Hallo,
Ich bin auf der Suche nach gain-of-function Mutationen, welche eine positive Auswirkung auf den Organismus haben. Bei meinen Recherchen konnte ich bis jetzt nur negative Beispiele finden und würde mich sehr freuen wenn mir jemand diesbezüglich weiter helfen könnte (besonders interessant wären Beispiele beim Menschen).
mfg Tristan
Got Milk? (Ansatz. Anschlussfrage)
Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber ich meine, Laktosetoleranz sei eine Mutation. (Das soll aber bitte einer der Biologen hier erst bestätigen
)
Das wäre so ziemlich die größte, hilfreiche Mutation, die ich mir beim modernen Menschen (also nicht einer der Urmenschen) vorstellen kann.
Betrifft vor allem Menschen in gemäßigten und arktischen Zonen, heutzutage vornehmlich Zentralasien, ganz Europa (ehemals Nord–Mitteeuropa) und Amerika.
Soweit ich weiß ist der Urzustand des Menschen Alterslaktoseintoleranz, heißt, als Kind kann Laktose verarbeitet werden (Muttermilch) und später verliert sich diese Fähigkeit weil weniger Laktase produziert wird.
In den kälteren Regionen wurde die Milch von Tieren mit der Zeit immer wichtiger um die harten Winter zu überstehen, wie es dazu kam, weiß ich nicht, jedenfalls sollen so die latkoseintoleranten babies natürlich aussortiert worden sein.
So wurde es mir erklärt.
Da ich selbst laktoseintolerant bin und in diesem gradezu laktomanischen Land neidisch auf die ganzen „Mutanten“ gucken, fände ich es schön wenn sich jemand zu diesem Thema auch äußern könnte, ob diese Erklärung stimmt oder nicht 
lg
Kate
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Hallo!
Zuerst einmal eine kleine Frage: Wozu betreibst Du bitte diese Recherche ?
Eigentlich bin ich mir
nicht ganz sicher, was eine gain of function Mutation ist. Bisher dachte ich, dass bezöge sich auf Mutationen in der kodierenden Sequenz, die dem einzelnen Protein irgendwie mehr Funktion verleiht.
Ich dachte, das mit der Lactose sei eine Mutation in regulatorischen nichtkodierenden Sequenzen. Wenn man sowas trotzdem als gain of function bezeichnen kann, dann könnte man auch einfach ganz viele Polymorphismen nennen, wenn man durch vergleichende Genanalysen meint, die seien irgendwie neu gegenüber anderen Varianten des Polymorphismus.
Es gibt ja sehr viele Polymorphismen, die dazu führen, dass Proteine stärker oder schwächer expremiert werden. Normalerweise kann ein stärker expremiertes Protein seine Funktion mehr ausüben und ist dadurch zumindest von mancher Seite her gut.
Ganz typisch wären hier z.B. Promotoren/Enhancer von Wachstumsfaktoren.
Letzte Woche haben wir einen (von 29) Polymorphismen im VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) bei uns untersucht. Einige waren auch homozygot für die stärkere Promoterpolymorphysmusvariante. Die haben hierdurch eine tendenziell bessere Wundheilung wegen besserer Gefäßeinsprossung. Gut, sie haben leider auch bei einem hepatozellulären Karzinom ein schlechteres Überleben.
Gruß, Stefan
Hallo!
Was man nehmen können müsste, wären die Bakterien.
Da ist die Generationszeit so kurz und die Zahl so hoch, dass die Veränderungen durch die Evolution leichter mitzuverfolgen sind.
Bakterien mutieren sehr schnell und bekommen hierdurch z.B. Antibiotikaresitenzen und vieles mehr.
Ja, wenn es ihnen schlecht geht unter Stress, dann schalten sie sogar Mechanismen an, die zu vermehrten Mutationen führen, denn dies ist für das Überleben und die Expanansion des Klons förderlich. U.a. bei S.aureus nennt man sowas SOS response.
Man hat vor längerer Zeit nen Experiment gemacht. Da hat man nen „normalen“ Bakterienklonm genommen, ich glaube von E.coli und hat den in ganz unterschiedliche Medien gegeben, die eigentlich der Vermehrung wenig förderlich sind, z.B. weil die Verwertung der Nährstoffe eher nicht ging oder so.
Dann hat man live mitverfolgt, wie die in ganz verschiedene Richtung mutiert sind und Stoffwechselwege angeschaltet haben, die eine Adaption ans Medium verleihen. Da waren sicher auch ein paar gain of function Mutationen dabei.
Gruß, Stefan
Hallo Drachengott,
ich kenne die Terminologie gain-of-function und loss-of-function aus der Tumorgenetik. Hier geht es natürlich um Proto-Onkogene (positive Regulatoren von Zellwachstum und -teilung), die durch gain-of-function-Mutationen zu Onkogenen werden, sowie um Tumorsuppressorgene (entspr. Negativregultoren), welche durch loss-of-function-Mutationen ihre Kontroll-Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können.
In diesem Zusammenhang sind loss-of-function-Mutationen alle solche, welche in irgendeiner Art die Funktion des Genprodukts verhindern. Dazu zählen Mutationen in der kodierenden Sequenz, aber auch Allel-Verluste und Änderungen im Promotor, welche zu einer verringerten bis ausbleibenden Expression führen. Gain-of-function-Mutationen sind hier v.a. Mutationen in den Promotor-Bereichen, die zu einer stärkeren Expression von (Proto-)Onkogenen führen. Häufig sind auch Translokationen, welche die betreffenden Gene in den Einflussbereich stärkerer Promotoren bringen sowie die Translokations-bedingte Bildung von Fusionsproteinen, welche dann ein konstitutives Wachstumssignal geben (Beispiel: das bcr/abl-Fusionsprotein bei Leukämien).
LG
Jochen
Hallo Jochen
In nem Humangenetikbuch hab ich grad auch nochmal gesehen, dass klassischerweise viele Mutationen zum gain-of-function gezählt werden.
Da hab ich mich gefragt, weshalb ich dass nicht wusste, besonders wegen des Krebszeugs, denn den Biology of Cancer hab ich eigentlich durchgelesen.
Grad hab ich nochmal ein paar Kapitel überflogen. Weinberg und Kollegen scheinen den Begriff von gain-of-function nicht gerade zu mögen und benutzen stattdessen eher Begriffe wie „activation of oncogenes“ und eben speziellere Beschreibungen.
Was ich schon immer sehr interessant fand:
Wie kommt es, dass man traditionell immer die Leukämien und Lymphome mit Translokationen assoziert? Ursprünglich hab ich mal Leute erzählen hören, ja… wegen der Reorganisation der Antigenrezeptoren. OK, die IGH Enhancersequenzen sind oft betroffen.
Doch Transkokationen findet man auch oft in myelodysplastischen Syndromen, myeloproliferierenden Erkrankungen und Tumoren der myeloischen Differenzierungslinie.
Diesbezüglich hab ich schon von Hämatoonkologen gehört, dass sie diese ganze Annahme eigentlich für Blödsinn halten und in Soliden Tumoren auch ganz viele charakteristische Karyotypen finden, wenn sie die mal untersuchen und dass das bei den flüssigen Tumoren aus offensichtlichen Gründen einfach mehr gemacht wurde.
Dennoch kommt mir grad ne Idee. Vielleicht sind die Teilungsraten im hämatopoetischen System so groß und der Selektionsdruck auf potentielle neoplastische Klone so groß, dass hier entstehende Klone eher durch extrem potente Onkogenaktivierung entstehen und nicht so sehr wie bei anderen Tumoren durch mehr „kleinere“ Mutationen an verschiedensten Stellen. Vielleicht begünstigen die vielen Teilungen im hämatopoetischen System auch eher chromosomale Aberrationen als beispielsweise Punktmutationen.
Weisst Du was drüber?
Viele Grüße, Stefan
Hallo Stefan,
Was ich schon immer sehr interessant fand:
Wie kommt es, dass man traditionell immer die Leukämien und
Lymphome mit Translokationen assoziert? Ursprünglich hab ich
mal Leute erzählen hören, ja… wegen der Reorganisation der
Antigenrezeptoren. OK, die IGH Enhancersequenzen sind oft
betroffen.
Ganz klar: Weil sie a) häufig sind [zB. haben 95% der CML-Patienten eine t(9;22)(q34;q11)] und b) weil sie einfach nachzuweisen sind [PCR über dem Fusionstranskript reicht ja].
Sicher sind immer viele verschiedene Mutationen an Neoplasien beteiligt. Die Tatsache, dass man ganz bestimmte bei bestimmten Tumoren häufiger findet, liegt meiner Ansicht nach an der klonalen Selektion.
[…] Vielleicht begünstigen die vielen Teilungen im
hämatopoetischen System auch eher chromosomale Aberrationen
als beispielsweise Punktmutationen.
Weisst Du was drüber?
Kurz: Eigentlich nichts. Einen auf der Teilungsrate basierenden Mechanismus, der chromosomale Aberrationen bevorzugt, kann ich mir nicht vorstellen. Aber vielleicht hast Du da ja ein konkretere Idee.
Doch um nochmal auf die Ursprungsfrage zurückzukommen:
Ganz offensichtlich sind die Ausdrücke „gain-of-function“ und „loss-of-function“ keine gut definierten Begriffe und werden von manchen Autoren benutzt, weil sie sie mal gehört haben und/oder weil sie damit eben einen ihnen wichtigen zellbiologischen Aspekt einer genetischen Veränderung herausstellen wollen. Da man Begriffe nie aus dem Zusammenhang nehmen soll und der Zusammenhang im Einzelfall die Interpretation der Begriffe klarstellt, braucht man, denke ich, für derartige Sachen auch nicht unbedingt eine kristallklare Definition.
LG
Jochen
Huhu!
Hmmm, ich erinnere mich gerade weder an den Autorennamen noch an den Bakterienstamm, aber ich erinnere mich dunkel, das ein Dozent in einer Vorlesung erzählt hat, das man Resistenzgene von unter normalen Temperaturen lebenden Bakterien in thermophile eingepflanzt hat, und die dann in einem Medium mit ebenjenem Antibiotikum, und nach ein erstaunlich wenigen Generationen waren alle temperatursensitiven Aminosäuren gegen Temperaturstabile ausgetauscht, d.h. das Resistenzgen war auf hohe Temperaturen angepasst worden.
Viele Grüße!
Ph.