalls nur, wie sie aussehen wollte. Bei den Griechen
erreichte das Portrait in der alexandrinischen Zeit höchste Vollendung -
meistens als Idealportrait einer bestimmten Person, erschaffen nach dem idealen
Wesen und der sozialen Funktion des dargestellten Individuums, welches der
Künstler nicht kannte. Im kaiserzeitlichen Ägypten wurden Portraits, die
individuell aussehen sollten, auf Holztafeln gemalt und anstelle von
Totenmasken auf das Gesicht des mumifizierten Verstorbenen gelegt. Die
Portraitmalerei spielte auch im römischen Ahnenkult eine wichtige Rolle:
Portraits der Verstorbenen wurden auf Holz, Leinwand, Glas und Stuck gemalt.
Hier setzte erstmals die realistische Darstellung ein, indem zuerst
Gesichtsmasken abgeformt wurden, aus denen virtuose Portraits entstanden. Seit
dem 1. Jahrhundert v. Chr. schufen die Römer auch kunstvoll gearbeitete Stein-
und Bronzebüsten, besonders als Grabmonumente.
„Im Zentrum der Porträtkunst des christlich geprägten Mittelalters standen
Bildnisse von Herrschern, Adeligen, Kirchenfürsten und Religionsstiftern, die
in typisierter Form ohne ausgeprägte individuelle Züge auf Wappenbildnissen,
Grabplastiken oder an Kirchenfassaden, aber auch auf Wandmalereien,
Altarbildern, Buntglasfenstern und in der Buchmalerei dargestellt wurden. Die
Romanik neigte zu stilisierten Symbolfiguren, in der Gotik setzte eine
Entwicklung zur realistischen Darstellung von Individuen ein.“
http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761559633/Por…
Individualisierte Porträts tauchen im mittelalterlichen Europa (250 bis 1500)
ab Mitte des 14. Jahrhunderts auf.
Mit freundlichem Gruss
Rolfus
Hallo Gandalf,
warum im Mittelalter -kunsthistorisch im Wesentlichen die Epoche der Romanik- das Individuelle und Naturalistische eine so untergeordnete Rolle spielt, wird auf dieser Seite (besonders unten) sehr klar und richtig beschrieben:
http://kunst.gymszbad.de/kunstgeschichte/epochen/rom…
Besser hätte ich es in der Kürze nicht sagen können.
Freundliche Grüße
rotmarder
Hallo ALtertumswissenschaftler und/oder Mediävisten,
wenn ich mittelalterliche Buchillustrtionen sehe …
Hallo rotmarder,
Besser hätte ich es in der Kürze nicht sagen können.
also zusammengefasst:
Sie hätten gekonnt, haben aber nicht gedurft.
Gandalf
Hallo Gandalf,
das Problem ist noch grundlegender:
Es war nicht -wie heute- zu allen Zeiten alles vorstellbar. Es gab keine in unserem Sinne umfassende geistige Vielfalt im Denken, keine pluralistische Gleichzeitigkeit verschiedener Weltauffassungen, kein in unserem Sinne historisch-kritisches Bewusstsein, mit dem man per Meinungsfreiheit etwas auswählen konnte. Deshalb sprach man in der Neuzeit, der späteren Epoche der „Aufklärung“, auch vom „finsteren“ Mittelalter.
Damals bestand die Frage nach der naturalistischen Darstellung nicht, wie es im unteren Teil des verlinkten Textes beschrieben ist.
Der Kunsthistoriker Alois Riegl hat dafür den Begriff des „Kunstwollens“ einer Epoche geprägt.
Freundliche Grüße
rotmarder
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